Late Night USA «Sagt, die Wahl war korrupt, und überlasst den Rest mir»

Von Philipp Dahm

24.6.2022

«Warum konfisziert ihr nicht die Wahlmaschinen?»: Trump berät sich mit Rosen, Donoghue und Co.
«Warum konfisziert ihr nicht die Wahlmaschinen?»: Trump berät sich mit Rosen, Donoghue und Co.
YouTube/Late Show with Stephen Colbert

Jeffrey Rosen und Richard Donoghue waren im US-Justizministerium nur 13 Tage im Amt. Und dennoch haben die beiden Juristen in dieser kurzen Zeit Dinge erlebt, die die USA zur Bananenrepublik machen.

Von Philipp Dahm

24.6.2022

Donald Trump und seine Getreuen haben versucht, das Justizministerium in Washington für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, beginnt Stephen Colbert seine «Late Night»-Show und berichtet von der jüngsten Tagung des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar. Diese Sitzungen sind immer dann besonders schlecht für den Ex-Präsidenten, wenn es Anhänger seiner eigenen Partei sind, die gegen ihn aussagen.

So wie Adam Kinzinger: «Der Präsident kann und darf das Justizministerium nicht für seine eigenen, persönlichen Interessen nutzen» erklärt der Republikaner in der Anhörung das politische Grundkonzept der USA. «Der Präsident kann die Justiz nicht pervertieren.» «Ja«, nimmt Colbert die Steilvorlage auf. «Sogar wenn der Präsident technisch gesehen pervers ist.»

Im Mittelpunkt stehen dieses Mal aber Jeffrey Rosen und Richard Donoghue: Rosen übernahm das Justizministerium, nachdem William Barr am 23. Dezember 2020 den Bettel hingeworfen hatte. Donoghue wurde für die letzten Tage der Trump-Ära sein Stellvertreter. Es ist der Republikaner Kinzinger, der nun bei der Anhörung Rosen danach fragt, wie dessen erster Arbeitstag am 24. Dezember gewesen ist.

POTUS was screaming

Trump hat angerufen. «Er sprach über dieselben Dinge, über die er auch öffentlich gesprochen hat», sagt Rosen aus. Colbert tut verwirrt: «Also zu schwache Toiletten-Spülungen und Krebserkrankungen durch Windräder? Nein?»

Gestatten: Stephen Colbert, Dichter und inoffizieller Nebenankläger von Donald Trump.
Gestatten: Stephen Colbert, Dichter und inoffizieller Nebenankläger von Donald Trump.
YouTube/Late Show with Stephen Colbert
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Und weil das Ganze auch noch am Heiligabend passiert ist, gibt der Gastgeber ein Gedicht zum Besten: «It was the night before Christmas / And all through D.C. / POTUS was screaming / The Winner was me / The conspiracies hang / Like a stench in the air / As thin and as fake / As the presidents hair.»

In den weiteren zwölf Tagen nach Weihnachten bekommt das Justizministerium täglich Anrufe aus dem Weissen Haus, führt Jurist Kinzinger in der Anhörung aus. Rosen und Donoghue jedoch entgegnen stets, es gebe keine Beweise. Trumps Reaktion? «Sagt einfach, die Wahl war korrupt und überlasst den Rest mir und den republikanischen Abgeordneten.» 

Notizen des Stellvertretenden Justizministers Donoghue: «Sagt einfach, die Wahl war korrupt und überlasst den Rest mir und den republikanischen Abgeordneten.»
Notizen des Stellvertretenden Justizministers Donoghue: «Sagt einfach, die Wahl war korrupt und überlasst den Rest mir und den republikanischen Abgeordneten.»
YouTube/Late Show with Stephen Colbert

«Warum konfisziert ihr nicht die Wahlmaschinen?»

«[Das] ist der Kern des Verbrechens», meint Colbert: «Der Präsident weiss, dass es keine Beweise gibt. Er will, dass das Ministerium einfach lügt und sagt, es gebe Beweise für Verfälschungen, damit seine Spiessgesellen im Kongress eine faire Wahl anfechten können.»

Protagonisten der aktuellen Anhörung: Jeffrey Rosen (Mitte), Richard Donoghue und Adam Kinzinger (rechts daneben).
Protagonisten der aktuellen Anhörung: Jeffrey Rosen (Mitte), Richard Donoghue und Adam Kinzinger (rechts daneben).
YouTube/Late Show with Stephen Colbert

Trump haut damals offenbar derart viele Verschwörungstheorien raus, dass sich Donoghue Notizen machen muss, um mithalten zu können. Der New Yorker macht auch Vorschläge: «Der Präsident war ein bisschen aufgewühlter als beim [vorherigen] Meeting.» Er hat eine Reihe von Wahl-Themen angesprochen, erinnert sich Donoghue. «An einem Punkt sagte er etwas wie: ‹Warum konfisziert ihr nicht die Wahlmaschinen?›»

Das Justizministerium habe Trump beschieden, es könne keine Wahlmaschinen konfiszieren. «Und auch wenn es verrückt ist, das zu sagen», so Colbert, «das war nicht mal der verrückte Teil des Ganzen.» Wieso das? Weil Kinzinger auch noch aus einer E-Mail vorliest, die Trump Rosen und Co. geschickt hat.

Italien, MI6 und CIA

Kinzinger: «Die letzte Mail beinhaltet eine vollkommen haltlose Verschwörungstheorie, nach der eine italienische Sicherheitsfirma eine Software auf einen Satelliten geladen hat, der Stimmen von Trump zu Biden verändert hat.»

Italien, ein Satellit, der MI6 und der CIA machen gemeinsame Sache.
Italien, ein Satellit, der MI6 und der CIA machen gemeinsame Sache.
YouTube/Late Show with Stephen Colbert

Wie kommt man auf so eine Idee? Colbert erklärt, dass der republikanische Abgeordnete Scott Perry ein entsprechendes Video auf YouTube gefunden hat, das er wiederum Stabschef Mark Meadows schickte, der es ans Justizministerium weiterleitete – mit der Forderung, in der Sache zu ermitteln. In dem Clip wird der vermeintliche italienische Kopf der Aktion vorgestellt und behauptet, der Mann habe Hilfe von der CIA, vom britischen MI6 und dem Rüstungsbauer Leonardo gehabt.

«So einfach ist das», belustigt sich Colbert. Kinzinger ist da in seiner Analyse vernichtender: «Das ist eines der besten Beispiele der Wege, die Präsident Trump gehen wollte, um an der Macht zu bleiben – im Internet umherstreifen, um seine Verschwörungstheorie zu unterstützen.» Aus dieser Haltung heraus fällt ein denkwürdiger Satz, den Trump Donoghue an den Kopf wirft: «Ihr folgt dem Internet nicht so, wie ich es tue.» Colbert witzelt: «Auf dem Klo ohne safe search?»

«Nicht kompetent genug»

Weil der amtierende Justizminister Rosen nicht mitspielt, wendet sich Trump an Jeffrey Clark, der im Department für Umweltfragen zuständig ist. Denn Clark hat einen Brief an das Wahlkomitee von Georgia vorbereitet, in dem behauptet wird, das Justizministerium habe Beweise für Wahlbetrug – obwohl es keine gebe, erläutert Colbert.

John Clark alias «der High-School-Lehrer, der genug von deiner Rap-Musik hat», wie Colbert es ausdrückt.
John Clark alias «der High-School-Lehrer, der genug von deiner Rap-Musik hat», wie Colbert es ausdrückt.
YouTube/Late Show with Stephen Colbert

Dieser Brief ist Thema im Weissen Haus, bestätigt Trumps Berater Eric Hershmann. «Ich dachte, dieser Vorschlag sei verrückt», zuckt er mit den Schultern. Und was hat Rudy Giuliani davon abgehalten, Clark die Verantwortung zu übertragen? Der antwortet in der Anhörung: «Ich erinnere mich, dass ich gesagt habe, dass jemand die Verantwortung übernehmen soll, der keine Angst davor hat, was mit seinem Ruf passiert.»

Giuliani muss es ja wissen, feixt Colbert und fasst zusammen: Rosen wollte Clarks Brief nicht abschicken und Clark wollte Rosens Job, was in einem angespannten Meeting geendet hat. «Ich habe klargemacht, dass Jeff Clark nicht kompetent genug ist, um Justizminister zu sein», sagt Donoghue aus. «Er hat in seinem Leben noch nie eine Ermittlung durchgeführt.»

Donoghue will Clark dann gesagt haben: «Sie sind ein Umwelt-Anwalt: Gehen Sie doch in ihr Büro und wir rufen Sie, wenn es ein Ölleck gibt.» Die neuste Anhörung beweist wieder einmal, dass Washington wirklich wie «Dallas» ist.