EU-Sanktionen gegen RusslandUngarn verlangt für Öl-Embargo Millionen-Hilfe
Von Gabriela Beck
30.5.2022
Ungarn blockiert das geplante Erdöl-Embargo der EU-Staaten gegen Russland. Die Kommission hat nun einen Kompromiss vorgelegt, der dem Land noch mehr entgegenkommt. Aber Budapest reicht das nicht.
Von Gabriela Beck
30.05.2022, 15:02
30.05.2022, 15:16
Im Streit über die Pläne für ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland hat die EU-Kommission am Wochenende einen Kompromissvorschlag präsentiert. Ob dieser wirklich umgesetzt werden kann, war allerdings bis Montagmittag fraglich. Vorgespräche der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten brachten nach Angaben von Diplomaten bislang keinen Durchbruch.
Der Entwurf sieht vor, zunächst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl mit Sanktionen zu belegen. Über die riesige Druschba-Pipeline transportiertes Öl würde demnach bis auf Weiteres von dem Embargo ausgenommen werden.
Derzeit beziehen die EU-Länder russisches Öl zu zwei Dritteln über Schiffslieferungen und zu einem Drittel über die Druschba-Pipeline. Sie versorgt Raffinerien in Ungarn, der Slowakei und Tschechien sowie in Polen und Deutschland. Ungarn, das nach eigenen Angaben 65 Prozent seines Rohöls aus Russland erhält und dieses vollständig über die Druschba-Pipeline bezieht, könnte sich demnach weiterhin mit Öl aus Russland versorgen.
Ungarn besteht auf finanziellen Zusagen
Dennoch blockierte die Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán am Sonntag die Einigung auf den neuen Kompromissvorschlag, indem sie ihre Zustimmung von finanziellen Zusagen der EU abhängig machte. Ungarn hatte zuvor angedeutet, dass es das Paket unterstützen könnte, wenn es eine Ausnahmeregel für Importe durch die Druschba-Pipeline gebe. Doch noch ist weiterhin unklar, ob Ungarns Regierungschef Viktor Orban dem vorliegenden Kompromiss zustimmen wird. Das Problem: Die EU-Staaten sind auf das Placet Orbáns angewiesen, denn EU-Sanktionen erfordern den einstimmigen Beschluss aller Mitgliedsstaaten.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, wegen des Ukraine-Kriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten komplett zu beenden. Lediglich Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen. Budapest verlangte zuletzt eine vierjährige Übergangsfrist und 800 Millionen Euro Finanzhilfen, um seine Raffinerien anzupassen und eine Pipeline von Kroatien auszubauen.
Bei den nun von Ungarn geforderten Finanzzusagen geht es nach Angaben aus EU-Kreisen vor allem um Mittel, die das Land für den mittelfristigen Umbau seiner Öl-Infrastruktur will. So beziffert die Regierung in Budapest die Kosten für die notwendige Umstellung von Raffinerieanlagen auf nicht-russisches Öl auf bis zu 550 Millionen Euro. Zudem müssen den Angaben zufolge 200 Millionen Euro investiert werden, um das Land künftig über eine an der Adriaküste beginnende Pipeline zu versorgen.
Wettbewerbsverzerrungen durch Pipeline-Öl befürchtet
Inhaltliche Probleme mit dem Kompromissvorschlag haben nach Angaben von Diplomaten hingegen die Niederlande. Sie befürchten, dass es in der EU zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen kommen könnte, wenn einige Staaten weiter relativ günstiges Pipeline-Öl aus Russland beziehen. Relevant ist dies auch, weil der Hafen in Rotterdam bislang ein wichtiger Umschlagplatz für russisches Öl ist und dort durch das Embargo zunächst Geschäft wegbrechen könnte.
Unabhängig von einem Embargo haben Deutschland und Polen bereits klargestellt, dass sie bis Ende 2022 unabhängig von russischen Öllieferungen werden wollen. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen akzeptierten die ebenfalls über die Druschba-Pipeline versorgten Länder Slowakei und Tschechien eine zweieinhalbjährige Übergangszeit.
EU-Partner verlieren die Geduld mit Ungarn
EU-Beamte sprachen von «technischen» Schwierigkeiten in den Verhandlungen, nicht von politischen Differenzen zwischen Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und seinen EU-Partnern. Ein hochrangiger EU-Diplomat warnte jedoch, dass die Gemüter auf eine harte Probe gestellt würden. Es bestehe der Verdacht, dass die Unterhändler in ihren Bemühungen, Orban zu beschwichtigen, zu weit gingen. Geprüft werde nun die Möglichkeit, das gesamte Sanktionspaket zu verschieben, bis eine Lösung gefunden ist, um Ungarn mit alternativen Öllieferungen zu versorgen, hiess es aus EU-Kreisen weiter.
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach sich vor dem Hintergrund der Diskussionen gegen weitreichende Kompromisse zugunsten von Ungarn aus. «Ich bin es ehrlich gesagt leid, dass sich die gesamte EU bei den Sanktionsbeschlüssen immer nach dem Zögerlichsten richten muss», sagte der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion der Deutschen Presse-Agentur. Wenn der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin notwendige Geschlossenheit blockiere, müssten zwischenstaatliche Lösungen ohne Ungarn gesucht werden.
«Wenn es nicht anders geht, dann darf dieser Weg nicht ausgeschlossen sein», sagte Weber mit Blick auf die Option, das Öl-Embargo ohne den Einbezug Ungarns zu beschliessen. Orban müsse gezeigt werden, dass es nicht den Rest der EU in Geiselhaft nehmen könne.