Mitarbeiterin entlarvt Trump«Die Leute mit Waffen sind nicht hier, um mich zu verletzen»
Von Philipp Dahm
29.6.2022
Er wusste von Waffen am 6. Januar: Zeugin belastet Trump schwer
Der damalige US-Präsident Donald Trump soll sich nach Angaben einer ehemaligen Mitarbeiterin des Weissen Hauses vorab über mögliche Gewalt am 6. Januar 2021 bewusst gewesen sein. Trump habe zudem trotz Sicherheitsbedenken zum Kapitol gehen wollen.
29.06.2022
Eine spontane Anhörung, eine mutige Zeugin und ungeheuerliche Aussagen: Cassidy Hutchinson, Beraterin von Donald Trumps Stabschef, hat den Ex-Präsidenten schwer belastet und ein böses Bild von ihm gezeichnet.
Von Philipp Dahm
29.06.2022, 11:06
29.06.2022, 11:44
Philipp Dahm
Die sechste Anhörung des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar ist erst am Vortag anberaumt worden. Eigentlich hätte das Komitee erst in einigen Tagen wieder zusammentreten sollen, doch offenbar hat die Sorge um die Sicherheit der Zeugin dazu geführt, dass umterminiert wurde.
Dazu passt auch, dass die Vorsitzenden den Mut betonen, die Cassidy Hutchinson an den Tag legt – und der Saal sitzen bleiben muss, wenn die Capitol Police die Dame hinein- und hinausgeleitet.
Am Ende der Sitzung macht die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, die Republikanerin Liz Cheney, auch noch öffentlich, dass Zeugen eigens vom Trump-Lager kontaktiert und beeinflusst werden. So nach dem Motto: «[Trump] will, dass du weisst, dass er auf dich zählt.»
Cassidy Hutchinson war in den letzten Tagen der Trump-Ära hochrangige Beraterin von Mark Meadows, dem Stabschef des Ex-Präsidenten. In dieser Funktion war die 25-Jährige vor und nach dem 6. Januar 2021 nah am Geschehen – und sie hat viel zu sagen.
Etwa über den 2. Januar, als Rudy Giuliani Mark Meadows trifft. Hutchinson geleitet ihn am Abend zum Auto. Der New Yorker Anwalt fragt, ob die Beraterin schon aufgeregt wegen des 6. sei. «Wir werden zum Kapitol gehen. Es wird grossartig.»
«Es wird vielleicht ziemlich, ziemlich schlimm»
Als die junge Frau nachfragt, sagt der 78-Jährige: «Sprich mit dem Chief darüber.» Gemeint ist ihr Boss Mark Meadows, der bloss antwortet: «Es passiert eine Menge. Es wird vielleicht ziemlich, ziemlich schlimm.» Es sei das erste Mal gewesen, dass sich Hutchinson mit Blick auf das Datum «ängstlich und nervös» gefühlt habe.
Als dann jener 6. Januar kommt, will Trump in Washington seine Rede halten. Der abgesperrte Bereich ist aber nicht ganz voll – und der noch amtierende Präsident will keine Lücke, die sich schlecht auf Fotos macht. Seine Sicherheitsverantwortlichen sind für Trump die Schuldigen, denn sie benutzen Metall-Scanner wie jene bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen.
Gewalt in Washington: Trumps Mob stürmt das Kapitol
In Washington spielen sich am 6. Januar 2021 beispiellose Szenen ab. Nach einer Wutrede von Donald Trump, in der der Präsident seine Lüge von einem Wahlbetrug wiederholte, ziehen Hunderte seiner Anhänger vor das Kapitol.
Bild: Anadolu Agency/Getty Images
Und sie belassen es nicht beim Protest: Hier dringt der Mob durch eine Tür gewaltsam ins Innere des Kapitolgebäudes ein. (6. Januar 2021)
Bild: AFP/Getty Images
Auch Absperrungen und Sicherheitskräfte können die Meute nicht aufhalten. (6. Januar 2021)
Bild: AP Photo/John Minchillo
Beim Sturm aufs Kapitol kommt es zu tumultartigen Szenen. Ein Mitglied des Kongresses wird hier in Sicherheit gebracht. (6. Januar 2021)
Bild: Getty Images
Politiker und Angestellte des Parlaments suchen Schutz vor den aufgebrachten Angreifern. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Andrew Harnik
Abgeordnete werden von Sicherheitskräften auf der Tribüne des Repräsentantenhauses in Sicherheit gebracht. Einige tragen Gasmasken, da auch Reizgas eingesetzt wird. (6. Januar 2021)
Bild: Andrew Harnik/AP/dpa
Ein Polizist des United States Capitol Police Department versucht einen durch ein eingeworfenes Fenster eindringenden Mann mit Pfefferspray zurückzudrängen. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Kevin Dietsch/Pool
Mitglieder der Capitol Police bewachen mit gezogener Waffe einen verbarrikadierten Eingang. (6. Januar 2021)
Bild: Andrew Harnik/AP
Die Anhänger des abgewählten Präsidenten posieren nach ihrem gewaltsamen Eindringen neben der Tür zu den Senatskammern. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Das Bild geht um die Welt: Ein Randalierer macht sich im Büro von Nancy Pelosi, der demokratischen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, breit. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Dieser Mann führt die in den USA schon lange umstrittene Südstaatenflagge mit sich. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Die Flagge gilt bis heute als Symbol für Sklaverei und Rassismus. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Ein Jahr später ist die Aufarbeitung der Vorgänge noch immer im Gange. Im Repräsentantenhaus, der grossen Parlamentskammer, ermittelt eine Untersuchungskommission. (14. Dezember 2021)
Bild: Keystone
Im Zentrum steht die Frage: Wie eng waren der damalige US-Präsident Donald Trump und sein Umfeld in die Planung und Durchführung des Sturms involviert?
Bild: Evan Vucci/AP/dpa
Trumps Stabschef Mark Meadows (rechts) kam wohl eine Schlüsselrolle zu: So schrieb ihm unter anderem der Präsidentensohn Donald Trump Jr., sein Vater müsse der Gewalt Einhalt gebieten. (2. Oktober 2021)
Bild: EPA/Oliver Contreras / POOL
Derweil wird vielen der Eindringlinge der Prozess gemacht. Der dank seines Schamanen-Looks bekannt gewordene Jacob Chansley beispielsweise wurde zu 41 Monaten Haft verurteilt. (6. Januar 2021)
Bild: AP Photo/Manuel Balce Ceneta
Gewalt in Washington: Trumps Mob stürmt das Kapitol
In Washington spielen sich am 6. Januar 2021 beispiellose Szenen ab. Nach einer Wutrede von Donald Trump, in der der Präsident seine Lüge von einem Wahlbetrug wiederholte, ziehen Hunderte seiner Anhänger vor das Kapitol.
Bild: Anadolu Agency/Getty Images
Und sie belassen es nicht beim Protest: Hier dringt der Mob durch eine Tür gewaltsam ins Innere des Kapitolgebäudes ein. (6. Januar 2021)
Bild: AFP/Getty Images
Auch Absperrungen und Sicherheitskräfte können die Meute nicht aufhalten. (6. Januar 2021)
Bild: AP Photo/John Minchillo
Beim Sturm aufs Kapitol kommt es zu tumultartigen Szenen. Ein Mitglied des Kongresses wird hier in Sicherheit gebracht. (6. Januar 2021)
Bild: Getty Images
Politiker und Angestellte des Parlaments suchen Schutz vor den aufgebrachten Angreifern. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Andrew Harnik
Abgeordnete werden von Sicherheitskräften auf der Tribüne des Repräsentantenhauses in Sicherheit gebracht. Einige tragen Gasmasken, da auch Reizgas eingesetzt wird. (6. Januar 2021)
Bild: Andrew Harnik/AP/dpa
Ein Polizist des United States Capitol Police Department versucht einen durch ein eingeworfenes Fenster eindringenden Mann mit Pfefferspray zurückzudrängen. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Kevin Dietsch/Pool
Mitglieder der Capitol Police bewachen mit gezogener Waffe einen verbarrikadierten Eingang. (6. Januar 2021)
Bild: Andrew Harnik/AP
Die Anhänger des abgewählten Präsidenten posieren nach ihrem gewaltsamen Eindringen neben der Tür zu den Senatskammern. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Das Bild geht um die Welt: Ein Randalierer macht sich im Büro von Nancy Pelosi, der demokratischen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, breit. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Dieser Mann führt die in den USA schon lange umstrittene Südstaatenflagge mit sich. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Die Flagge gilt bis heute als Symbol für Sklaverei und Rassismus. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Ein Jahr später ist die Aufarbeitung der Vorgänge noch immer im Gange. Im Repräsentantenhaus, der grossen Parlamentskammer, ermittelt eine Untersuchungskommission. (14. Dezember 2021)
Bild: Keystone
Im Zentrum steht die Frage: Wie eng waren der damalige US-Präsident Donald Trump und sein Umfeld in die Planung und Durchführung des Sturms involviert?
Bild: Evan Vucci/AP/dpa
Trumps Stabschef Mark Meadows (rechts) kam wohl eine Schlüsselrolle zu: So schrieb ihm unter anderem der Präsidentensohn Donald Trump Jr., sein Vater müsse der Gewalt Einhalt gebieten. (2. Oktober 2021)
Bild: EPA/Oliver Contreras / POOL
Derweil wird vielen der Eindringlinge der Prozess gemacht. Der dank seines Schamanen-Looks bekannt gewordene Jacob Chansley beispielsweise wurde zu 41 Monaten Haft verurteilt. (6. Januar 2021)
Bild: AP Photo/Manuel Balce Ceneta
«Die Leute mit Waffen sind nicht hier, um mich zu verletzen», fährt Trump seinen Stab an. «Nehmt die fucking [Scanner] weg! Sie werden direkt zum Kapitol marschieren.» Doch dem kann der Secret Service nicht zustimmen. Ohnehin wird der Dienst immer nervöser, weil die Agenten immer wieder Leute mit Waffen erspähen – darunter auch welche mit AR-15 Sturmgewehren.
Meadows merkwürdige Reaktionen
Noch während der Rede warnt der Secret Service davor, dass die Capitol Police überrannt werden dürfte. Hutchinson will Meadows informieren, der in einer Limousine telefoniert, doch der Stabschef lässt sie nicht zu Wort kommen – und knallt die Tür zu. Die Szene wiederholt sich so noch einmal, bis Hutchinson rund 20 Minuten später ihrem Boss sagen kann, was los ist.
Seine Reaktion? «Es gab so gut wie keine», sagt die Zeugin aus. «Er fragte: Wie lange dauert die Rede des Präsidenten noch?» Ganz anders dagegen Pat Cipollone, ein Rechtsberater Trumps. Er bittet Hutchinson, den Marsch zu verhindern – und führt legale Bedenken an. Stichworte: «Behinderung der Justiz» und «Anstiften von Aufruhr».
Trump spricht derweil in seiner Rede davon, mit dem Mob zum Kapitol zu marschieren. Was passiert, als er in seine präsidiale Limousine steigt, erzählt später der stellvertretende Stabschef Tony Ornato Hutchinson: «Als der Präsident in das Beast gestiegen ist, dachte er, das OTR sei immer noch möglich», erzählt die junge Frau. OTR steht für off the record movement, also relativ ungeplante Bewegung des Präsidenten.
Trump greift ins Steuer seiner Limousine
Als ihm der Secret Service eröffnet, er könne nicht zum Kapitol, kam eine «sehr starke, sehr wütende Antwort»: «Ich bin der fucking Präsident! Bringt mich sofort zum Kapitol.» Als Trumps Sicherheitschef das ablehnt, schnellt der New Yorker nach vorn und greift ins Steuer. Er will sich auf seinen Sicherheitsboss Bobby Engel stürzen.
Engel ist anwesend, als Ornato Hutchinson alles erzählt. Er widerspricht der Darstellung nicht. Trump dagegen ist frustriert: Er gibt Meadows die Schuld, dass alles schiefgegangen ist.
Es ist nicht das einzige Mal, dass Trump ausrastet. So hört Hutchinson Radau aus dem Esszimmer des Weissen Hauses, als der Justizminister William Barr in einem Interview öffentlich bekundet, es gebe keine Hinweise für Wahlbetrug.
«Trump hat sein Essen an die Wand geworfen»
«Trump hat sein Essen an die Wand geworfen», berichtet die junge Frau. Am Boden lag zerstörtes Porzellan. Das Ketchup sei von der Wand getropft, während der Hausdienst mit dem Aufräumen begonnen habe. «Es ist mehrmals vorgekommen, dass er mit Geschirr geworfen oder den Tisch umgeworfen hat», weiss Hutchinson.
Ihr Boss Mark Meadows wirkt auf sie am 6. Januar recht apathisch, während im Fernsehen die Bilder des Aufstands laufen. Als Hutchinson und andere ihn auffordern, etwas zu unternehmen, sagt der Stabschef mit Blick auf Trump: «Er will nichts davon wissen.»
Später bekommt die Beraterin mit, wie ihr Boss auf die «Hängt Mike Pence»-Rufe angesprochen wird. Meadows antwortet: «Du hast ihn gehört. [Trump] glaubt, [Pence] hat es verdient. Er denkt nicht, dass die Leute etwas falsch machen.» Im Gegenteil: Trump legt am 6. Januar sogar noch einen aggressiven Tweet gegen seinen Vize nach.
«Als eine Amerikanerin war ich angewidert»
Diese Reaktion habe Hutchinson als Beraterin «frustriert und enttäuscht». Menschlich sei sie aber immer noch mitgenommen von den Geschehnissen: «Als eine Amerikanerin war ich angewidert», macht sie deutlich. Trumps Tweet lässt seine Berater Matt Pottinger und Elaine Chao umgehend kündigen.
Anschliessend bilden sich im Weissen Haus drei Lager, erklärt die Zeugin. Die Radikalen raten dazu, der Antifa oder einer anderen Minorität die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Neutralen wollen die Füsse still halten, während die Gemässigten den Präsidenten auffordern, einzugreifen und den Mob mit einer klaren Rede zur Räson zu bringen.
Zu den Gemässigten zählen sein Anwalt Eric Herschmann, aber auch Trumps Tochter Ivanka und Jared Kushner. Sie sind es auch, die den Druck auf den Präsidenten steigern, indem sie den 25. Verfassungszusatz ins Spiel bringen.
Der regelt die Absetzung eines Präsidenten, wenn der unfähig ist, sein Amt auszuführen. Etwa durch Krankheit – oder Unvermögen. Es sind diese Stimmen, die vor diesem Hintergrund den Mann im Weissen Haus endlich zu einer Videoansprache bewegen. Trump sagt: «Geht nach Hause. Wir lieben euch. Ihr seid etwas Besonderes. Ich weiss, wie ihr euch fühlt.»