Erdgas nach ÖsterreichWarum der russische Lieferstopp eigentlich keiner ist
SDA
24.11.2024 - 00:00
Seit einer Woche liefert der russische Staatskonzern Gazprom der österreichischen OMV kein Erdgas mehr. Doch um einen tatsächlichen Lieferstopp handelt es sich nicht.
Keystone-SDA
24.11.2024, 00:00
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Russland lauthals einen Gaslieferstopp nach Österreich verkündet, der aber eigentlich gar keiner ist.
Denn es kommt bereits eine Woche später ähnlich viel russisches Gas an der österreichisch-slowakischen Grenze in Baumgarten an wie zuvor.
Geändert hat sich lediglich, wie das Gas verkauft wird. Ein echter Lieferstopp steht aber weiter im Raum, und zwar per 1. Januar 2025, wenn der Transitvertrag durch die Ukraine endet.
Es kommt weiter ähnlich viel russisches Gas an der österreichisch-slowakischen Grenze in Baumgarten an wie zuvor, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA schreibt. Geändert hat sich nur, wie das Gas verkauft wird. Ein echter Lieferstopp steht aber weiter im Raum, und zwar per 1. Januar 2025, wenn der Transitvertrag durch die Ukraine endet.
Bisher ging der Grossteil des nach Österreich strömenden russischen Gases im Rahmen eines seit 1968 bestehenden Vertrags an die OMV. Doch nachdem die OMV angekündigt hatte, Schadenersatz von der monatlichen Gasrechnung abzuziehen, stellte Gazprom mit 16. November die Lieferungen im Rahmen dieses Liefervertrages ein. Die Gazprom verkauft dieses Gas nun über die Börse oder an Zwischenhändler – von wo es wahrscheinlich bei der OMV landet, denn diese muss weiter ihre Lieferverpflichtungen erfüllen.
Dass die OMV von Gazprom kein Gas mehr erhält, sehen Beobachter als «Anfang vom Ende» des langjährigen Liefervertrags, der 2018 bis 2040 verlängert wurde. Die OMV selbst will sich zu dem Vertrag nicht äussern. Auf Fragen der APA dazu heisst es: «Zu unserer Rechtsstrategie und laufenden Gerichtsverfahren können wir keine Stellung nehmen.»
Es gilt jedoch als offenes Geheimnis, dass man den Vertrag mit Gazprom, der eine Abnahmeverpflichtung vorsieht, loswerden will. Die OMV will bis 2027 eigenes Gas aus ihrem Projekt Neptun Deep im Schwarzen Meer in Rumänien fördern. Zudem haben sich nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine alle EU-Staaten darauf verständigt, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen.
Als Ausstiegsmöglichkeit gilt das Auslaufen des ukrainischen Transitvertrags. Sollte es Gazprom nicht mehr möglich sein, Gas bis nach Baumgarten zu liefern, können die Russen den Liefervertrag mit der OMV nicht mehr erfüllen. Schon 2022 als die Gazprom weniger lieferte als von der OMV bestellt, gab es Stimmen, die von einem Vertragsbruch sprachen. Der Vertrag ist allerdings nicht öffentlich einsehbar. Dadurch ist von aussen auch nicht beurteilbar, ob auch die aktuelle Lieferunterbrechung einen Vertragsbruch darstellt.
Wolfgang Urbantschitsch, Chef des Strom- und Gasanbieters E-Control, sagte diese Woche, «das Schicksal des Vertrages liegt in den Händen der Vertragspartner». Und zur Frage, ob die OMV den Gazprom-Vertrag nun los ist, sagte E-Control-Experte Leo Lehr im Energieagentur-Podcast «Petajoule»: «Es sieht danach aus. Der Vertrag wird nicht mehr erfüllt.» Lehr verwies darauf, dass in Europa schon Vertragsverhältnisse auf diese Weise gelöst wurden. «Wie das korrekt juristisch zu lösen ist und wie lange dieser Vertrag quasi in diesem Nicht-erfüllt-Stadium sein muss, um wirklich gekündigt zu werden, damit werden sich wahrscheinlich noch in den nächsten Jahren Juristen beschäftigen», sagte Lehr.
Verzicht sei möglich
Österreich bezieht auch aktuell noch über 80 Prozent seines Gases aus Russland. Die OMV hat sich allerdings alternative Bezugsquellen und entsprechende Pipelinekapazitäten gesichert. Auch die E-Control betont, dass Österreich inzwischen komplett auf russisches Gas verzichten könne. Ersatz käme dann aus Norwegen sowie als Flüssigerdgas (LNG) via Deutschland und Italien nach Österreich.
Nicht nur Österreich ist nicht mehr von Russland abhängig. In der EU ist der Anteil von russischem Pipeline-Gas von rund 50 Prozent Anfang 2021 auf rund 10 Prozent 2024 gesunken. An Bedeutung gewannen Gas aus Norwegen, Algerien und anderen Ländern sowie LNG. Apropos LNG: Von dem auf knapp 40 Prozent gestiegenen LNG-Anteil entfallen 10 bis 15 Prozent erst wieder auf russisches LNG.
An den Gasbörsen ist die Nervosität zuletzt aber wieder etwas gestiegen. Am für Europa richtungsweisenden Handelspunkt TTF war der Gaspreis nach der Energiekrise 2022 bis auf 23 Euro pro Megawattstunde (MWh) Anfang 2024 zurückgegangen, seither aber wieder gestiegen. Allein im November stieg der Preis von 40 auf zuletzt knapp 49 Euro.