Spottanrufe und MordvideosWie die Hamas Angst und Schrecken in Social Media verbreitet
twei
14.10.2023
Israel-Inhalte auf X: EU-Kommissar schreibt Brief an Musk
In einem Brief hat die EU-Kommission Elon Musk an seine Verpflichtung erinnert, illegale Inhalte im Zusammenhang mit den Angriffen der islamistischen Hamas auf Israel zu löschen.
14.10.2023
Längst nutzt die Hamas im Krieg in Israel auch Facebook, X und Co. als Schauplätze. Expert*innen befürchten Traumata für Angehörige, Nachahmereffekte – und üben harte Kritik an den Plattformen. Doch so leicht lässt sich die Schuldfrage nicht klären.
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14.10.2023, 17:06
twei
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Im Krieg gegen Israel hat die Hamas das Internet als weiteren Kriegsschauplatz auserkoren.
In Gewaltvideos stellt sie nicht nur ihre Opfer bloss und verhöhnen deren Familien, sondern etabliert auch ein Klima von Angst und Schrecken.
Laut Expert*innen lassen Plattformen wie Facebook und X bisher konsequentes Handeln vermissen. Doch die Lage ist kompliziert.
Wenn sogar Extremismusforscher*innen sprachlos sind, scheint eine neue Dimension der Gewalt erreicht. «In dieser Form gab es das meines Wissens nach noch nicht», sagt Julia Ebner vom Londoner Institute for Strategic Dialogue zum deutschen Nachrichtenmagazin «Spiegel»über den Terror, den die Hamas abseits des grausamen Überfalls auf Israel verbreiten: in den sozialen Medien.
Für Fassungslosigkeit in aller Welt sorgte unter anderem das Schicksal von Braha Levinson. Die neunfache Grossmutter gehört zu den unzähligen zivilen Opfer, die die Angriffe der Hamas auf Israel gefordert haben. Besonders schockierend: Hamas-Kämpfer filmten die sterbende Frau mit ihrem eigenen Handy und veröffentlichten das Video dann auf deren Facebook-Account.
«Um sieben Uhr morgens sah ich den Albtraum meines Lebens», schrieb Mor Bayder, eine von Levinsons Enkelinnen, nach der Gewalttat bei Facebook. «Ein Terrorist brach in ihr Haus ein, ermordete sie, nahm ihr Telefon, filmte den Horror und postete ihn auf ihrer Facebook-Pinnwand.» Im Interview mit CNN schilderte ein anderer von Levinsons Enkeln, Yoav Shimoni: «Die Szenen des Videos blitzen immer wieder in meinem Kopf auf.»
Hamas versenden Nachrichten an Angehörige der Opfer
Live gestreamte Terrorangriffe seien an sich nichts Neues, wie Extremismusforscherin Ebner weiss – ob beim Attentat in Christchurch 2019 oder bei rechtsextremen Milizen im Süden der USA. Dass Opfer mit dem eigenen Handy bei ihrem letzten Atemzug gefilmt und auf deren eigenen Social-Media-Profilen blossgestellt werden, bedeute laut Ebner aber «eine neue Dimension».
Ähnlich bestürzende Schlagzeilen erzeugte die Geschichte von Shani Louk. Von Hamas verbreitete Onlinevideos dokumentieren die Entführung und Misshandlung der 22-Jährigen und zeigen den leblos wirkenden, blutenden Körper der jungen Frau auf einer LKW-Ladefläche.
Auch Louks Freund Orión Hernández Radoux soll sich in Geiselhaft der Hamas befinden. Und das war noch nicht alles: Der britischen Boulevardzeitung «The Sun» zufolge versendeten Angehörige der Hamas über das Handy von Hernández Radoux herabwürdigende Nachrichten in arabischer Sprache an die Angehörigen der Opfer: etwa «Ich spucke auf euch» und «Gott verdamme euch».
Expertin befürchtet «gewaltigen Effekt»
Besonders perfide am Vorgehen der Hamas, die sich offenbar bewusst mit GoPros für noch drastischere Aufnahmen ausstattet: Die geschilderten Schicksale sind bei weitem keine Einzelfälle. Verhöhnungen und die Zurschaustellung ihrer Opfer scheinen fest einkalkuliert zu sein und zur Strategie zu gehören.
«Die Hamas nutzt das Netz, um die Wirkung ihres Terrors zu maximieren», erläutert Kommunikationswissenschaftlerin Anat Ben-David im Gespräch mit dem «Spiegel» – und schiebt anklagend hinterher: «Die meisten Techplattformen reagieren nicht adäquat darauf.» Noch scheint das Ende der Gewaltspirale in den sozialen Medien nicht absehbar. Sollten Videos von Hinrichtungen geteilt werden, wäre eine neue Eskalationsstufe erreicht.
Das könne «einen gewaltigen Effekt» auf psychologischer Ebene haben, befürchtet Julia Ebner. Trittbrettfahrer und Sympathisanten könnten die Clips als Motivation für ähnliche Aufnahmen verstehen. Für die Hamas entfalte der Social-Media-Krieg aber noch eine weitere Konsequenz. Laut Ebner würden neben den Opfern selbst auch «deren Familien und sogar die gesamte Öffentlichkeit damit terrorisiert».
X, Facebook und Co. reagieren laut Expertin zu langsam
Umso bedeutender erscheint die Rolle der Social-Media-Plattformen. Besonders gerne nutzen die Hamas Telegram und X (ehemals Twitter). Auf menschenverachtende Inhalte und Gewaltvideos ist man dort aber nur unzureichend vorbereitet, kritisiert Ebner gegenüber dem «Spiegel». Beim Sperren von Hamas-Inhalten seien die Plattformen noch viel zu langsam.
Damit allein ist es ohnehin nicht getan. Anders als bei Twitter oder Facebook agieren Nutzer von Messagerdiensten wie WhatsApp und Telegram im privaten Raum. Wie diese Netzwerke die Verbreitung extremistischer Inhalte fördern, darüber kann nur gemutmasst werden. «Bei Desinformation macht mir WhatsApp am meisten Sorgen», schlägt Anat Ben-David Alarm.
Und wie begegnen die vielfach kritisierten Tech-Unternehmen den Vorwürfen? Meta hat einem Statement zufolge einen Krisenstab eingerichtet, der alleine in den ersten drei Tagen bereits knapp 800'000 Inhalte gelöscht habe. Drohungen der Hamas, weitere Gewaltvideos zu teilen, nehme man bei Meta «sehr ernst».
Ähnlich sieht das Vorgehen bei X aus, wo zehntausende Beiträge gelöscht oder mit Warnhinweise versehen wurde. Darüber hinaus habe die Social-Media-Plattform hunderte Konten deaktiviert, die Hamas-Angehörigen zugeschrieben wurden.
Bei aller Kritik an den Tech-Riesen muss aber berücksichtigt werden, dass das Monitoring problematischer Inhalte äusserst schwierig ist. Das gilt speziell dann, wenn Gewaltvideos nicht von einschlägig bekannten Accounts, sondern von den Profilen der Opfer selbst in Umlauf gebracht werden. Noch herausfordernder sind Live-Streams. Dort bedarf es naturgemäss einer gewissen Reaktionszeit. Und selbst wenn Videos zügig entfernt werden, könnten bereits Kopien davon im Umlauf sein.
Israel: Überlebender berichtet vom Massaker auf Musikfestival
Das Supernova Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste wurde am Samstag von Hamas-Terroristen brutal überfallen. 260 Menschen starben. Ein Überlebender berichtet von seinen Eindrücken.
Noch spielt die Musik und die Teilnehmer ahnen nichts von dem, was als Nächstes folgen wird. Nämlich der Angriff der radikal-islamischen Palästinenser-Gruppe Hamas von Gaza aus auf israelisches Gebiet und auch auf dieses Festivalgelände. Ein Überlebender erzählt noch völlig traumatisiert: Sahar Ben Sela, Augenzeuge «Es war die Hölle auf Erden. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich habe an Kriegen teilgenommen, an zwei Kriegen in meinem Leben. Aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Leichen überall. Ein Gemetzel. Es war ihnen egal, ob du ein Mann oder eine Frau bist, ob du jung oder alt bist. Sie sind Killer, Mörder. Und was sie getan haben, kann niemals vergeben werden.» Nach Angaben des Rettungsdienstes Zaka wurden rund 260 Tote auf dem Festivalgelände in Israel gezählt. Sanitäter berichteten von unvorstellbaren Szenen vor Ort. Israelischen Medien zufolge sollen zahlreiche Frauen vergewaltigt worden sein, bevor sie getötet oder verschleppt wurden. Und noch immer suchen viele Familien nach dem durch die Hamas verübten Massaker verzweifelt nach ihren Angehörigen.