Machtkampf mit Parlament Südkoreas Präsident will Kriegsrecht wieder aufheben

dpa/AP/afp/zis/toko

3.12.2024

Politische Achterbahnfahrt in Südkorea: Zunächst ruft der Präsident in einem Machtkampf mit dem Parlament das Kriegsrecht aus. Dieses zwingt ihn jedoch offenbar erfolgreich, es wieder aufzuheben. 

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  • In einem Machtkampf mit dem Parlament hat Südkoreas Präsident das Kriegsrecht ausgerufen und nur rund 12 Stunden später angekündigt, es wieder zurücknehmen zu wollen.
  • Präsident Yoon ergriff die Massnahme inmitten eines Streits seiner Partei mit der grössten Oppositionskraft über das Haushaltsgesetz für kommendes Jahr.
  • Das Parlament war verriegelt worden, Spezialkräfte sicherten das Gebäude.
  • Nach einem entsprechenden Votum des Parlaments mit der Aufforderung an den Präsidenten, das Kriegsrecht wieder aufzuheben, zogen sich Militär und Polizei zurück.

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In einem Machtkampf mit dem Parlament möchte Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol das von ihm kurz zuvor verhängte Kriegsrecht wieder aufheben. Laut Südkoreas nationaler Nachrichtenagentur Yonhap sagte Yoon, dass sich das Militär zurückgezogen habe und das Kabinett bald tagen werde.

Der zuvor ausgerufene Ausnahmezustand zielte darauf ab, «pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen und die verfassungsmässige Ordnung der Freiheit zu schützen», sagte Yoon. Videos zeigen Spezialkräfte, die kurz nach der Ankündigung das Parlamentsgebäude betreten. Sie seien für «Sicherheit und die Sicherstellung der Ordnung» vor Ort, heisst es.

Parlament abgeriegelt

Wie die amtliche Nachrichtenagentur Yonhap berichtet, ist der Zugang zum Parlament, der Nationalversammlung in Seoul, derzeit blockiert. Zudem seien alle politischen Aktivitäten, einschliesslich Protesten sowie Parteiaktionen verboten. Einzelheiten zu den von Yoon erhobenen Vorwürfen waren zunächst nicht bekannt.

Parlamentspräsident Woo Won Shik forderte Militär und Polizei dazu auf, Ruhe zu bewahren. Alle Mitglieder der Nationalversammlung sollten sich in der Plenarhalle des Parlamentsgebäudes einfinden. Das Parlament hat indessen für eine unverzügliche Aufhebung des Kriegsrechts gestimmt. 

Beamte der Militärpolizei stehen vor der Nationalversammlung.
Beamte der Militärpolizei stehen vor der Nationalversammlung.
Lee Jin-man/AP/dpa

Die Armee-Spitze hat laut Yonhap eine Krisensitzung einberufen, um «über weitere Schritte zu beraten». «Alle Handlungen, die das liberale demokratische System leugnen oder zu stürzen versuchen, sowie die Verbreitung von Fake News, die Manipulation der öffentlichen Meinung und falsche Propaganda sind verboten», heisst es in einer Erklärung. Streiks oder Versammlungen, die Unruhen schüren könnten, etwas grosse Demonstrationen, seien ebenfalls verboten. Wer sich nicht an Anweisungen der Regierung halte, werde ohne Haftbefehl verhaftet.

Kritik auch aus eigener Partei

Die Opposition hat die Massnahmen scharf kritisiert. Oppositionsführer Lee Jae Myung bezeichnete das zuvor ausgerufene Kriegsrecht laut einem Yonhap-Bericht als «verfassungswidrig» und unbegründet. Panzer und Soldaten mit Gewehren würden bald das Land kontrollieren, sagte Lee laut Yonhap weiter.

Yoon Suk Yeol steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmasslicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt. Zudem streitet die amtierende Partei mit der Opposition um das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr.

Seit Monaten haben sich zudem die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel erhöht. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea tausende Soldaten nach Russland, wo diese bei der Rückeroberung der Region Kursk im Einsatz sind.

USA: Situation wird «genau» beobachtet

Die US-Regierung steht indessen mit der Regierung in Seoul in Kontakt. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates sagte in Washington, die US-Regierung beobachte «die Situation genau». 

Die USA sind der wichtigste Verbündete Südkoreas und haben dort 28'500 Soldaten stationiert, um das Land vor Nordkorea und dessen über Atomwaffen verfügende Armee zu schützen. Beide Länder halten regelmässig Militärmanöver ab, welche die Führung in Pjöngjang als Vorbereitung einer Invasion im Norden anprangert. Nordkorea reagiert auf die Manöver häufig mit Waffentests.

Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat sich während seiner Amtszeit für eine Stärkung der Koalition von Seoul, Tokio und Washington eingesetzt, als Gegengewicht zu Nordkorea und dem in der Region zunehmend dominant auftretenden China. Auf Initiative Bidens war der südkoreanische Präsident Yoon in diesem Jahr Gastgeber eines Demokratie-Gipfels, bei dem es um Strategien zum Schutz demokratischer Institutionen weltweit ging.

Südkorea befindet sich mit Nordkorea seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell nach wie vor im Kriegszustand, da der Konflikt mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete. Beide Länder trennt eine etwa vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone. Internationale Sanktionen sollen Nordkorea davon abhalten, sein Atomwaffenprogramm weiter auszubauen. Nordkoreas Machthaber Kim Jon Un wird von China und auch von Russland unterstützt.

Ein Sprecher der Vereinten Nationen erklärte, die UNO verfolge die Entwicklungen in Südkorea «sehr genau und mit Sorge».

China, ein wichtiger Verbündeter Nordkoreas, wies seine in Südkorea weilenden Bürger an, Ruhe zu bewahren. Auch Russland, ein weiterer Unterstützer Pjöngjangs, nannte die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea «besorgniserregend».

Grossbritannien erklärte, die Geschehnisse «genau zu beobachten». Das Auswärtige Amt in Berlin riet deutschen Staatsbürgern, politische Versammlungen in Südkorea zu meiden.