Ukraine-AffäreBlut geleckt: Demokraten planen den nächsten Schlag gegen Trump
dpa
26.9.2019
Die Ukraine-Affäre hat die US-Demokraten elektrisiert. Sie wollen einen Whistleblower-Bericht veröffentlichen, um den Druck auf Donald Trump zu erhöhen. Und der Präsident? Wirkt weniger angriffig als in anderen Krisen.
Die Opposition hat Blut geleckt, der Präsident wirkt angeschlagen und sein Rivale Joe Biden kommt bisher noch relativ glimpflich davon. Inmitten des womöglich heftigsten politischen Sturms seiner Amtszeit greift Donald Trump plötzlich zu eher leisen und defensiven Tönen. Zwar verurteilt er die «Hexenjagd» und die «Boshaftigkeit» der «lügenden» Demokraten sowie der «korrupten Medien», doch seine übliche Angriffslust fehlt.
An seiner Medienkonferenz am Rande der UNO-Vollversammlung in New York wirkt Trump niedergeschlagen, fast resigniert. «Amtsenthebung dafür?», fragt er in ungläubigem Ton. Er habe doch nur ein «wundervolles Telefongespräch» mit Selenskyj geführt.
Bislang hiess Trumps Krisenmodus immer: Gegenangriff. Wenn er angegriffen oder in die Ecke gedrängt wurde, holte er zum Gegenschlag aus. Er schien den Konflikt zu geniessen und sich zu freuen, politische Gegner und Journalisten gleichermassen zu beschimpfen. Seine kampflustigen Pressekonferenzen dauerten oft länger als eine Stunde.
Ganz anders am Mittwoch: In nur rund 40 Minuten spult der 73-Jährige ein Standardprogramm ab und bittet zur Unterstützung Aussenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steven Mnuchin auf die Bühne.
Bei den Demokraten hingegen scheinen viele Abgeordnete wie elektrisiert, weil es für Trump nun eng werden könnte. Sie brachten am Dienstag erste Schritte zu einem Amtsenthebungsverfahren auf den Weg.
Ausgelöst wurde dieser Schritt letztlich von Trump selbst: Er hatte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Juli in einem Telefonat mehrfach zu Ermittlungen ermuntert, die Joe Biden schaden könnten. Der ehemalige Vizepräsident gilt als Trumps aussichtsreichster Herausforderer bei den Demokraten.
Die Sache war vergangene Woche bekanntgeworden, nachdem sich bei der internen Kontrollbehörde der Geheimdienste ein Mitarbeiter wegen Trumps Ukraine-Kontakten beschwert hatte.
Diese – bislang nicht öffentlich gemachte – Beschwerde birgt nach Angaben führender Demokraten erhebliche Sprengkraft. Nach der Einsicht des brisanten Dokuments sagte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, die Unterlagen zeigten «ernsthaftes Fehlverhalten».
Womöglich können sich die Amerikaner schon sehr bald selbst ein Bild davon machen: Mehreren Quellen zufolge wurde inzwischen nicht nur die amtliche Geheimhaltung des Dokuments aufgehoben. Laut einem CNN-Bericht könnte es vielleicht schon am heutigen Donnerstag veröffentlicht werden.
Trump: Demokraten wollen ablenken
Von einem Skandal wegen des Versuchs, seinen demokratischen Konkurrenten Joe Biden mithilfe ukrainischer Ermittler zu beschädigen, will Trump nichts wissen. Die Demokraten hätten diese «Ente» gezielt in dieser Woche hochkochen lassen, «weil sie von meinen gewaltigen Errungenschaften bei den Vereinten Nationen ablenken wollten», behauptet er. Aus Furcht vor einer weiteren Wahlniederlage wollten ihm die Demokraten etwas anhängen: «Sie können uns nicht an der Wahlurne besiegen.»
Nur wenige Menschen könnten so viel Druck aushalten wie er, sagt Trump mit müder Stimme. Viele Mitarbeiter seiner Regierung seien von der ewigen juristischen Verfolgungsjagd der Demokraten schon zermürbt worden.
Noch ein weiter Weg bis zur Amtsenthebung
Und man darf nicht vergessen: Bis zu einer etwaigen Amtsenthebung Trumps ist es ein langer Weg, die Chancen für seinen Sturz scheinen eher gering. Trump behauptete am Dienstag noch, das Vorgehen der Demokraten würde ihm sogar helfen, wiedergewählt zu werden.
Doch einen Tag später, nach der Veröffentlichung des Protokolls des Gesprächs mit Selenskyj, schien er in der Defensive und versuchte fast verzweifelt, die Aufmerksamkeit auf Bidens angebliches Fehlverhalten zu richten. Er beschimpfte ihn und seinen Sohn Hunter Biden öffentlich als korrupt und forderte, die beiden müssten ihre Ukraine-Geschäfte offenlegen.
Auch das gehört zu Donald Trumps Führungsstil: Der US-Präsident entlässt oder vergrault einen Mitarbeiter nach dem anderen. Eine Auswahl.
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10. September 2019: Der Nationale Sicherheitsberater John Bolton wird entlassen. Bolton betont, er habe seinen Rücktritt angeboten, Trump erklärt, er habe ihn zum Rücktritt aufgefordert.
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31. August 2019: Madeleine Westerhout, die persönliche Assistentin Trumps, räumt überraschend ihren Posten. Sie habe mit Reportern über seine Familie gesprochen, sagt der Präsident.
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28. Juli 2019: Trump kündigt an, dass der Geheimdienstkoordinator Dan Coats seinen Posten am 15. August verlassen wird. Wenige Tage später teilt er mit, dass auch die stellvertretende Geheimdienstkoordinatorin Sue Gordon ihren Posten abgeben wird.
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12. Juli 2019: Über die Affäre Epstein gestolpert: US-Arbeitsminister Alexander Acosta (rechts) bei der Bekanntgabe seines Rücktritts durch Präsident Donald Trump.
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18. Juni 2019: Der geschäftsführende Verteidigungsminister Patrick Shanahan gibt bekannt, dass er das Amt nicht dauerhaft leiten will. Hintergrund waren offenbar Berichte über Gewalt in seiner Familie.
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13. Juni 2019: Trump twittert, dass seine Pressesprecherin Sarah Sanders zum Monatsende ihr Amt aufgeben wird.
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8. April 2019: Das Weisse Haus verkündet, dass auch der Direktor des Secret Service, Randolph Alles, abtreten wird – der Chef jener Behörde also, die unter anderem für den Schutz hochrangiger Politiker zuständig ist und dem Heimatschutzministerium untersteht.
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7. April 2019: Die Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen verlässt die Regierung. Trump soll unzufrieden mit ihrem Einsatz für Grenzsicherung gewesen sein.
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20. Dezember 2018: Ein Bild, das Bände spricht: US-Verteidgungsminister James Mattis schaut ziemlich resigniert drein. Am 20. Dezember 2018 reichte er seinen Rücktritt ein, weil er Trumps unberechenbare Aussenpolitik nicht mehr mittragen wollte. Ein Nachfolger soll spätestens Ende Februar 2019 vereidigt werden.
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15. Dezember 2018: Mitte Dezember 2018 kam für Innenminister Ryan Zinke das Aus. Er war im März 2017 vom Senat im Amt bestätigt worden und gehört damit zu den Ministern, die sich sehr lange unter Trump haben halten können.
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8. Dezember 2018: Trump kündigt den Anfang Dezember den Abgang von Stabschef John Kelly an. Kelly ist bereits der zweite Stabschef in Trumps Amtszeit als US-Präsident, der seinen Hut nehmen musste. Trumps Wunschkandidat für die Kelly-Nachfolge, Nick Ayers, kündigt eine Tag später seinen Rückzug aus dem Weissen Haus an.
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7. November 2018: Nur einen Tag nach den Kongresswahlen in den USA musste US-Justizminister Jeff Sessions seinen Posten räumen. Trump hatte ihn immer wieder kritisiert. Hintergrund ist, dass sich Sessions wegen Befangenheit aus den Russland-Ermittlungen rausgehalten hatte.
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9. Oktober 2018: Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, kündigt überraschend ihren Rücktritt von dem einfkussreichen Posten an.
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21. August 2018: Lange war Michael Cohen als «Ausputzer» von Donald Trump bekannt - als der Anwalt, der seinem Mandanten alle Probleme aus dem Weg räumte. Er räumte vor Gericht ein, unter anderem gegen Gesetze verstossen zu haben, die Wahlkampffinanzierungen regeln. Vom jahrelangen Verbündeten ist der Anwalt zu einer möglichen Bedrohung für Trump geworden.
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22. März 2018: John Dowd (Archivbild), Trumps führender Anwalt für die Russland-Ermittlungen, tritt zurück.
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13. März 2018: Trump verkündet auf Twitter, dass Aussenminister Rex Tillerson (l.) seinen Posten räumen müsse. Spekulationen gab es schon länger.
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6. März 2018: Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn kündigt seinen Rückzug an. Er war gegen von Trump angedrohte Strafzölle.
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28. Februar 2018: Der Abgang von Kommunikations-Chefin Hope Hicks kommt für Donald Trump zur Unzeit.
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18. August 2017: Trumps Chefstratege und früherer Wahlkampfchef Steve Bannon verlässt das Weisse Haus.
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28. Juli 2017: Trumps Stabschef Reince Priebus verlässt seinen Posten. Er sagt, freiwillig. Andere sagen, Trump habe ihn gefeuert.
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21. Juli 2017: Nach turbulenten sechs Monaten im Weissen Haus tritt der umstrittene US-Präsidentensprecher Sean Spicer zurück.
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9. Mai 2017: Trump entlässt den FBI-Chef James Comey, eine folgenreiche Sensation. Die Russland-Affäre nimmt an Fahrt auf.
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13. Februar 2017: Nach nur 23 Tagen im Amt tritt Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn zurück. Er ist in die Russland-Affäre über eine etwaige Wahlbeeinflussung verstrickt.
30. Januar 2017: Sie ist das erste Opfer der Trump-Regierung: Bereits wenige nach Trumps Vereidigung muss Justizministerin Sally Yates gehen, nachdem sie sich kritisch über das Einreiseverbot für Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern geäussert hatte. Auf Facebook schrieb Trump damals, Yates habe «das Justizministerium verraten».
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Trumps Vorwürfe beziehen sich auf Hunter Bidens frühere Geschäfte in der Ukraine. Sein Vater Joe, damals Vizepräsident der USA, soll ihn mit der Forderung nach der Entlassung eines ukrainischen Staatsanwalts vor Korruptionsermittlungen geschützt haben. Biden ist derzeit der aussichtsreichste Präsidentschaftsbewerber der Demokraten für die Wahl im November 2020 – und weist die Anschuldigungen kategorisch zurück.
Auf Trumps Frontalangriff reagiert Biden staatstragend: Es gehe um ganz Grundsätzliches, warnt er, um die nationale Sicherheit, um die Grundwerte des Landes. Die immer neuen persönlichen Attacken des Republikaners kontert Biden stoisch, indem er Trumps Politik in Mitteilungen, Tweets und Stellungnahmen inhaltlich kritisiert. Zur Ukraine-Affäre sagt er, es sei Aufgabe des Kongresses, Trumps Machenschaften auf den Grund zu gehen. Sein Job sei, sich auf seine Kampagne und Konzepte zur Lösung der Probleme im Land zu konzentrieren.
Video: So läuft ein Impeachment-Verfahren in den USA ab
Bislang steuert Biden damit relativ unversehrt durch den politischen Skandal. Mit seiner Zurückhaltung könnte er punkten. Aber: Sollten die Nachforschungen doch Unlauteres zu ihm oder seinem Sohn zutage fördern, könnte Biden tief fallen. Denn moralische Integrität hat er sich gross auf die Fahne geschrieben. Er spricht gerne und viel über Werte, Anstand, Integrität. Er ist das Gegenmodell zu Trump, verkörpert Vernunft, Seriosität und Stabilität.
Der frühere Senator war von 2009 bis 2017 Vize des damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Das ganze Land kennt ihn. Bei vielen Amerikanern bedient er die Sehnsucht nach den Obama-Jahren.
Allerdings steht Biden auch nicht gerade für Erneuerung oder Frische. Trump (73) und Biden (76) sind fast gleich alt. Dennoch versucht der Präsident seinen Rivalen als alten Mann darzustellen, der es nicht mehr bringt. «Sleepy Joe» ist der wenig schmeichelhafte Spitzname, den sich Trump für Biden ausgedacht hat. Doch sein Telefonat mit Selenskyj erweckt den Eindruck, dass ihn der «schläfrige Joe» doch etwas nervös macht.
Tief durchatmen in der Yogastunde, spazieren gehen mit dem Hund oder ein schöner Tag am Strand – es gibt viele Möglichkeiten, sich zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen. Mit der Präsidentschaftswahl vor Augen fällt das vielen US-Bürgern offenbar aber nicht mehr so leicht. In einer Studie des Amerikanischen Psychologenverbandes haben 65 Prozent der erwachsenen US-Bürger im Wahljahr angegeben, immer oder oft von der Politik erschöpft zu sein.
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