Milliardenfehler sorgt in Bern für UnruheAHV-Panne entlastet den Bund, könnte aber teuer werden
tafi / SDA
7.8.2024
Innenministerin Baume-Schneider leitet nach AHV-Rechenpanne Untersuchung ein
Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider hat nach der falschen Berechnung der AHV-Finanzperspektiven mit fehlerhaften Formeln die Eröffnung einer Administrativuntersuchung angeordnet. Diese soll klären, wie es zu diesem Fehler kommen konnte.
06.08.2024
Der AHV geht es besser als bisher angenommen: Der Bund hat sich bei den Ausgaben massiv verrechnet. Der Fehler sorgt bei Parteien und Verbänden für rote Köpfe und untergräbt das Vertrauen in die Politik.
tafi / SDA
07.08.2024, 00:00
07.08.2024, 06:24
Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat festgestellt, dass die AHV-Ausgaben langfristig unplausibel hoch angesetzt sind: Sie dürften 2033 signifikant tiefer ausfallen als bisher berechnet. Das Fiasko hat Folgen.
Im Abstimmungskampf über die Erhöhung des Frauenrentenalters im September 2022 und zur 13. AHV-Rente im März 2024 war die finanzielle Lage der AHV jeweils ein wichtiges Argument von Gegnern und Befürwortern: Der Rechenfehler untergräbt das Vertrauen des Volkes in die Politik.
Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider hat die AHV-Berechnungspanne beim Bundesamt für Sozialversicherungen als signifikant und gravierend bezeichnet.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) muss seine Berechnungen der Finanzperspektiven der AHV deutlich korrigieren. Die Ausgaben für die Alters- und Hinterlassenenversicherung dürften 2033 rund 4 Milliarden Franken oder rund 6 Prozent tiefer ausfallen als bisher angenommen. Bedeutet: Laut BSV-Direktor Stéphane Rossini geht es der AHV besser als bisher angenommen.
Für die Jahre 2024 und 2025 geht das BSV neu von einem positiven Umlageergebnis aus. Ab 2026 wird die AHV nach der Einführung der 13. AHV-Rente rote Zahlen schreiben. Die Defizite werden allerdings geringer ausfallen als bisher erwartet.
Für das Newsportal srf.ch schwindet nach dem AHV-Berechnungsfehler des Bundesamtes für Sozialversicherungen das Vertrauen der Stimmbevölkerung in die Politik. «Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich verrechnet. Übel verrechnet. (...) Dass während fünf Jahren mit falschen Formeln gerechnet wird und niemand den Fehler feststellt, ist schwerwiegend. Die Entscheide der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stützen sich auf Prognosen des Bundes. Wenn sich herausstellt, dass solche Voraussagen falsch sind, dann untergräbt dies das Vertrauen der Stimmbevölkerung in die Politik massiv.(...)»
Bundesrätin Baume-Schneider leitet Untersuchung ein
Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider bezeichnete die AHV-Berechnungspanne beim Bundesamt für Sozialversicherungen als signifikant und gravierend. Transparenz sei für sie sehr wichtig, sagte Baume-Schneider am Rande eines Anlasses in La Chaux-de-fonds NE.
Deshalb habe sie eine Administrativuntersuchung eingeleitet. Man wolle verstehen, wie es zu den Schwierigkeiten und Fehlern bei den Berechnungen gekommen sei. Die Jurassierin betonte die Notwendigkeit, das Vertrauen der Schweizerinnen und Schweizer in die Sozialversicherungen wieder herzustellen.
Linke Parteien hinterfragen Abstimmungsergebnisse
Die AHV-Rechenpanne hat eine Welle der Entrüstung bei Parteien und Gewerkschaften ausgelöst. Das linke Lager und Gewerkschaften hinterfragen angesichts der geänderten Faktenlage das knappe Volksvotum von 2022 zur Erhöhung des Frauenrentenalters.
Die Grünen prüfen gar eine Beschwerde gegen die Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund stellt das knappe Resultat bei dieser Abstimmung infrage. Die SP fordert die Bürgerlichen auf, jetzt die «Abbaupläne bei den Renten endlich zu stoppen».
Scharfe Kritik aus dem bürgerlichen Lager
Auch bei den Bürgerlichen herrschte Erstaunen. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi begrüsste die von Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider angekündigte Untersuchung, wie er auf Anfrage der Nachrichtenredaktion Keystone-SDA mitteilte.
Nun müsse geklärt werden, wer die Verantwortung trage. Es sei problematisch, wenn vor wichtigen Abstimmungen falsche Zahlen kommuniziert würden. Eine Wiederholung der Abstimmung über das Frauenrentenalter lehnte Aeschi aber ab.
Die FDP kritisierte die zuständige SP-Bundesrätin Baume-Schneider sowie den früheren SP-Bundesrat Alain Berset scharf. Das BSV habe unter deren Leitung ein Fiasko angerichtet. Die Partei verlangte eine Prüfung der Prognosen in anderen Bereichen der Sozialversicherungen wie der Invalidenversicherung und den Ergänzungsleistungen.
Kosten für die zusätzliche Altersrente bleiben gleich
An den Kosten der 13. AHV-Rente ändert sich laut dem BSV durch die Berechnungspanne kaum etwas. Ab 2026 werde aber der Finanzbedarf für die 13. AHV-Rente leicht geringer. Die Kosten der 13. Altersrente liegen nach den neuen Berechnungen 2026 bei rund 4,2 Milliarden Franken und 2030 bei knapp 5 Milliarden Franken pro Jahr. Der Bundesrat wird demnächst über das weitere Vorgehen zur 13. Altersrente entscheiden. Das BSV bereitet die entsprechende Botschaft und Vernehmlassung vor.
Laut Grünen zeigt der Fall, dass es gar keine Spezialfinanzierung für die 13.-AHV-Rente braucht. «Wir dürfen die geburtenschwachen Jahrgänge, also die Jungen, nicht einseitig belasten. Gleichzeitig dürfen wir der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft keinen Schaden zufügen», wurde die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler (BE) in einer Mitteilung zitiert.
Gewerkschaftsbund fordert 13. AHV-Rente schon ab 2025
Die vom Bund publizierten Abweichungen entsprächen fast einer 13. Monatsrente, schrieb der Gewerkschaftsbund. Er forderte, dass das mehr als bisher gedacht vorhandene Geld den Versicherten gutgeschrieben werden müsse. Die vom Volk beschlossene 13. AHV-Rente solle schon 2025 ausbezahlt werden.
Der Dachverband der Arbeitnehmenden in der Schweiz, Travailsuisse, forderte, die Finanzierung der 13. AHV-Rente und der Renten müsse an die neuen Prognosen angepasst werden. Heute sei klar geworden, dass der Bund mit einer Senkung des Bundesbeitrags aufgrund der angepassten Prognosen nicht nur budgetneutral unterwegs wäre, sondern im Gegenteil auf Kosten der AHV sparen würde.