Klare Sache – oder doch nicht Trump liegt klar vor Harris – ist das ein Erdrutschsieg?

Sven Ziegler

6.11.2024

Donald Trump liegt vorn – überraschend ist das nicht. 
Donald Trump liegt vorn – überraschend ist das nicht. 
KEYSTONE

In den frühen Morgenstunden liegt Donald Trump klar vor Kamala Harris. Was das für den Wahlausgang bedeutet – blue News erklärt.

Sven Ziegler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In den frühen Morgenstunden liegt Donald Trump klar vor Kamala Harris.
  • Doch das ist kein Erdrutschsieg, sondern völlig normal.
  • blue News erklärt, weshalb.

In den frühen Stunden der Wahlnacht zeichnet sich ein deutlicher Vorsprung des republikanischen Kandidaten Donald Trump gegenüber der demokratischen Herausforderin Kamala Harris ab.

Doch ein solches Anfangsbild ist keineswegs ungewöhnlich, sondern resultiert aus spezifischen Faktoren des US-Wahlsystems und der regionalen Stimmenzählungen. blue News erklärt dir, warum die derzeitige Führung Trumps zu erwarten war und wie sich das Bild im Laufe der Auszählung möglicherweise ändert.

Republikanische Hochburgen zählen schnell aus

Indiana hat klar für Trump gestimmt – überraschend ist das nicht. 
Indiana hat klar für Trump gestimmt – überraschend ist das nicht. 
Darron Cummings/AP/dpa

Die ersten Wahllokale schliessen traditionell in den Staaten Indiana und Kentucky, die als Hochburgen der Republikaner gelten. Dies bedeutet, dass die frühesten Ergebnisse oft von Staaten stammen, in denen Trump einen klaren Vorsprung hat.

Indiana und Kentucky sind verlässliche republikanische Staaten, sodass die Stimmenauszählung hier früh am Abend beginnt und schnell einen Vorteil für Trump zeigt. Diese «roten» Staaten liefern oft die ersten Ergebnisse, was die Präsenz der Republikaner frühzeitig verstärkt. Tatsächlich sind die bereits ausgezählten «roten» Staaten wenig überraschend, sondern erwartet.

Republikanische Hochburgen wie Indiana und Kentucky neigen historisch dazu, frühzeitig ausgezählt zu werden. Da ihre Wahllokale als erste schliessen, liefern sie oft frühe Ergebnisse zugunsten der Republikaner, bevor Staaten mit tendenziell stärker demokratischem Wähleranteil beginnen, ihre Ergebnisse zu melden. Dieses Muster führt in fast jeder Wahl zu einem frühen republikanischen Vorsprung, der später oft durch die Stimmen in demokratischen Hochburgen ausgeglichen wird.

Präsenzwahl vs. Briefwahl

Briefstimmen werden traditionell später ausgezählt.
Briefstimmen werden traditionell später ausgezählt.
Patrick Sison/AP

Ein weiterer Faktor für Trumps anfänglichen Vorsprung ist die Reihenfolge der Auszählung der Stimmen. In vielen Bundesstaaten werden zuerst die am Wahltag persönlich abgegebenen Stimmen ausgezählt, die in der Regel von republikanischen Wählern dominiert werden.

Im Gegensatz dazu geben demokratische Wähler ihre Stimme häufiger per Briefwahl ab, deren Auszählung häufig später am Abend beginnt oder sogar bis in den nächsten Tag dauert. Diese Verzögerung kann dazu führen, dass der frühe Vorsprung des republikanischen Kandidaten im Laufe der Nacht ausgeglichen wird. Die Briefwahl spielt gerade bei knappen Rennen eine entscheidende Rolle und kann das Wahlergebnis noch massgeblich beeinflussen. Besonders in Swing States, wo die Wähler stark gespalten sind, zeigt sich dieser Effekt deutlich.

Da Briefwahlstimmen oft in städtischen Gebieten und demokratisch geneigten Wählerschichten populärer sind, kommt es häufig erst durch deren Auszählung zu einem Wandel des anfänglichen Vorsprungs. Viele Analysten betonen daher, dass die Ergebnisse der Präsenzwahl nicht das endgültige Bild widerspiegeln, was in der Wahlnacht oft zu vermeintlich überraschenden Wendungen führt.

Am Ende entscheiden die Swing States

Georgia gehört zu den entscheidenden Swing States
Georgia gehört zu den entscheidenden Swing States
John Bazemore/AP/dpa

Der Ausgang der US-Wahl wird traditionell durch die sogenannten Swing States entschieden – Bundesstaaten, die sich weder klar den Demokraten noch den Republikanern zuordnen lassen und somit die Macht haben, das Wahlergebnis zu kippen.

In diesen Staaten, darunter Georgia, North Carolina und Pennsylvania, steht das Rennen meist äusserst knapp und die vollständige Auszählung der Stimmen kann bis in den nächsten Tag dauern. Derzeitige Zwischenergebnisse sind daher noch unvollständig und könnten den Eindruck eines starken Vorsprungs für Trump erwecken, bis alle Stimmen in diesen kritischen Staaten gezählt sind.

In den vergangenen Wahlen zeigte sich mehrfach, dass der Trend in Swing States oft erst spät in der Nacht oder am nächsten Tag kippt. Die Auszählung der Briefwahlstimmen, die vermehrt in städtischen, demokratisch geprägten Gebieten abgegeben werden, kann dazu führen, dass ein anfänglicher Vorsprung für Trump langsam auf Harris übergeht. Daher kann eine umfassende Beurteilung des Wahlausgangs erst getroffen werden, wenn alle Stimmen in diesen umkämpften Staaten gezählt sind.

Parallelen zu 2020

Ein ähnliches Szenario zeigte sich bereits bei der Wahl 2020, als der anfängliche Vorsprung des republikanischen Kandidaten ebenfalls im Laufe der Nacht schwand, da demokratische Hochburgen und Briefwahlen später ausgezählt wurden.

Auch damals führte dies zu einer frühen Dominanz der Republikaner in den Schlagzeilen, die jedoch später durch den sogenannten «Blue Shift» – das spätere Zählen demokratischer Stimmen – verändert wurde.

Dieser Effekt wird voraussichtlich auch bei der aktuellen Wahl sichtbar, da wieder viele demokratische Wähler ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben.

Zusammengefasst kann der derzeitige Vorsprung von Trump in den frühen Auszählungsergebnissen als ein normales Phänomen im US-Wahlsystem betrachtet werden. Angesichts der regionalen und organisatorischen Besonderheiten des Systems wird das finale Wahlergebnis erst klar, wenn die letzten Swing States und Briefwahlstimmen ausgezählt sind.

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