Raketen, Luftabwehr, Artillerie Wie der Westen Kiews Armee winterfest machen will

Von Philipp Dahm

14.10.2022

Ukrainische Armee sammelt russische Waffen ein

Ukrainische Armee sammelt russische Waffen ein

Bei ihrer Gegenoffensive an der Süd-Front erzielt die ukrainische Armee Geländegewinne. Nach dem Rückzug russischer Einheiten sammeln die Ukrainer zurückgelassene Militär-Ausrüstung ein.

13.10.2022

In Ramstein haben sich diverse Staaten auf weitere Militärhilfen für die Ukraine geeinigt. Der Schwerpunkt liegt auf der Luftabwehr, doch auch Winterkleidung oder der Nachschub an Munition sind wichtig.

Von Philipp Dahm

Vertreter aus fast 50 Nationen haben am 12. Oktober auf der US-Basis im deutschen Ramstein neue Militärhilfen für die Ukraine beschlossen. Ein Angelpunkt ist dabei die Luftabwehr: Der russische Angriff mit 83 Raketen am 10. Oktober hat klar aufgezeigt, dass entsprechendes Gerät zwar an der Front vorhanden ist, das Hinterland aber recht ungeschützt ist.

«Die ukrainische Luftabwehr zu stärken, ist das, was wir brauchen», freut sich der Verteidigungsminister Oleksij Resnikow in Kiew. «Für uns ist das historisch, denn die Entscheidung wurde getroffen, unseren Luftraum zu schliessen.»

Gemeint ist die Abgabe entsprechender Systeme: Die Lieferung von Nasams- und Iris-T-Systemen durch die USA und Deutschland stand schon vor dem Ramstein-Treffen fest. Ganz nebenbei haben einige westliche Staaten eingesehen, dass sie selbst schlecht vor Luftangriffen geschützt sind.

14-Nato-Mitglieder und Finnland gründen deshalb nun die European Sky Shield Initiative: In dem Programm soll die Luftverteidigung gebündelt und verbessert werden. Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland , Grossbritannien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, die Slowakei, Slowenien, Rumänien, Tschechien und Ungarn beteiligen sich.

Frankreich

Bisher hat Paris gezögert, die Ukraine mit Luftabwehr zu versorgen – mal abgesehen von der schultergestützten Flugabwehr-Rakete Mistral. Doch nun sei der Krieg «in eine neue Phase» mit Angriffen gegen «wesentliche Infrastruktur und Zivilisten getreten», begründet Emmanuel Macron im nationalen TV einen Kurswechsel.

Crotale der Luftwaffe bei der Parade anlässlich des französische Nationalfeiertag 2003 auf dem Champs Élysées.
Crotale der Luftwaffe bei der Parade anlässlich des französische Nationalfeiertag 2003 auf dem Champs Élysées.
Bild: Commons/David Monniaux

Deshalb werde Frankreich nun Radargeräte und Luftabwehr liefern, «um das Land vor Drohnen- und Raketenangriffen zu schützen». Der Präsident spezifizierte seine Angaben nicht, doch es gilt als wahrscheinlich, dass Kiew mit dem Luftabwehr-System Crotale ausgerüstet wird, das je nach Version Ziele in 11 bis 16 Kilometer Entfernung bekämpfen kann.

Neben der bereits zugesagten Lieferung von mindestens sechs weiteren Ceasar-Geschützen will Paris nun angeblich auch drei Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ LRU in die Ukraine schicken. Das ist eine verbesserte Version des MLRS-Raketenwerfers, den Deutschland und Grossbritannien Kiew zur Verfügung gestellt haben.

Deutschland

Berlin sagt Kiew eine «baldige Übergabe» weiterer Panzerhaubitzen 2000 und des Mehrfach-Raketenwerfers Mars II zu. Zudem sei bereits ein «Winterpaket» geschnürt worden, das Winterbekleidung, Verpflegung und Heizgeräte beinhaltet, so das Verteidigungsministerium.

Grossbritannien

Die Briten wollen die Ukraine mit Raketen für die acht Nasams-Einheiten versorgen, die die USA schicken. Ausserdem sollen 18 weitere Artillerie-Geschütze geliefert werden. Bisher wurden der Ukraine 36 105-Millimeter-Kanonen, 20 M-109 und 6 M270 MLRS übergeben.

Europäische Co-Produktion

Weil die Lagerbestände an Artillerie in Deutschland ziemlich leer sind und die Produktion offenbar erst wieder hochgefahren werden muss, kommt die Slowakei ins Spiel.

Eine slowakische Zuzana-2 im November 2021 auf einem Trainingsgelände im polnischen Bemowo Piskie.
Eine slowakische Zuzana-2 im November 2021 auf einem Trainingsgelände im polnischen Bemowo Piskie.
Jacob Bradford

Sie soll für 92 Millionen Euro 16 Radpanzer-Haubitzen vom Typ Zuzana-2 produzieren. Die Kosten für die 155-Millimeter-Kanone wollen sich drei europäische Länder teilen: Deutschland, Dänemark und Norwegen zahlen je ein Drittel, weiss «Reuters».

Kanada

Kanada schnürt ein Paket im Wert von umgerechnet 34 Millionen Franken. Die 400'000 Winter-Uniformen kommen für die Ukraine zur rechten Zeit. Dringend benötigt wird auch Munition, die im Format 155-Millimeter geliefert werden soll. Drohnen-Kameras und Gerät für die Satellitenkommunikation runden die Waffenhilfe ab.

Weitere Militärhilfen

Die Niederlande senden 200 schultergestützte Stinger-Flugabwehr-Raketen im Wert von 15 Millionen Euro in die Ukraine. Litauen hilft der Ukraine mit fünf M-113 mit 120-Millimeter-Mörsern, Estland und Bulgarien senden Winterkleidung.