Kampfpanzer gegen Putin Ist der Leopard wirklich ein Gamechanger für die Ukraine?

Oliver Kohlmaier

26.1.2023

Ein Panzer vom Typ Leopard 2, hier aus den Beständen der polnischen Armee.
Ein Panzer vom Typ Leopard 2, hier aus den Beständen der polnischen Armee.
Armin Weigel/dpa (Archivbild)

Nach elf Monaten sind Selenskyjs Rufe nach Leopard-Kampfpanzern erhört worden. Wie es jetzt weitergeht und warum aus Moskau widersprüchliche Signale kommen: Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Oliver Kohlmaier

Über 100 Kampfpanzer westlicher Bauart wird die Ukraine in den kommenden Monaten erhalten. Der Grossteil davon Leopard 2.

Sind die angekündigten Lieferungen ausreichend? Warum liefert Deutschland die Version 2A6? Und ist nun der Wendepunkt gekommen im Verteidigungskrieg gegen Russland? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Warum braucht die Ukraine so dringend Panzer?

Schon kurz nach dem russischen Angriff gegen sein Nachbarland bat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj um Kampfpanzer westlicher Bauart, insbesondere um den Leopard 2. Bekommen hat er sie elf Monate lang nicht. Vom ersten Kriegstag an hat die Ukraine die russischen Angreifer jedoch mit ihren militärischen Fähigkeiten überrascht. Der Vormarsch wurde gestoppt und teils auch zurückgedrängt.

Nun aber erwarten die ukrainische Armeeführung und praktisch alle Expert*innen einen baldigen russischen Grossangriff. Der frühere Nato-General Hans-Lothar Domröse sieht gar «eine fürchterlich blutige Frühjahrsoffensive» kommen. Russland lässt derzeit neue gepanzerte Kräfte aufmarschieren, bei dem die Ukraine unter Druck geraten und schwere Verluste erleiden könnte.

«Wir steuern auf eine Gemengelage zu, in der Kampfpanzer mit Blick auf die Verteidigung und Gegenoffensiven eine wichtige Rolle spielen», sagt Sicherheitsforscher Niklas Masuhr, Forscher am Center for Security Studies der ETH Zürich, der Deutschen Presse-Agentur. Russland habe seine Position verbessert, etwa durch die Errichtung von Verteidigungslinien.

Zudem sei die Nachrüstung der ukrainischen Panzer erschwert, weil Russland viele Fabriken und Fertigungsstrassen etwa für Panzermunition in der Ukraine zerstört habe. Die Nato-Staaten hätten ausserdem alte Reserven bereits zur Verfügung gestellt.

Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr.
Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr.
Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Auch die Rückeroberung der bislang von den russischen Streitkräften besetzten Gebiete dürfte gemäss Militärexpert*innen ohne Kampfpanzer in ausreichender Stückzahl kaum möglich sein.

Kommen die Panzer rechtzeitig?

Aus dem deutschen Verteidigungsministerium heisst es, bereits in wenigen Tagen werde mit der Ausbildung ukrainischer Truppen am Leopard 2 begonnen. Bis die Panzer in der Ukraine zum Einsatz kommen, wird es allerdings noch einige Zeit dauern.

Der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hat der Ukraine die Lieferung «Ende März» zugesagt. Auf die Frage, ob dies rechtzeitig sei, um die Ukraine vor einer erwarteten russischen Frühjahrsoffensive zu stärken, sagte Pistorius: Nach allem, was er wisse, sei dies «rechtzeitig».

Polen will indessen seine zugesagten 14 Leopard 2 bereits «in wenigen Wochen» an die Ukraine übergeben.

Pistorius: Lieferung von Leopard-Panzern «richtige und historische Entscheidung»

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Sind die angekündigten Panzer ausreichend?

Dem Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte zufolge braucht die ukrainische Armee rund 300 Kampfpanzer sowie 600 Schützenpanzer, um gegen die bald erwartete Offensive der russischen Streitkräfte bestehen zu können.

Das ist weit mehr als die bislang von Verbündeten zugesagten Stückzahlen. Auch Militärexpert*innen zufolge braucht die Ukraine eine weit grössere Menge gepanzerter Fahrzeuge, auch wenn die Schätzungen dazu auseinandergehen.

Gleichwohl dürfte es bei den nun zugesagten Stückzahlen kaum bleiben. Sicherheitsforscher Niklas Masuhr hält es gar für «wahrscheinlich sinnvoll», zunächst mit kleineren Stückzahlen zu beginnen. Denn die Panzer müssten ausgerüstet und die Ukrainer trainiert werden, was ein erheblicher Aufwand sei. Die Ukrainer müssen befähigt werden, mittelfristig selbst einen Teil der Ausbildung des Personals sicherzustellen, denn es wird nicht bei 14 Panzern bleiben, unabhängig davon, woher sie kommen, sagte er der «Tagesschau».

Kommt jetzt die Trendwende im Krieg?

Dass die ukrainische Armee dringend Kampfpanzer westlichen Typs benötigt, gilt unter Expert*innen als unstrittig. Ob sie dem angegriffenen Land auch den entscheidenden Vorteil verschaffen werden, ist indessen fraglich. Denn der Leopard 2 sei zwar gut, aber auch keine Wunderwaffe, so der Tenor.

Politisch hingegen kann man schon eher von einer Trendwende sprechen. Nicht umsonst wird die Entscheidung des deutschen Bundeskanzlers im Zusammenspiel mit der US-Ankündigung als «historisch» bezeichnet.

So stuft der renommierte Konfliktforscher Hein Goemans die Panzerlieferungen Deutschlands und der USA an die Ukraine als einen Wendepunkt des Krieges ein. «Mit dieser Entscheidung scheint der Westen den Rubikon überschritten zu haben», sagte der Professor für internationale Politik an der Universität Rochester im US-Staat New York der Deutschen Presse-Agentur. «Der Westen verfolgt nicht länger die Linie, dass die Ukraine nicht verlieren darf. Er verfolgt jetzt das Ziel, dass die Ukraine gewinnen muss.»

Warum liefert Deutschland den 2A6?

Dass Deutschland letztlich grünes Licht geben wird, hatte sich zuletzt angedeutet. Ob Scholz nun das bekommen hat, was er wollte, oder ob der Druck am Ende zu gross war, sei dahingestellt. Von einer Überraschung kann jedenfalls keine Rede sein.

Eine kleine Überraschung gab es aber doch noch: Deutschland liefert nicht wie gemeinhin erwartet eine ältere Variante des Leopard 2, sondern die hochmoderne Version 2A6. Fachleute hatten vermutet, dass eher die Variante 2A5 kommen würde.

Gegenüber dem Vorgängermodell erhielt der Leopard 2A6 zahlreiche Verbesserungen, insbesondere die drastisch erhöhte Feuerkraft durch eine verlängerte Glattrohrkanone. Dies könnte sich beim Eisatz in der Ukraine als vorteilhaft erweisen.

Denn Russland hat dort Panzer im Einsatz, die durch eine spezielle Panzerung sehr gut gegen Geschosse älterer westlicher Panzer geschützt sind. Die Glattrohrkanone im Leopard 2A6 war ursprünglich aufgrund dieser sogenannten Kontakt-5-Panzerung überarbeitet worden.

Warum standen Deutschland und der Leopard 2 im Fokus der Debatte?

Unter Militärexpert*innen gilt der Leopard 2 als einer der besten Kampfpanzer der Welt. Insbesondere die moderneren Versionen seien demnach den russischen Panzern überlegen.

Der grösste Vorteil des Leopard 2 liegt jedoch in seiner enormen Verbreitung. Laut Herstellerangaben wurden rund 3500 Stück in allen Varianten produziert. Insgesamt 19 Staaten haben ihn im Einsatz, davon allein 15 in Europa, was grosse logistische Vorzüge mit sich bringt — nicht nur bei Ersatzteilen, sondern auch beim Training der ukrainischen Streitkräfte.

Deutschland spielt bei der Kampfpanzer-Frage eine Schlüsselrolle, weil es nicht nur einer der grösste Betreiber des Gefährts ist, sondern als Herstellerland auch jegliche Weitergabe genehmigen muss.

Wer liefert sonst noch Kampfpanzer?

Bereits Mitte Januar brachte Grossbritannien mit der Ankündigung, der ukrainischen Armee 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zu liefern, einen Stein ins Rollen.

Im Vorfeld hatten mehrere Verbündete ihre Bereitschaft signalisiert, Leopard-Kampfpanzer zu liefern und die Pläne zum Teil bereits konkretisiert. Insgesamt 19 Staaten haben den Leopard 2 im Einsatz.

Polen hatte bereits zuvor angekündigt, ebenso 14 Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Norwegen will nach Deutschlands Entscheidung ebenfalls Leopard 2 zur Verfügung stellen. Wie viele der 36 Panzer des Landes geliefert würden, wollte Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram noch nicht sagen. Es gehe aber um Panzer vom Typ Leopard 2A4, erklärte er am Mittwochabend.

Auch Spanien hat sich zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern bereiterklärt. Man könne sie liefern und auch bei der Ausbildung der Ukrainer sowie bei der Wartung helfen, sagte Verteidigungsministerin Margarita Robles am Mittwoch. Zudem will Portugal «in den kommenden Tagen» über die Lieferung entscheiden.

Zudem hat Finnland angedeutet, einige Leopard-Panzer an die Ukraine liefern zu können. Nach Angaben des finnischen Verteidigungskommandos besitzt das Land rund 200 Leopard-2-Panzer. Auch die Niederlande erwägen Lieferungen an die Ukraine. Am Dienstag zeigte sich Ministerpräsident Mark Rutte offen dafür, 18 von Deutschland geleaste Leopard-2-Panzer der Ukraine zur Verfügung zu stellen.

Wenige Stunden nach der deutschen Zusage haben ausserdem die USA angekündigt, der Ukraine 31 Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams zu liefern. Frankreich schliesst eine Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leclerc in die Ukraine nicht aus.

Wie reagiert Russland?

Aus Moskau kommen indessen widersprüchliche Signale. Zum einen werde man die Leopards genauso zerstören wie die übrigen ukrainischen Panzer, tönt es selbstbewusst. Zum anderen gibt es die üblichen scharfzüngigen Drohungen aus Russland: «In Moskau betrachten wir dies als eine direkte Beteiligung am Konflikt», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag.

Im Grunde ändert der Kreml dabei seine Linie aber kaum. Der russischen Bevölkerung gegenüber zeigt sich Moskau siegesgewiss, die Bevölkerung soll glauben, dass die eigene Armee überlegen sei. Den Unterstützern der Ukraine indessen wird gedroht.

Konfliktforscher Goemans sagt indessen, von den Drohungen, die Russland jetzt ausstosse, dürfe man sich nicht beeindrucken lassen. «Russland kommuniziert immer über Drohungen. Es begann den Krieg mit Drohungen und hat nie damit aufgehört. Bisher waren es jedoch leere Drohungen – Bluff. Russland hat in der Vergangenheit zur Genüge bewiesen, dass ein Einknicken nur weitere Drohungen und noch mehr Forderungen nach sich zieht.» Das müsse man durchschauen. «Russland – mit anderen Worten Wladimir Putin – versteht nur eine Sprache: kollektives Handeln und Unterstützung der Ukraine. Verhandlungsangebote haben hingegen keinerlei Wirkung.»

Kommen jetzt auch Kampfjets?

Die Entscheidung über die Lieferung westlicher Kampfpanzer wurde in der Ukraine mit grosser Erleichterung aufgenommen. Dennoch gab es schon kurz nach Erscheinen der ersten Presseberichte erste Forderungen nach Kampfjets, namentlich von Vize-Aussenminister Andrij Melnyk.

Der deutsche Bundeskanzler machte jedoch bereits bei seiner Ankündigung im deutschen Bundestag klar, dass es keine Kampfjets geben werde. «Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier», sagte der Regierungschef während seiner Regierungserklärung.

Mit Material von dpa.