Prigoschin gegen Putin Vom Vertrauten zum Verräter

Von Vanessa Reiber und Ulf Mauder, dpa

24.6.2023

Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, bei einer Videoansprache.
Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, bei einer Videoansprache.
dpa

Der Machtkampf zwischen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem Chef der Söldnerarmee Wagner ist offen ausgebrochen. Jewgeni Prigoschin meutert gegen die russische Militärführung. Wer sind der Ex-Vertraute Putins und seine Söldner?

Von Vanessa Reiber und Ulf Mauder, dpa

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hat Kreml-Chef Wladimir Putin offen herausgefordert, als er mit seiner Söldner-Truppe gegen Moskau gezogen ist.
  • Der ehemalige Putin-Vertraute sass früher wegen Raub im Gefängnis und bietet heute skrupelloses Personal und Dienstleistungen.
  • Wagner-Kämpfer waren auch in Syrien, anderen arabischen Ländern sowie in Afrika und Lateinamerika im Einsatz.

Seit Monaten legt sich der Chef der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, wegen des Kriegsverlaufs in der Ukraine mit der Militärführung in Moskau an. Nun aber fordert der 62-Jährige auch Kremlchef Wladimir Putin offen heraus. Inzwischen geht es um viel mehr als um die richtige Taktik gegen Kiew.

Früher mied der langjährige Vertraute Putins die Öffentlichkeit. Doch zuletzt griff er besonders Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow immer wieder an. Er warf ihnen vor, die regulären Truppen nicht ordentlich zu führen. Oft beklagte er sich über mangelhafte Versorgung seiner Kämpfer mit Munition und militärischer Ausrüstung.

Was wir über den Aufstand der Söldnertruppe Wagner wissen

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Prigoschin und Putin kennen sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb ist der Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf auch unter dem Namen «Putins Koch» bekannt.

Skrupelloser Geschäftsmann mit krimineller Vergangenheit

Früher sass Prigoschin wegen Raubs in Haft, heute ist er Chef des Firmenimperiums «Concord» und soll sich mit seiner auf Desinformation spezialisierten Internet-Trollfabrik 2020 auch in die US-Präsidentenwahl eingemischt haben. Deshalb haben ihn die Vereinigten Staaten zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Die Wagner-Truppen gelten im Westen als «Terrororganisation», verantwortlich für Kriegsverbrechen in vielen Ländern.

Im September vergangenen Jahres – nach einem halben Jahr Krieg in der Ukraine – räumte Prigoschin erstmals öffentlich ein, die Söldnertruppe gegründet zu haben. Er habe die Einheit schon 2014 für den Einsatz auf russischer Seite im ukrainischen Donbass gebildet. Deren Mut und Tapferkeit sei die «Befreiung» vieler Gebiete in Luhansk und Donezk zu verdanken gewesen. Zuvor hatte Prigoschin seine Verbindung zu den Söldnern nie eindeutig bekannt. Auch Moskau bestritt die Existenz der Kampftruppe jahrelang vehement.

Eroberung Bachmuts grösster militärischer Erfolg

Als zweiter Gründer ist der ehemalige Geheimdienstler Dmitri Utkin bekannt, der offizielle Wagner-Kommandeur. Ihm wird eine Vorliebe für den deutschen Komponisten Richard Wagner nachgesagt – daher auch der Name der Truppe. Im Ukraine-Krieg spielt die Gruppe eine zentrale Rolle: Als Prigoschins grösster militärischer Erfolg gilt die blutige Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut. Die Gruppe soll auch an dem Massaker in Butscha beteiligt gewesen sein.

Wagner-Kämpfer waren auch in Syrien, anderen arabischen Ländern sowie in Afrika und Lateinamerika im Einsatz – und sind es auch heute noch. Dort liegt auch eine Geldquelle der Truppe: Wagner bietet skrupelloses Personal und Dienstleistungen. Dafür gibt es Geld und Rohstoffe wie etwa Gold. In Russland verdient Prigoschin Geld mit der Essensversorgung beim Militär, aber auch in Schulen und Kindergärten.

Die Wagner-Gruppe rekrutiert ihre Mitglieder unter Freiwilligen, im Ukraine-Krieg auch unter Häftlingen. Ihr Chef lockt Schwerverbrecher mit dem Versprechen, dass sie nach halbjährigem Kriegsdienst begnadigt werden. 32'000 Ex-Gefangene sollen so schon in Freiheit gekommen sein. Etwa 10'000 frühere Häftlinge wurden nach Prigoschins Angaben allerdings allein im Kampf um Bachmut getötet. Zudem drohen den Kämpfern bei Fluchtversuchen Hinrichtungen. Für internationales Entsetzen sorgte ein Video, das zeigen soll, wie ein abtrünniger Wagner-Kämpfer mit einem Vorschlaghammer getötet wird.