Ukraine-Affäre Warum Kiew sowohl Trump als auch Biden den Kopf kosten könnte

Philipp Dahm

23.9.2019

Barack Obama und Joe Biden (rechts) tragen es mit Fassung: Das Kapitol in Washington am 20. Januar 2017 bei Donald Trumps (Links) Amtseinführung.
Barack Obama und Joe Biden (rechts) tragen es mit Fassung: Das Kapitol in Washington am 20. Januar 2017 bei Donald Trumps (Links) Amtseinführung.
Bild: Getty/Drew Angerer

Ein Anruf von Donald Trump in Kiew könnte den US-Präsidenten zu Fall bringen, aber sich auch als Todesstoss für seinen grössten Konkurrenten Joe Biden entpuppen. Ein Überblick.

Joe Bidens Sohn Robert Hunter Biden ist 49 Jahre alt. Er könnte für den Sturz des US-Präsidenten sorgen – oder aber für den seines Vaters. Die soganannte Ukraine-Affäre hat zu dieser bizarren Konstellation geführt, die sowohl Donald Trumps politische Karriere beenden wie auch die Präsidentschaftsambitionen des eigenen Vaters begraben könnte.

Was aber hat nun Hunter Biden mit der Ukraine zu tun?

Ein Rückblick: 2014 wurde Hunter Biden in den Aufsichtsrat der Burisma Holding, dem grössten Öl-und Gas-Unternehmen des Landes, geholt. Sowohl Hunter als auch sein Vater betonen, die Berufung sei von der Obama-Administration in keiner Weise forciert worden, doch ob der Mann auch ohne den Namen Biden den Job bekommen hätte, das ist fraglich.

Hunter Biden war von 1993 bis 2017 mit Kathleeen Buhle  verheiratet, mit der er drei Töchter hat. Im Mai 2019 trat er zum zweiten Mal vor den Altar.
Hunter Biden war von 1993 bis 2017 mit Kathleeen Buhle verheiratet, mit der er drei Töchter hat. Im Mai 2019 trat er zum zweiten Mal vor den Altar.
Bikld: Keystone

Das Mandat behielt Hunter bis zum April 2019: Weil Joe Biden angekündigt hatte, ins Rennen um den demokratischen Präsidentschaftskandidaten einzusteigen, räumte sein Sohn den Aufsichtsratsposten.

Militärhilfe als Druckmittel

Das Problem: 2015 wurde in Kiew ein neuer Generalstaatsanwalt ernannt, der insbesondere den immerwährenden Kampf gegen die Korruption führen sollte. Viktor Shokin soll jedoch seine Arbeit nicht besonders gut gemacht haben, weshalb die Obama-Administration 2016 auf dessen Demission drängte. Trumps Team wird später behaupten, die Demokraten hätten bloss eine unliebsame Untersuchung gegen Burisma stoppen wollen.

Shokins Nachfolger als Generalstaatsanwalt verkündete im Mai zwar, den Bidens sei im Zusammenhang mit dem Bursima-Mandat kein Fehlverhalten vorzuwerfen – dennoch schickte Donald Trump seinen Anwalt Rudy Giuliani mehrfach in die Ukraine. Seine Mission: weitere Untersuchungen gegen die Bidens anstossen und Beweise finden, dass nicht der amtierende Präsident, sondern die Demokraten bei der Wahl 2016 die Hilfe fremder Nationen in Anspruch nehmen wollten.

Gleichzeitig hat das Weisse Haus laut Magazin «Politico» Militärhilfen im Wert von 250 Millionen Dollar eingefroren, angeblich um Druck auf Kiew auszuüben, da sich die dortige Regierung aus der politischen Schlammschlacht am liebsten raushalten würde. Zuletzt wurde dann auch noch die Beschwerde eines Whistleblowers öffentlich. Über dessen Bericht ist nur bekannt, dass Trump einem Ausländer am Telefon etwas versprochen haben soll, das besorgniserregend sei.

Wilde Beschuldigungen

Obwohl der Rapport als glaubwürdig und wichtig eingestuft worden ist, verhindert das Justizministerium, dass die entsprechenden Ausschüsse des Repräsentantenhauses die Beschwerde zu sehen bekommen. Kurz bevor das Repräsentantenhaus angekündigt hat, die offenen Ukraine-Fragen zu untersuchen, wurde die Militärhilfe für das osteuropäische Land dann doch noch durchgewunken.

Doch der politische Schaden ist längst angerichtet. Rudy Giuliani hat gerade mit einem wütenden CNN-Interview für Furore gesorgt, während er bei «Fox» versicherte, er habe niemals versucht, die Ukraine auf Biden zu hetzen. Auch Donald Trump wies – natürlich via Twitter – jegliche Beschuldigungen weit von sich.

Doch insgeheim dürfte sich der 73-Jährige ins Fäustchen lachen, denn Trump hat in Biden immer den allergrössten Konkurrenten gesehen – und nun beginnen dessen Popularitätswerte zu sinken. Lange führte Obamas einstiger Vize die Umfragen zu den demokratischen Bewerbern an, doch den jüngsten Erhebungen zufolge ist Elizabeth Warren sogar an Joe Biden vorbeigezogen.

Die 70-Jährige liegt neu mit 22 Prozent Zustimmung zwei Punkte vor dem Mann aus Pennsylvania – und das tönt zumindest nach einem Teilerfolg für Trump. Jener wiederum könnte durch die Affäre selbst zu Fall kommen: Sollte es stimmen, dass der New Yorker eingefrorene Militärhilfen, also Steuergelder, dazu benutzt hat, eine Untersuchung seines Konkurrenten anzustrengen, rückt ein Amtsenthebungsverfahren in greifbare Nähe.

Der Demokrat Adam Schiff, der im Geheimdienstausschuss sitzt, droht dem Weissen Haus mit Impeachment – doch Nancy Pelosi hat sich als Sprecherin des Repräsentantenhauses bisher stets geweigert, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Und welche Konesquenzen hat das Ganze nun in Washington? Fest steht bis hierhin nur: Das Staatsdrama Ukraine-Affäre wird die politischen Beobachter wohl noch längere Zeit beschäftigen.

Joe Bidens tragische Familiengeschichte
Biden schwört 1972 den Amtseid im Spital an der Seite seiner Söhne. (Keystone)

Die Ära von 2009 bis zum Januar 2017 war für Joe Biden eine Zeit mit Höhen und Tiefen. Als Vizepräsident von Barack Obama konnte der Demokrat politisch viel bewegen, doch privat musste Biden 2015 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen: Sein Sohn Beau verlor damals den Kampf gegen einen Hirntumor, er starb am 30. Mai 46-jährig an Krebs. Beau Biden hinterliess eine Frau und zwei Kinder.

Es war nicht das erste Mal, dass Joe Biden den Tod eines Kindes beklagen musste: 1972 war seine Ehefrau Neilia mit den Söhnen Bau und Hunter sowie Tochter Naomi im Auto unterwegs, als sie mit einem Traktor zusammenstiessen. Während Bau und Hunter den Unfall schwer verletzt überlebten, kam für ihre 30-jährige Mutter und auch ihre Schwester jede Hilfe zu spät: Biden musste am Krankenbett seiner vier und drei Jahre alten Söhne seinen Eid als frisch gewählter Senator von Delaware ablegen.

Drei Jahre nach diesem Verlust lernte Biden seine zweite Frau Jill kennen, sie sollte Joes erste fünf Heiratsanträge ablehnen – aus Rücksicht auf dessen beiden Söhne. «Sie haben ihre Mom verloren, und ich wollte nicht, dass sie eine weitere Mutter verlieren. Deshalb musste ich erst hundertprozentig sicher sein», verriet sie 2016 der «Vogue». 1977 sagte Jill dann doch Ja – und vier Jahre später bekam das Paar noch einmal eine Tochter, die sie Ashley tauften. 

Abschied von Beau Biden am 4. Juni 2015 in Dover, Delaware: (von links) Hunter Biden, Beau Bidens Tochter Natalie, Witwe Hallie Biden, Joe Biden, Beau Bidens Sohn Robert und Joe Bidens zweite Frau Jill.
Abschied von Beau Biden am 4. Juni 2015 in Dover, Delaware: (von links) Hunter Biden, Beau Bidens Tochter Natalie, Witwe Hallie Biden, Joe Biden, Beau Bidens Sohn Robert und Joe Bidens zweite Frau Jill.
Bilkd: Keystone

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite