Harris ernennt heute ihren Vize Trumps bislang grösster Fehler? JD Vance

Von Philipp Dahm

5.8.2024

Trump beschimpft Harris als «dumm»

Trump beschimpft Harris als «dumm»

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump beschimpft seine demokratische Kontrahentin Kamala Harris als «dumm». Der frühere US-Präsident behauptet bei einem Wahlkampfauftritt in Atlanta im Bundesstaat Georgia: «Sie hat einen wirklich niedrigen IQ.»

05.08.2024

Bei der Trump-Kampagne läuten die Alarmglocken: In nur drei Wochen hat sich der politische Wind um 180 Grad gedreht. Spätestens mit Kamala Harris' Kandidatur wird klar, dass die Wahl von «JD» Vance die falsche war.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Vor drei Wochen sah die politische Welt für Donald Trump noch komplett anders aus.
  • Damals hat Trump «JD» Vance als designierten Vize bestimmt, während Kamala Harris heute ihren running mate festlegt.
  • Die running mates sprechen bestimmte Wählergruppen an.
  • Das hat sich geändert, seit Joe Biden den Stab an Harris weitergereicht hat.
  • Das ist der einzige messbare Effekt der running mates im Kleinen, der im Grossen dennoch eine enorme Auswirkung haben kann.
  • Wer warum Harris' Favorit für die Rolle des Vize ist.

Es ist heute auf den Tag genau drei Wochen her. Donald Trump ist im Höhenflug, nachdem sich erst US-Präsident Joe Biden im TV-Duell einigermassen blamiert hat und Trump dann auch noch ein Attentat überlebt, was in einem ikonischen Foto mündet.

Der New Yorker wähnt sich auf der Siegesstrasse, wie auch die Umfragen zu bestätigen scheinen. Wen wählt der 78-Jährige nun als designierten Vize? Vielleicht seine einstige parteiinterne Widersacherin Nikki Haley aus South Carolina, um die weibliche Wählerschaft anzusprechen, die Trump bisher nicht gerade gewogen ist?

Leider nein: South Carolinas Ex-Gouverneurin Nikki Haley und Floridas Senator Marco Rubio.
Leider nein: South Carolinas Ex-Gouverneurin Nikki Haley und Floridas Senator Marco Rubio.
Bild: Keystone

Oder den schwarzen Senator Tim Scott? Den hat Nikki Haley in South Carolina grossgemacht, bevor er sich dann bei der Kandidaten-Kür der Republikaner öffentlich für Trump ausgesprochen hat – mit einer Begründung, die kleben bleibt. Oder Marco Rubio aus Florida, mit dem die grosse spanischsprachige Wählerschaft gewonnen werden könnte?

Vor genau drei Wochen ist sich Trump seines Sieges offenbar sicher. Am Montag, dem 15. Juli, teilt er auf seiner Plattform Truth Social mit, er habe sich für Marines-Veteran James David «JD» Vance aus Ohio entschieden, den 40 Jahre alten Investor und Autor des bei Konservativen beliebten Buches «Hillbilly Elegy».

Trump und Vance: Doppel-MAGA-Trumpf

Drei Wochen später ist die politische Landschaft in Washington eine völlig andere. Es wird erwartet, dass am heutigen 5. August die Gegenseite bekannt gibt, wer ihr running mate ist. Nur wählt nicht Joe Biden einen potenziellen Stellvertreter, sondern seine einstige Vizin: Donald Trump muss gegen Kamala Harris antreten.

Seine Kampagne stellt das vor verschiedene Probleme, doch das vielleicht grösste ist die Wahl seines Vize. Ohne Not hat Donald Trump sich für einen Mann entschieden, der einzig in jenem Lager punktet, in dem sein Boss ohnehin unschlagbar ist: der MAGA-Gemeinde. Bei denen kommt der junge, weisse stramm Konservative – relativ – gut an.

Abseits dieser polarisierten Gruppe stösst James David Vance dagegen viele ab. Seine strengen Ansichten zur Abtreibung sind nicht nur bei der weiblichen Wählerschaft ebenso ein Thema wie seine Darstellung von Frauen ohne Nachwuchs als «kinderlose Katzen-Ladys». Umfragen zeigen, dass Vance beim Volk bisher so gar nicht ankommt.

Gegen Biden konnte Trump es sich noch erlauben

Nun ist ein Vize bei der US-Präsidentschaftswahl nicht ausschlaggebend – sagt sogar Vance selbst. «Auch wenn es mein Ego trifft, ist meine Haltung, dass es unwichtig ist», räumt der in einem Interview ein. «Die Leute werden vor allem für Donald Trump und Kamala Harris abstimmen. So gehen solche Dinge.»

Flsche Wahl? «JD» Vance (rechts) mit Donald Trump (mit Ohr-Pflaster) am 19. Juli in Milwaukee, Wisconsin.
Flsche Wahl? «JD» Vance (rechts) mit Donald Trump (mit Ohr-Pflaster) am 19. Juli in Milwaukee, Wisconsin.
Bild: IMAGO/ZUMA Press Wire

Doch ganz so einfach ist es nicht. Vor drei Wochen konnte Trump es sich noch leisten, Vance ins Boot zu holen – weil es gegen Joe Biden ging. Seine Partei hat bei der schwarzen Bevölkerung, den Hispanics und den Jungen erstaunlich gute Umfragewerte, was eben auch an dem alten weisse Mann im Weissen Haus liegt.

Doch nun sehen sich die Republikaner einer farbigen Kandidatin mit asiatischen Wurzeln gegenüber, die Trumps Standing bei den oben genannten Wählergruppen tüchtig ins Wanken bringen dürfte. Das liegt nicht zuletzt an Trump selbst, der sich gerade vor schwarzen Journalisten mit rassistischen Äusserungen über Harris in die Nesseln setzte.

Der einzige konkret messbare Effekt der running mates

Gleichzeitig hebt sich Harris in ihrer Art schon jetzt derart von ihrem Noch-Chef Biden ab, dass sich auch für unabhängige Wählende und die bis dato relativ zahlreichen double haters, die weder für den Amtsinhaber noch für Trump stimmen mochten, neue Möglichkeiten ergeben. Die Gegenseite hat mit ihrem Doppel-MAGA-Trumpf hier keinen Stich.

«Ist sie Schwarze, oder ist sie Inderin?» – fragt Trump zu Kamala Harris

«Ist sie Schwarze, oder ist sie Inderin?» – fragt Trump zu Kamala Harris

«Also ich weiss nicht, ist sie Inderin oder ist sie schwarz?» Diese Frage stellte Donald Trump auf einer Tagung schwarzer Journalisten, und bezog sich damit auf Vizepräsidentin Kamala Harris. «Ich wusste nicht, dass sie schwarz ist, bis sie vor ein paar Jahren dann zur Schwarzen wurde, und jetzt will sie als Schwarze gesehen werden.» Trump schliesst sich damit rechtsextremen und konservativen Accounts in den sozialen Medien an, die Fehlinformationen verbreiten, die Harris' Herkunft in Frage stellen.

01.08.2024

Wenn es um konkret messbare Ergebnisse eines running mates geht, gibt es nur eine Zahl, weiss CNN: Der Wert, den der Präsidentschaftskandidat in dem Bundesstaat zulegt, aus dem sein Vize kommt. Es sind demnach 0,5 bis 2 Prozentpunkte. Das tönt nach nichts, kann aber die Welt bedeuten.

US-Wahlen 2024 im Fokus

Amerika wählt am 05. November einen neuen Präsidenten. Aber nicht nur der Präsident, sondern auch 35 Senatssitze, das komplette Repräsentantenhaus sowie elf Gouverneure werden neu gewählt. blue News begleitet die heisse Phase des Duells um das Weisse Haus nicht nur mit dem Blick aus der Schweiz, sondern auch mit Berichten direkt aus den USA.

Im Weissen Haus wurde Kokain gefunden.
Patrick Semansky/AP/dpa

Das liegt am Wahlsystem der USA: Die meisten Bundesstaaten sind fest in der Hand einer Partei. Ein gewisses Grundmass an Wahlleuten steht also fest. Die Swing states entscheiden, wer die erforderlichen 270 Wahlleute erreicht und ins Weisse Haus einzieht. In diesen Swing states stehen die Chancen mitunter 50 zu 50.

Swing states fest im Blick: Wer bei Harris vorn liegt

Ein Prozentpunkt kann also über Sieg und Niederlage entscheiden – und in einem Staat wie Pennsylvania geht es um 19 Wahlleute. Die Chance ist hoch, dass dort die Wahl entschieden wird, so CNN: Biden hat 2020 mit hauchdünnen 1,17 Prozent Vorsprung gewonnen. Es ist also kein Wunder, dass Pennsylvanias demokratischer Gouverneur Josh Shapiro bei den Buchmachern ganz vorn liegt, wenn es um Harris' Vize geht.

Shapiro ist ein starker Kandidat mit jüdischen Wurzeln: Er hat Pennsylvania 2022 mit 15 Punkten Vorsprung erobert und ist dort mit einer Zustimmung von 61 Prozent sehr beliebt. Auch Kandidat Mark Kelly kommt mit Arizona aus einem Swing state, dessen elf Wahlleute für Biden nur dank eines Vorsprungs von 0,3 Prozent zustande kamen.

Wer wird Harris' running mate? Mark Kelly (links) und vor allem Josh Shapiro gelten als aussichtsreichste Kandidaten.
Wer wird Harris' running mate? Mark Kelly (links) und vor allem Josh Shapiro gelten als aussichtsreichste Kandidaten.
Bild: Keystone

Der dritte Anwärter für den Platz an Harris' Seite ist Tim Walz aus dem Swing state Minnesota, den Biden 2020 jedoch mit über sieben Punkten Vorsprung holte. Das ist fast, als würde man offene Türen einrennen.

Bei Trump passt das allerdings zum Vorgehen: Sein Vize Vance kommt aus Ohio, wo die Republikaner 2020 mit ihrem Vize Mike Pence aus Indiana satte acht Prozentpunkte vor den Demokraten lagen. Die Entscheidung von vor drei Wochen könnte den 78-Jährigen noch teuer zu stehen kommen.


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