Late Night USA Trumps Ukraine-Desaster: «Das ist historisch. Schnallt euch an!»

Von Philipp Dahm

25.9.2019

«Late Show»-Gastgeber Stephen Colbert kann es kaum fassen: Der Skandal, der Donald Trump das Amt kosten könnte, ist da.
«Late Show»-Gastgeber Stephen Colbert kann es kaum fassen: Der Skandal, der Donald Trump das Amt kosten könnte, ist da.
Screenshot: YouTube

Donald Trump hat einen politischen Bock nach dem anderen geschossen – sich aber immer wieder aus der Affäre ziehen können, sagt Stephen Colbert. Doch nun sei Schluss, ist sich der «Late Night»-Host sicher.

Stephen Colbert ist derjenige Late-Night-Host, der sich seit 2016 am entschiedensten gegen den US-Präsidenten gestellt hat – und wurde damit notabene Quotenkönig seiner Zunft. Wie reagiert der Trump-Kritiker auf das angekündigte Amtsenthebungsverfahren?

«Oh Gott, was für ein Tag! Für den Fall, dass Sie zu Hause einen Anschnallgurt an Ihrer Couch haben, frage ich Sie erstens: Warum? Und zweitens sage ich: Schnallen Sie sich an!»

«Seit zweieinhalb Jahren jagt ein Trump-Skandal den nächsten», beginnt der Gastgeber und lässt eine Aufzählung folgen, die lang ist, aber auch zeigt, auf welchem Niveau sich die US-Politik mittlerweile eingependelt hat: «Geheime Absprachen mit Russland, Justizbehinderung, die Behauptung, Nazis seien nette Leute, die unausgesprochene Mittäterschaft bei Wahlkampfspenden, die Lügen über Trumps Moskau-Tower und Ergaunern von Geld für seinen Grenzzaun, während er die Wetterkarte mit einem Edding verfälscht.»

Und jetzt? «Jedes Mal haben mich die Leute gefragt: Ist es das jetzt? Das muss es jetzt gewesen sein. So war es nicht, aber jetzt ist was. Jetzt ist da was Neues, und vielleicht ist es das jetzt.»

Colbert macht eine Kunstpause, spielt den Clip von Nancy Pelosi ein, in dem die Demokratin verkündet, ihre Partei wolle Trump vom Thron stossen, und lässt dann das Gesagte lachend mit stehenden Ovationen vom Publikum quittieren.

Gründerväter zitiert: Nancy Pelosi kündigt das Amtsenthebungsverfahren an.
Gründerväter zitiert: Nancy Pelosi kündigt das Amtsenthebungsverfahren an.
Screenshot: YouTube

«Endlich ein Check-up des Präsidenten: Bisher hatten wir bloss einen Präsidentenscheck für ein Pornosternchen», freut sich Colbert und lässt Revue passieren, wie Donald Trump Militärhilfen für die Ukraine eingefroren haben soll, um diese in einem Telefonat mit dem Präsidenten in Kiew als Druckmittel zu benutzen, falls dieser nicht gegen den Sohn von Konkurrent Joe Biden agieren – oder eben agitieren – wolle.

Achtmal hat der 73-Jährige angeblich danach gefragt – in ein und demselben Telefongespräch.

Colbert: «Kurios dabei, vorausgesetzt Sie finden das Ende der Demokratie kurios: Das Gespräch fand praktisch unmittelbar nach der Befragung von Sonderermittler Robert S. Mueller statt, bei der es darum ging, dass eine fremde Macht nicht unsere Wahlen manipulieren soll. Darin waren sich alle einig. Nur Trump nicht, der einfach ein Land weitergeht.»

Donald Trump ist sich nach dem Ukraine-Telefonat keiner Schuld bewusst.
Donald Trump ist sich nach dem Ukraine-Telefonat keiner Schuld bewusst.
Screensdhot:  YouTube

Ab Minute 6:14 sehen wir ein dürftiges Dementi des US-Präsidenten, das er bei der UN-Vollversammlung abgegeben hat: «Es gab keinen Druck. Auf jeden Fall habe ich keinen Druck ausgeübt. Gut, ich denke, vielleicht, möglicherweise wäre ein bisschen okay, falls ich es getan hätte.»

Immerhin kündigte der New Yorker an, eine Mitschrift jenes Telefonats veröffentlichen zu wollen, wie er in einem Tweet ankündigt. Die Militärhilfen habe er einige Tage vor seinem Anruf eingefroren, verteidigte sich Trump weiter.

Das sei aber nicht fair, kontert Colbert: Die Ukraine kämpfe einen unerklärten Krieg an seiner Ostgrenze. Der Gastgeber äfft den Politiker nach: «Wenn Ihr wollt, dass wir euch dabei helfen, dass sie Euch ausser der Krim nicht noch mehr wegnehmen, müsst Ihr ein Verbrechen mit mir begehen!»

Druck ist, was man daraus macht: Stephen Colbert telefoniert als Donald Trump mit der Ukraine.
Druck ist, was man daraus macht: Stephen Colbert telefoniert als Donald Trump mit der Ukraine.
Screenshot: YouTube

Zumal laut US-Verfassung der Kongress allein entscheide, wem (wann) solche Subventionen zustehen. Trumps Administration soll sogar versucht haben, das Ausbleiben des Geldes als bürokratische Verzögerung zu vertuschen.

Das Wichtigste hat sich die «Late Show» aber bis zum Schluss aufbewahrt: Das Weisse Haus kann nicht mehr verhindern, dass die Kontrollinstanzen Einsicht in die Aussage des Whistleblowers nehmen können, die das Weisse Haus zurückhält. Der Senat verfügte einmütig, dass der Geheimdienstausschuss sie «sofort» bekommen muss – sprich: Auch Republikanern geht das Gebaren des Präsidenten nun zu weit.

Der Ausschussvorsitzende Adam Schiff von den Demokraten teilte sogar mit, dass der Whistleblower bereit sei, dem Komitee persönlich Rede und Antwort zu stehen – und das noch in dieser Woche.

«Das ist historisch», frohlockt Colbert. Einer, der aus erster Hand vom Unrecht berichtet, das der Präsident anrichte: «Das hatten wir seit Tagen nicht!» Wie Trump darauf reagiert, sehen wir ab Minute 10:25.

Dem Land gehe es besser als je zuvor, und nun versuche der Wahlverlierer, über politische Ränkespiele ins Weisse Haus zu kommen.

Genau so etwas war zu erwarten, aber wie dieser Politkrimi weiter- und ausgeht, ist nicht so sicher, wie es scheint: Trump wird den Demokraten einen erbitterten Krieg liefern und dabei alle Register ziehen. Die Ankündigung des Amtsenthebungsverfahrens ist nur eine Auftaktschlacht.

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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