Israel und Palästina Warum klappt es eigentlich nicht mit der Zwei-Staaten-Lösung?

Sara Lemel, dpa / tafi

21.11.2023

Ein Checkpoint an der Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland: Eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost scheitert seit Jahrzehnten am Widerstand sowohl aus Israel als auch aus Palästina.
Ein Checkpoint an der Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland: Eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost scheitert seit Jahrzehnten am Widerstand sowohl aus Israel als auch aus Palästina.
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Das Massaker der Hamas in Israel und der Gaza-Krieg zeigen, wie wichtig eine Befriedung des Nahen Osten wäre. Eine Möglichkeit: die Zwei-Staaten-Lösung. Doch die scheitert immer wieder. Warum eigentlich?

Sara Lemel, dpa / tafi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der brutale Terrorangriff der Hamas und der darauf folgende Krieg in Gaza zeigen, wie notwendig eine dauerhafte Friedenslösung in Nahost ist.
  • Eine naheliegende Möglichkeit zur friedlichen und unabhängigen Koexistenz von Israelis und Palästinensern ist die Zwei-Staaten-Lösung. Doch sie scheitert seit Jahrzehnten.
  • Hier erfährst du, was es mit der Zwei-Staaten-Lösung überhaupt auf sich hat und warum sie sich bislang nicht durchgesetzt hat.

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern hat in diesem Jahr schon mehr Opfer gefordert als je zuvor in seiner Jahrzehnte alten Geschichte. Israel beklagt das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust. Im darauf folgenden Gaza-Krieg wurden bisher nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde mehr als 12'300 Palästinenser getötet. Das sind mit Abstand mehr als in allen bisherigen Kriegen in dem Konflikt.

Angesichts dieses katastrophalen Ausbruchs der Gewalt und des unbeschreiblichen Leids wächst die Sehnsucht nach einer friedlichen Lösung des Konflikts. Ein Modell dafür wäre die Zwei-Staaten-Lösung. Doch was ist das eigentlich? Und warum hat es bisher nicht geklappt?

Was ist die Zwei-Staaten-Lösung?

Mit der Zwei-Staaten-Lösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel lebt. Soweit die Theorie: Doch warum herrscht in Nahost immer noch kein Frieden?

Es gab immer wieder intensive Bemühungen um eine friedliche Einigung zwischen Israel und den Palästinensern, vor allem von Seiten der USA. US-Präsidenten wie George W. Bush, Bill Clinton und Barack Obama, und selbst Donald Trump, investierten viel, scheiterten aber letztlich an einer dauerhaften Kompromissfindung. Störmanöver gab es immer wieder von beiden Seiten: aus Israel und aus Palästina.

Als hoffnungsfroheste Zeit der Friedensbemühungen galt die Unterzeichnung der Osloer Friedensabkommen 1993. Die gemeinsame Prinzipienerklärung führte zur Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Sie ist zuständig für die Versorgung der Bevölkerung in den von ihr verwalteten Gebieten. Diese Regelung war allerdings ursprünglich nur auf einen Zeitraum von fünf Jahren angelegt – langfristige Hoffnungen auf einen eigenen Staat für die Palästinenser blieben bis heute unerfüllt.

Was sind die grössten Hindernisse einer Zwei-Staaten-Lösung?

Letztlich scheiterten alle bisherigen Verhandlungen daran, dass beide Seiten sich nicht in den Knackpunkten des Konflikts einigen konnten: der künftige Grenzverlauf, die palästinensische Flüchtlingsfrage, der Status von Jerusalem, die Siedlungen sowie die Verteilung von Ressourcen, besonders Wasser.

Israel hat seit der Eroberung des Westjordanlands im Sechstagekrieg 1967 seine umstrittenen Siedlungen dort systematisch immer weiter ausgebaut. 1993 lebten rund 110'000 israelische Siedler im Westjordanland. Heute ist die Zahl auf etwa eine halbe Million gestiegen, einschliesslich Ost-Jerusalems sind es sogar 700'000.

Die Siedler leben inmitten von drei Millionen Palästinensern. Die Vereinten Nationen haben diese Siedlungen als grosses Hindernis für eine Friedensregelung eingestuft, weil sie kaum noch ein zusammenhängendes Territorium für die Palästinenser zulassen.

Gewalttätige Attacken von Siedlern auf Palästinenser haben sich während des nun sechswöchigen Gaza-Kriegs noch deutlich verschärft. Palästinenser klagen auch immer wieder über massive Einschränkungen ihres täglichen Lebens durch die seit 56 Jahren andauernde israelische Besatzung.

Frühgeborene Babys aus Gaza sicher in Ägypten eingetroffen

Frühgeborene Babys aus Gaza sicher in Ägypten eingetroffen

STORY: In Ägypten sind die ersten Frühgeborenen aus dem Gazastreifen eingetroffen. Sie waren zuvor im schwer umkämpften Al-Schifa-Krankenhaus behandelt und dann in Kliniken nahe der Grenze gebracht worden. Diese Bilder, herausgegeben von der Regierung in Kairo, zeigen Krankenwagen in der ägyptischen Grenzstadt Rafah. Einem ägyptischen TV-Sender zufolge sollen insgesamt zwei Dutzend Säuglinge zur medizinischen Behandlung über die Grenze gebracht werden. Diese beiden Mütter sind mit nach Ägypten gereist. «Es sind unschuldige Kinder, Frühgeborene, abgesehen von den Kleinkindern, drei Jahre alt oder fünf. Ich habe meine drei Kinder in Gaza gelassen. Ich hatte nicht mal die Gelegenheit, sie zu umarmen, denn ich konnte meine jüngste Tochter ja in dem Zustand nicht allein lassen. Ich habe mich nicht verabschiedet, ihnen könnte ja etwas zustossen.» «Wir haben unser Haus verlassen, weil es zerbombt wurde. Dann setzten die Wehen ein. Die Ärzte sagten mir, ich müsse entbinden, aber da ich erst im siebten Monat war, hatte ich Angst, dass das Baby sterben würde. Die Ärzte sagten mir, dass sowohl ich als auch das Baby sterben könnten, wenn ich jetzt nicht entbinde. Ich hatte einen Kaiserschnitt und verbrachte vier Tage auf der Intensivstation.» Mediziner hatten die Kinder aus der Klinik im Gazastreifen geholt, weil dort im Zuge des Kriegs zwischen der radikal-islamischen Hamas und Israel der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Unter anderem sollen wegen eines Mangels an Treibstoff die Notstromaggregat nicht mehr funktioniert haben. Wie die Weltgesundheitsorganisation am Montag mitteilte, wurden auch Frühgeborene aus dem Emarati-Krankenhaus im Süden des Gazastreifens in Richtung Ägypte gebracht. Dabei seien aber drei der Frühchen zurückgeblieben. 28 Säuglinge seien aber sicher in Ägypten angekommen, so die WHO. Die übrigen seien noch immer im Emarati-Krankenhaus und würden dort etwa wegen schwerer Infektionen behandelt.

21.11.2023

Was sagt die Hamas zur Zwei-Staaten-Lösung?

Die islamistische Terrororganisation Hamas hat seit Beginn des Friedensprozesses immer wieder darauf abgezielt, diesen mit blutigen Anschlägen auf Israelis zu torpedieren. Sie hat kein Interesse an einer friedlichen Koexistenz, sondern will vielmehr den Konflikt anheizen. Ihr Ziel ist die Einrichtung eines islamisch geprägten Staates auf dem Gebiet des gesamten historischen Palästina; den Staat Israel will die Hamas zerstören.

Vor dem Hintergrund einer Welle blutiger Anschläge der Hamas wurde der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu 1996 zum ersten Mal gewählt. Sein Amtsvorgänger Izchak Rabin war von einem jüdischen Fanatiker ermordet worden, der weitere Gebietskonzessionen an die Palästinenser verhindern wollte.

Netanjahu wird von Kritikern immer wieder vorgeworfen, er habe das Erstarken der Hamas im Gazastreifen geduldet oder sogar gefördert.

Wie steht Israel zur Zwei-Staaten-Lösung?

Viele rechtsorientierte Israelis halten einen palästinensischen Staat für ein untragbares Sicherheitsrisiko für Israel. Die «Jerusalem Post» berichtete 2019 unter Berufung auf eine Quelle in Netanjahus Likud-Partei, Netanjahu habe die Bewilligung des Transfers katarischer Millionengelder an die Hamas mit dieser Strategie gerechtfertigt.

Wer gegen einen palästinensischen Staat ist, sollte für den Geldtransfer sein, soll er demnach gesagt haben. Diese Gelder halfen der Hamas jedoch letztlich dabei, den Gazastreifen in eine waffenstrotzende Festung zu verwandeln.

Es sei Aufgabe Israels, «nach einem Sieg sicherzustellen, dass Gaza die Bürger Israels nie wieder bedrohen kann», sagte Netanjahu. Man werde keiner neuen Führung zustimmen, «die Terrorismus unterstützt, Terroristen und ihre Familien bezahlt, und ihre Kinder dazu erzieht, Juden zu ermorden und den Staat Israel auszulöschen.»

Ob Netanjahu sich angesichts des kolossalen Versagens am 7. Oktober nach dem Krieg als Regierungschef halten kann, ist allerdings ungewiss.