Schützenhilfe aus den USA Wie die Ukraine Putins Armee ganz einfach austrickst

Von Andreas Fischer

2.5.2022

Die beste Kriegshilfe für die Ukraine kommt aus den USA: Die Geheimdienste teilen in Echtzeit alle relevanten Informationen. Die Russen bombardieren dann schon mal leere Äcker.

Von Andreas Fischer

Es ist eine massive und beispiellose Geheimdienstoperation mit einem Nicht-NATO-Partner: Dass die USA freizügig und in Echtzeit geheime Informationen mit der Ukraine teilen, spielt bisher eine entscheidende Rolle im Krieg. Die US-Geheimdienste gehören damit quasi zu den wichtigsten Verbündeten der Ukrainer.

Das russische Militär mag grösser und besser ausgerüstet sein, grosse Erfolge konnte Putins Armee bei der Invasion bislang nicht erzielen. Die Ukraine erweist sich als wehrhaft, clever und scheint den Angreifern oft einen Schritt voraus zu sein.

Über Details ihrer nachrichtendienstlichen Unterstützung verlieren weder die Biden-Regierung noch die Nachrichtendienste viele Worte. Ein Geheimnis aus ihren generellen Erkenntnissen machen sie aber schon seit Monaten nicht: Schon vor Kriegsbeginn warnten sie vor Putins bevorstehender Invasion der Ukraine und teilten sogar das ungefähre Datum – kurz nach den Olympischen Winterspielen in Peking – mit.

So helfen US-Geheimdienste der Ukraine konkret

«Wir haben viele Erkenntnisse für die gezielte Bekämpfung von russischen Streitkräften in Echtzeit ausgetauscht», bestätigte ein ehemaliger hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter gegenüber NBC News. Schon in den ersten Kriegstagen profitierte die Ukraine von der neuen Qualität bei der Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten der USA.

Russland versuchte Ende Februar vergeblich, den strategischen wichtigen Antonow-Flughafen nahe Kiew einzunehmen. Das Vorhaben scheiterte unter anderem, weil die Ukraine einen russischen Militärtransporter mit mehr als einhundert Soldaten an Bord abschiessen konnte.

Die Informationen über das Angriffsziel kamen aus der USA. Die verlorene Schlacht um den Flughafen in der Vorstadt Hostomel bedeutete für die Russen schlussendlich ein frühes Ende ihrer Pläne, Kiew einzunehmen.

Die Ukraine konnte den Antonow-Flughafen in Hostomel nahe Kiew auch dank Geheimdienst-Unterstützung aus den USA erfolgreich gegen die russische Angriffsarmee verteidigen.
Die Ukraine konnte den Antonow-Flughafen in Hostomel nahe Kiew auch dank Geheimdienst-Unterstützung aus den USA erfolgreich gegen die russische Angriffsarmee verteidigen.
Symbolbild: AP Photo/Efrem Lukatsky

Armee bombardiert leere Äcker

Dass die ukrainische Luftabwehr noch immer weitgehend intakt ist, liegt auch daran, dass die Russen immer wieder Munition verschwenden, um leere Ziele anzugreifen. CIA und Co. teilen mit den ukrainischen Streitkräften nämlich detaillierte Informationen über geplante Angriffsziele.

Dadurch war und ist die Ukraine in der Lage, Luftabwehrsysteme und Flugzeuge aus den Gefahrenzonen zu verlegen. Die Folge: Russische Raketen und Bomben pflügen buchstäblich leere Äcker um, auf denen kurz noch ukrainisches Militär stationiert war.

Was man auf Satellitenbildern alles erkennt

Die Satellitenaufklärung gehört zu wichtigsten Grundlagen moderner Nachrichtendienste. Leistungsfähigen Satelliten machen nicht nur hochaufgelöste Bilder, sondern erfassen auch komplexe elektronische oder physikalische Emissionen. Damit lassen sich etwa mutmassliche Kommandozentralen von Putins Armee leichter identifizieren.

Bei der Satellitenaufklärung stellen die US-Amerikaner auch kommerzielle Satellitenbilder rasch zur Verfügung. «Wir arbeiten mit über 100 Unternehmen zusammen, nutzen derzeit Bilder von mindestens 200 kommerziellen Satelliten und haben etwa 20 verschiedene Analysedienste zur Verfügung», bestätigte David Gauthier, Direktor des Geheimdienstes National Geospatial-Intelligence Agency (NGA), während einer Podiumsdiskussion.

Enttarnung russischer Spione

Seit Jahren hilft die CIA ukrainischen Nachrichtendiensten dabei, russische Spione zu enttarnen. Dies war wichtig, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern erst entstehen zu lassen.

Erst am Wochenende hätten die ukrainischen Sicherheitsbehörden nach eigener Darstellung einen Ring russischer Agenten ausgehoben. Einer der Spione habe sogar im ukrainischen Generalstab gearbeitet, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyjs Berater Olexij Arestowytsch in der Nacht zum Montag nach Angaben der Agentur Ukrinform.

Arestowytsch nannte jedoch eines ihrer angeblichen Ziele. «Diese Genossen sollten ein Passagierflugzeug über Russland oder Belarus abschiessen und anschliessend die Ukraine dafür verantwortlich machen», sagte er. Für diese Aktion sollten demnach Flugabwehrraketen aus ukrainischen Beständen eingesetzt werden.

Ausbildung von Ukrainern

In einem verdeckten Ausbildungsprogramm haben Spezialisten der CIA, jahrelang ukrainische Kämpfer geschult. Ihnen wurden Scharfschützentechniken beigebracht, wie man sich der digitalen Ortung entzieht, wie man verdeckte Kommunikationsmittel einsetzt und wie man im Kriegsgebiet unentdeckt bleibt und gleichzeitig russische und aufständische Truppen von ihren Stellungen abzieht.

Mehrere Attentate verhindert

Dass Russland dem ukrainischen Präsidenten nach dem Leben trachtet, ist kein Geheimnis. Wolodymyr Selenskyj entging bereits mehrfach Attentaten. In den ersten Kriegstagen sollte er von russischen Spezialkommandos getötet werden, im weiteren Verlauf des Krieges wurden nach ukrainischen Angaben mehrere Anschläge vereitelt.

Die US-Geheimdienste spielten dabei eine wichtige Rolle, indem sie praktisch in Echtzeit entscheidend Informationen bereitstellten. Die CIA berät sich mit den Ukrainern darüber, «wie man Selenskyj am besten verlegen kann, um sicherzustellen, dass er nicht mit seiner gesamten Befehlskette zusammen untergebracht ist», erklärt ein US-Beamter bei NBC News.

Solide Beziehung mit ungewöhnlichen Massnahmen

Russlands Annexion der Krim hat den Westen 2014 auf dem falschen Fuss erwischt: Niemand hat damit gerechnet, geschweige denn diesen Bruch des Völkerrechts kommen sehen. Daraufhin haben die USA ihre Geheimdienstoperationen in der Ukraine ausgebaut.

«In den letzten acht Jahren hat sich eine sehr solide Beziehung zwischen den US-Geheimdiensten und den Ukrainern entwickelt», sagte ein hoher US-Beamter gemäss NBC News. Die USA hätten der Ukraine zum Zeitpunkt des russischen Einmarsches vor zwei Monaten genug Vertrauen entgegengebracht, um Einzelheiten über die Aufstellung der russischen Truppen, die Angriffsrouten und Echtzeit-Zielinformationen zu liefern.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei der CIA-Chef William Burns, der gerne scherzt, Wladimir Putin wäre für seine grauen Haare verantwortlich. Der Vertraute von US-Präsident Joe Biden war von 2005 bis 2008 US-Botschafter in Moskau. In einem seltenen öffentlichen Auftritt sagte Burns kürzlich: «Wir haben uns während der Kämpfe und schon Monate vorher für einen schnellen und effektiven Informationsaustausch mit unseren ukrainischen Partnern eingesetzt.»

Dazu gehörte auch Joe Bidens ungewöhnliche Massnahme, die Freigabe von Geheimdienstinformationen zu genehmigen und diese zu veröffentlichen. Die USA wollten damit schon Anfang Jahr zeigen, wie real die Bedrohung durch eine russische Invasion ist. Zudem ging es darum, von Russland verbreiteten Falschmeldungen zu entlarven und die Verbündeten der USA und die internationale Gemeinschaft zu überzeugen, sich auf einen Krieg vorzubereiten.