Regierungskrise in Italien Ministerpräsident Draghi tritt zurück

dpa/uri

21.7.2022

Regierung Draghi am Ende – Neuwahlen in Italien im Herbst

Regierung Draghi am Ende – Neuwahlen in Italien im Herbst

In Italien ist die Einheitsregierung von Mario Draghi am Ende: Nach der erneuten Abstimmungsniederlage im Senat reichte der Ministerpräsident bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt ein. Bis zu Neuwahlen im Herbst soll Draghi seine

21.07.2022

Mario Draghi schmeisst nach Unruhen in der Regierung und einem für ihn schief gelaufenen Votum hin – Staatspräsident Mattarella nimmt ein zweites Rücktrittsgesuch an. Neuwahlen werden nun wahrscheinlich.

dpa/uri

Italiens Staatschef Sergio Mattarella hat den Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi angenommen. Das teilte der Quirinalspalast am Donnerstag in Rom mit. Die Regierung bleibe für die Abwicklung der laufenden Geschäfte aber noch im Amt.

Zuvor reichte der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank wie schon vor einer Woche sein Rücktrittsgesuch erneut bei dem 80 Jahre alten Oberhaupt der Italienischen Republik ein. Mattarella kommt damit eine wichtige Rolle für die Zukunft des Landes mit seinen fast 60 Millionen Einwohnern zu. Als nächstes muss er entscheiden, ob er die Parlamentskammern auflöst und damit den Weg für eine vorgezogene Wahl ebnet oder ob er einen Experten oder Politiker sucht, um eine neue Regierungsmehrheit aus dem bestehenden Parlament zu formen.

Im Senat gab es eine herbe Klatsche für Draghi

Draghi wollte bereits am vergangenen Donnerstag zurücktreten, als er im Senat von der populistischen Regierungspartei Fünf-Sterne-Bewegung das Vertrauen im Zusammenhang mit der Abstimmung über ein Milliardenschweres Hilfspaket nicht ausgesprochen bekam. Mattarella lehnte das Angebot jedoch ab. Draghi sollte sich am Mittwoch stattdessen im Senat und am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer zur Regierungskrise erklären.

Mario Draghi am 21. Juli 2022 vor den Abgeordneten in Rom.
Mario Draghi am 21. Juli 2022 vor den Abgeordneten in Rom.
Bild: Keystone

Im Senat erhielt der parteilose Banker allerdings am Mittwochabend eine herbe Klatsche, als drei seiner Regierungsparteien bei einem Vertrauensvotum über seine Regierung nicht mit abstimmten. Er gewann zwar die Abstimmung mit 95 Ja- zu 38 Nein-Stimmen, bekam aber nicht die von ihm geforderte breite Zustimmung für einen neuen «Pakt des Vertrauens».

Italien rutscht damit immer weiter ins politische Chaos. Am Vormittag reagierten die Märkte auf die drohende politische Instabilität in der drittgrössten Volkswirtschaft der EU mit einer Abwärtsbewegung. Die Börse in Mailand stand zwischenzeitlich mit zwei Prozent im Minus. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen stieg deutlich an. Das hoch verschuldete Italien könnte damit zu einer Gefahr für die EU und den Euro werden, der unter Druck geraten könnte.

Gravierende Auswirkungen möglich

Mattarellas Entscheidung könnte für das Mittelmeerland gravierende Auswirkungen haben. Eine vorgezogene Wahl würde zunächst politischen Stillstand bedeuten und in Italien, aber auch in Europa, für Instabilität sorgen. Eigentlich müsste das Parlament weitere Reformen durchsetzen, um sich die Corona-Wiederaufbaugelder aus Brüssel in Milliardenhöhe zu sichern. Ausserdem muss der Haushalt für 2023 geplant werden, was in der italienischen Politik traditionell für viel Streit sorgt.

Die Wahl könnte ausserdem Umfragen zufolge die politische Landschaft massgeblich verändern. Derzeit liegt die rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni in der Wählergunst vorne. Gemeinsam mit der rechten Lega und der konservativen Forza Italia könnte der Mitte-Rechts-Block damit sehr viele Menschen und am Ende vielleicht sogar eine Parlamentsmehrheit hinter sich vereinen.

Mario Draghi am 21. Juli 2022 nach seiner Besprechung mit Staatspräsident Sergio Mattarella. 
Mario Draghi am 21. Juli 2022 nach seiner Besprechung mit Staatspräsident Sergio Mattarella. 
Bild: Keystone