Hacker auf Abruf Eine israelische Firma manipuliert weltweit Menschen und Wahlen

phi

15.2.2023

Ein israelischer Geschäftsmann soll hinter der Firma stecken, die offenbar weltweit die Politik manipuliert.
Ein israelischer Geschäftsmann soll hinter der Firma stecken, die offenbar weltweit die Politik manipuliert.
Guardian

Investigative Journalisten decken auf, wie korrumpierbar Staaten sind: Eine Firma in Israel, die von Ex-Agenten betrieben wird, kann mit Hackern Politiker und Wahlen beeinflussen sowie Meinung machen.

phi

Eine Gruppe von 30 Journalisten aus 20 Ländern hat unter dem Namen «Forbidden Stories» eine Recherche veröffentlicht, die zeigt, wie verletzbar auch Demokratien durch professionelle Manipulationsversuche sind. In der Schweiz waren Tamedia-Zeitungen und RTS an den Ermittlungen beteiligt.

Diese haben ergeben, dass eine Firma in Israel seit mehr als 20 Jahren Dienste anbietet, die die Politik von Staaten beeinflussen. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 33 Wahlen und Abstimmungen manipuliert, von denen 27 im Sinne der Kundschaft verlaufen sein sollen. Zum Zeitpunkt der Recherche laufen angeblich 13 aktive Operationen.

Die Journalisten geben sich als Kunden aus, die die Wahl eines afrikanischen Politikers verhindern wollen. Die Firma, die von Ex-Agenten betrieben wird, ist auf digitale Kampagnen und «psychologische Kriegsführung» spezialisiert: Es gehe bei der Wahl um das Image der Kandidaten, die Mobilisierung der Wählenden und das jeweilige Wahlsystem. «Wir decken alle drei ab», heisst es.

«Das Narrativ ist sehr wichtig»

Die Israelis schlagen vor, Druck auf die EU zu machen, um eine Wahlverschiebung zu erreichen. «Mein Ansatz wird sein: Wenn in diesem Land etwas passiert, werden fünf Millionen Menschen anfangen, nach Norden zu laufen, nach Libyen, und dann auf Boote. Raten Sie mal, wo die dann hingehen.»

Wie die Firma arbeitet, wird anhand eines Beispiels aus Südamerika demonstriert, wo angeblich die Accounts des Stabschefs eines Präsidenten gehackt wurden. Es sei herausgekommen, dass der Mann ein uneheliches Kind habe. Das sei aber eher einem Kavaliersdelikt gleichgekommen.

Man habe deshalb erfunden, der Mann habe seine Geliebte bei einer zweiten Schwangerschaft zur Abtreibung gezwungen. «Jetzt wird er in Konflikt mit der katholischen Kirche geraten. Verstehen Sie?», erklärt der Firmeninhaber. «Das Narrativ ist sehr wichtig. Es muss einen Impact haben.»

«Ich kann hier alle seine Anrufe verfolgen»

Der Mann präsentiert seinen vermeintlichen Kunden, wie er im Juli 2022 mühelos in die Apps des kenianischen Energieministers Davis Chirchir eindringt: «Ich kann hier alle seine Anrufe verfolgen.» Sowohl der Zugriff auf Bilder und Daten ist möglich wie auch das Versenden von Botschaften oder E-Mails: Entweder die Firma findet Kompromittierendes oder fabriziert dergleichen selbst.

Der kenianische Energieminister Davis Chirchir.
Der kenianische Energieminister Davis Chirchir.
Dean Calma / IAEA

Zum Beweis wird etwas im Namen eines kenianischen Politikers an einen Geschäftsmann geschickt. Weil das Geschriebene anschliessend nur beim Absender gelöscht wird, können «Spiegel»-Journalisten später im Chat-Verlauf des Geschäftsmannes verifizieren, dass die Vorführung kein Bluff gewesen ist.

Ein anderes Beispiel der angeblichen Geschäftspraktiken kommt aus Asien, wo ein Minister die Reformen eines Präsidenten blockiert hat, der auf seine Wiederwahl hofft. Entlassen konnte der Präsident den Politiker aus der Partei seines Koalitionspartners aber nicht – und wendete sich deshalb an die Israelis.

Virale Kampagnen inklusive

Die haben den Minister gehackt und herausgefunden, dass der sich bald im warmen Süden zur Ruhe setzen wollte. Und sie fanden die E-Mail eines Schweizer Bankers, der sich für ein Essen in Singapur bedankte, ihm aber dennoch sagen müsse, dass der Mann kein Konto bei der Bank eröffnen könne.

Die Einflussnehmer sollen daraufhin die E-Mail abgeändert haben: Nun besagte die E-Mail, solange 50 Millionen Dollar eingezahlt würden, wäre die Kontoeröffnung okay. Ein Verstoss gegen Geldwäsche-Vorschriften: Mit dieser E-Mail hat der Präsident Druck auf den Minister ausgeübt, ihm den Botschafterposten in einem warmen Land angeboten und den Störenfried so aus dem Weg geräumt.

Die Firma ist offenbar auch in der Lage, Social Media zu beeinflussen. Als Test lassen die Journalisten die Israelis die Geschichte eines Vogels beeinflussen: Es geht um den Emu Emmanuel aus Florida, der im Sommer 2022 auf TikTok viral gegangen ist. Es gelingt dabei am 29. Juli, den Hashtag #rip_emmanuel «wie aus dem Nichts im Internet» zu verbreiten. Die Fans glauben wirklich, der Vogel sei tot.

Eine Armee von 30'000 Bots

Die Firma hat ihren Sitz den Reportern zufolge in der israelischen Stadt Modiin – diese liegt etwa auf halben Weg zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Das Team kontrolliere eine «Armee» von mehr als 30'000 Bots, berichtete der britische «Guardian». Dabei handele es sich um Profile in sozialen Medien, hinter denen keine echten Menschen stehen.

Diese seien extrem raffiniert gestaltet und gleichzeitig auf verschiedenen Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube vertreten. Das Team sei nach eigenen Angaben auch in der Lage, Telegram und Gmail zu hacken. Mithilfe von Schmutzkampagnen und gestohlenen Informationen werde so die öffentliche Meinung gezielt beeinflusst.

Für seine Dienstleistungen fordere Hanan zwischen 400'000 und 600'000 Dollar im Monat. Den Berichten zufolge wies der israelische Mann, der angeblich hinter der Firma stecken soll, jegliches Fehlverhalten zurück.

Mit Agenturmaterial.