11'000 Rekruten verlassen die Armee vor dem Ende der Dienstpflicht – pro Jahr. Diese Zahl gab Armeechef Thomas Süssli an einer Medienkonferenz am Mittwoch bekannt. Seine Chefin, Verteidigungsministerin Viola Amherd, liess in einem Nebensatz verlauten, man prüfe nun «Änderungen an den Dienstpflichtmodellen.»
Diese Prüfungen laufen bereits seit einigen Jahren. Im März 2022 stellte das Verteidigungsdepartement einen Bericht mit dem Titel «Möglichkeiten zur langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems» fertig. Darin heisst es, dass im Jahr 2030 voraussichtlich 20'000 bis 30'000 Soldaten fehlen werden.
Deshalb hat das Verteidigungsdepartement ursprünglich vier Varianten zur Anpassung der Dienstpflicht ausgearbeitet. Zwei davon werden derzeit intensiv geprüft, wie das VBS gegenüber blue News bestätigt.
«Sicherheitsdienstpflicht»
Zum einen steht die «Sicherheitsdienstpflicht» zur Debatte. Diese sieht die Zusammenlegung des Zivildienstes und des Zivilschutzes in einer neuen Organisation des Katastrophenschutzes vor. Diese Variante sieht – wie die Praxis anhin – ausschliesslich eine Dienstpflicht für Männer vor. Frauen können den Dienst freiwillig leisten.
«Damit die Armee ihre erforderlichen Bestände sichern kann, besteht keine Wahlfreiheit zwischen der Armee und dem Katastrophenschutz», heisst es in dem Vorschlag. Wer den Dienst nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, soll weiterhin Ersatzdienst leisten können. Dieser dauere allerdings länger als bei Personen, die aufgrund der Militäruntauglichkeit direkt dem Katastrophenschutz zugeteilt werden. Der Armee würden so viele Personen wie nötig zugeteilt.
Wegfallen soll die Möglichkeit, nur einen Teil der Diensttage im Zivilschutz zu absolvieren. Gegenwärtig würden viele Schutzdienstpflichtige nicht alle Diensttage leisten können und müssten stattdessen Ersatzabgaben zahlen, heisst es in dem Bericht. Das soll künftig nicht mehr so einfach möglich sein. «In der Sicherheitsdienstpflicht müssen grundsätzlich alle Diensttage effektiv geleistet werden», heisst es in dem Konzeptpapier.
Weil grundsätzlich alle Schweizer ihre Diensttage absolvieren müssen und die Armee bei der Rekrutierung Vorrang vor dem Zivilschutz erhält, würden die Kapazitäten erhöht und die Armee hätte stets ausreichendes Personal. Nachteil: Die Einnahmen der Ersatzpflichtabgaben dürften sinken.
Dienstpflicht für Frauen
Die zweite Variante, die derzeit intensiv geprüft wird, ist eine Ableitung des «norwegischen Modells». Damit würden auch alle Frauen stellungspflichtig. Einrücken müssten aber nicht alle Personen. «Die Armee und der Zivilschutz wählen aus den Stellungspflichtigen jene aus, die sie zur Erreichung ihrer Bestände und zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen.»
Das VBS geht davon aus, dass das rund die Hälfte aller Personen wäre. Die Zahl der Stellungspflichtigen würde sich aber verdoppeln. So stehe jederzeit genügend Personal zur Verfügung.
Weil nur rund die Hälfte aller Personen rekrutiert würden, sollen laut dem VBS Anreize für den Militärdienst geschaffen werden. So könnten etwa Dienstpflichtige, die nicht eingezogen werden, mit einer Ersatzabgabe bestraft werden. «Alternativ könnten positive Anreize, finanzieller oder anderer Art, für das Leisten der Dienstpflicht geschaffen werden.»
Denkbar seien etwa Entschädigungen oder Erleichterungen bei der Einkommenssteuer. Entsprechende Nach- oder Vorteile seien aber «vertieft zu prüfen», diverse Gesetzesanpassungen wären notwendig, hält das VBS fest.
Orientierungstag soll obligatorisch werden
Im Vorbild Norwegen werden Rekrutierte bei der Vergabe von staatlichen Stellen bevorzugt. Das sei in der Schweiz jedoch nicht umsetzbar, schreibt das VBS.
Welche der beiden Varianten in welcher Form umsetzbar ist, prüft das VBS zusammen mit dem Wirtschaftsdepartement bis Ende 2024.
Bereits klar ist: Obligatorisch für Frauen soll der Orientierungstag im Militär werden. Verteidigungsministerin Amherd kündigte bereits 2023 an, dies zu ändern. Gegenüber SRF sagte sie damals: «Wir werden den Orientierungstag für Frauen obligatorisch machen.» Die dafür notwendige Verfassungsänderung könnte sich jedoch noch einige Jahre hinziehen. Auch hier soll eine entsprechende Vorlage bis Ende 2024 vorliegen.