Virus der TyranneiStunde der Autokraten – wie Politiker Corona missbrauchen
dpa/tafi
5.4.2020
Die Autokraten in China, Russland, Ungarn und anderswo satteln in der Corona-Krise noch einmal drauf und ziehen die Daumenschrauben fester an. Es gibt Sondergesetze und härtere Strafen. Und einer droht sogar mit Erschiessung.
In der Corona-Krise schlägt die Stunde der Autokraten. Nur wenige Tage brauchte Kremlchef Wladimir Putin, um Gesetze für eine härtere politische Gangart in Russland in Kraft zu setzen.
Und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der einen guten Draht zu Putin hat, kann per Notstandsgesetz samt umfassender Vollmachten regieren. Besonders die autoritären Anführer verstehen es in Krisenzeiten, ihre Macht weiter ausbauen – zulasten der Freiheit der Bürger, wie Menschenrechtler und Oppositionelle beklagen.
Mehr digitale Überwachung
Kaum ein Instrument gewinnt in dieser Zeit des Kampfes gegen die Corona-Epidemie so rasch an Gewicht wie die Nutzung digitaler Technologien. «Die Welle der Überwachung, die wir sehen, ist wirklich so nie da gewesen. Sie übertrifft sogar die Reaktionen der Regierungen weltweit auf 9/11», sagt der Experte Edin Omanovic von der Menschenrechtsorganisation Privacy International.
Schon nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA – genannt 9/11 – verschärften viele Staaten Gesetze für den Kampf gegen islamistische Terroristen. Omanovic sieht nun wie damals die Gefahr, dass die vielerorts erlassenen Gesetze und der Einsatz neuer Technologien die Freiheiten dauerhaft bedrohen.
Die Stadt Moskau nutzt seit einigen Tagen unter anderem Überwachungskameras und Tracking über Mobiltelefone, um Menschen, die in Corona-Quarantäne sind, auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Die ersten Strafen ergingen bereits am Freitag. Als «Tyrannei» bezeichnet der prominente Oppositionelle Dmitri Gudkow die neuen russischen Gesetze. «Das Coronavirus beschleunigt den Prozess für den Übergang zur Diktatur», meint er. Quarantäne sei wichtig, aber hier werde Machtmissbrauch betrieben. «Sie tun es, weil sie es können.»
Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnte gerade, dass schon mehr als 20 Länder Telekommunikation für die Bestimmung von Aufenthaltsorten nutzten. Dabei wirft HRW besonders China und Russland vor, die digitale Technik zur Überwachung im Kampf gegen die Krankheit Covid-19 ungerechtfertigt stark einzusetzen. Mehr als 100 Organisationen zeigten sich in einer Stellungnahme besorgt, dass die Privatsphäre und persönliche Freiheiten in vielen Staaten bedroht seien – nicht nur in autokratisch geführten, sondern auch in demokratischen Gesellschaften.
Notstandsgesetz und Ausnahmezustand
In Russland unterzeichnete Putin auch ein Gesetz, das der Regierung Sondervollmachten für einen Ausnahmezustand gibt. Sollte sich die Epidemie ausweiten, ist es demnach nur eine Frage der Zeit, bis die Daumenschrauben für die Russen noch fester angezogen werden.
In Ungarn kann der rechtsnationale Regierungschef per Notstandsgesetz schon jetzt am Parlament vorbei und zeitlich unbefristet auf dem Verordnungsweg regieren. Neue Strafbestimmungen drohen Journalisten mit dem Gefängnis, wenn sie durchaus wahre Tatsachen so wiedergeben, dass sie grössere Menschengruppen «beunruhigen».
Schon bisher hat Orban mit der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit im Parlament den Grossteil der Medien gleichgeschaltet, die Unabhängigkeit der Justiz beschädigt und die Wissenschafts- und Lehrfreiheit eingeschränkt. Weitere Repressionen gelten als möglich. «Das neue Gesetz und die damit einhergehende unbefristete Ermächtigung sind gefährliche Waffen», kritisierte das ungarische Helsinki-Komitee in einer Stellungnahme.
Auch in Afrika wurden Notstandsgesetze mit weitreichenden Beschneidungen individueller Freiheitsrechte in fast allen Ländern des Kontinents erlassen. Erste Hinweise auf exzessiv ausgeübte Macht gibt es bereits. Nicht nur in den sozialen Medien gut dokumentierte brutale Übergriffe von Polizisten oder Soldaten haben etwa in Kenia, Uganda, Südafrika oder dem Kongo Menschenrechtsgruppen auf den Plan gerufen.
John Steenhuisen von Südafrikas Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) forderte das Parlament zum Schutz der Bürger auf. Die brutalen Übergriffe nannte er «inakzeptabel und besorgniserregend».
Duterte droht mit Erschiessungen
Verbreitet sind auch schärfere Strafen. Im schlimmsten Fall drohen in Russland bei Verstössen gegen die Corona-Quarantäne jetzt hohe Geld- oder sogar Haftstrafen. Und auch von den Behörden als Fake News eingestufte Informationen im Internet ziehen nun noch härtere Sanktionen nach sich.
Vor allem aber der Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte, sorgte mit drastischen Worten international für Aufsehen, als er «Ordnung» einforderte für die im Kampf gegen die Corona-Pandemie verhängten Ausgangsbeschränkungen. «Meine Anweisungen an die Polizei und das Militär, wenn jemand Ärger macht und ihre Leben in Gefahr sind: Erschiesst sie», sagte der Staatschef in einer am Mittwochabend ausgestrahlten Fernsehansprache.
Epidemie als Chefsache
Für die Staatschefs geht es in Krisenzeiten vor allem ums politische Überleben. In CHINA schien es nach dem Ausbruch des Virus so, als könnte die Krise für Staatschef Xi Jinping gefährlich werden. Es kam zum Aufschrei im Land, als klar wurde, dass Ärzte in der Millionenmetropole Wuhan schon im Dezember vor dem Virus gewarnt hatten, aber zum Schweigen gezwungen wurden. Doch Xi, der mächtigste Führer seit Staatsgründer Mao Tsetung, konnte das Blatt wenden.
Den Kampf gegen die Epidemie machte Xi zur Chefsache, präsentierte schnelle Erfolge. Rigoros wurden lokale Politiker in der besonders betroffenen Provinz Hubei entlassen und zu Sündenböcken gemacht. Seit Wochen verkünden die Behörden nun, dass es kaum noch lokale Infektionen gebe. Während Teile der Welt im Chaos versinken, kehrt China langsam zur Normalität zurück. Die Staatspropaganda präsentiert Xi als Staatschef, der den Krieg gegen das Coronavirus gewonnen hat.
Das Coronavirus hat die Welt im Griff: Menschen sollen in ihren Wohnungen bleiben, teils werden Ausgangssperren verhängt. Die Folge: Leere überall. So menschenleer und autofrei ist die Strasse des 17. Juni am Brandenburger Tor in Berlin selten.
Bild: Keystone/dpa/Carsten Koall
Auf den Arroyo Seco Parkway in Los Angeles verirrt sich dieser Tage kaum noch ein Auto.
Bild: Keystone/AP Photo/Mark J. Terrill
Wer schon einmal in London war, kann sich kaum vorstellen, dass sich auf der Westminster Bridge keine Touristen drängen. Doch lediglich ein Bus ist auf der berühmten Brücke mit Blick auf das London Eye zu sehen.
Bild: Keystone/AP Photo/Frank Augstein
Vor dem Gateway to India in Mumbai drängen sich an normalen Tagen Einheimische und Touristen. Doch von «normal» kann aktuell an keinem Ort der Welt die Rede sein.
Bild: Keystone/AP Photo/Rajanish Kakade
Auf den Strassen von Kuwait City ist weit und breit kein Auto zu sehen.
Bild: Keystone/epa/Noufal Ibrahim
An der Klagemauer in Jerusalem trifft man sonst auf viele Gläubige. Doch auch Israel ist fest im Griff der Coronakrise.
Bild: Keystone/Epa/Abir Sultan
Lediglich wenige Jogger und Radfahrer ziehen ihre Kreise auf der National Mall in Washington, D.C.
Bild: Keystone/AP Photo/Andrew Harnik
Bilder, die sich auf der ganzen Welt ähneln: Statt vor Touristenmassen zu flüchten haben Tauben nun die Plätze für sich, so auch in Paris.
Bild: Keystone/AP Photo/Thibault Camus)
Die Champs Elysee in Paris ohne Stau, stattdessen lediglich zwei Ordnungshüter der berittenen Polizei auf einer der berühmtesten Strassen der Welt.
Bild: Keystone/AP Photo/Christophe Ena
Strassenmusiker Ron Sinclair spielt auf dem völlig vereinsamten Hollywood Boulevard in Los Angeles.
Bild: Keystone/AP Photo/Chris Pizzello
Lediglich ein Tuk-Tuk ist vor dem Grossen Palast in Thailands Hauptstadt Bangkok zu sehen.
Bild: Keystone/epa/Rungroj Yongrit
Ein Muss für Touristen in San Francisco ist Fisherman's Wharf. Doch auch hier ist derzeit keine Menschenseele zu sehen.
Bild: Keystone/AP Photo/Jeff Chiu
Auch in Moskau sind die Menschen seit Kurzem angehalten, in ihren Wohnungen zu bleiben. Das führt unter anderem zu einem völlig vereinsamten Roten Platz.
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Leere auch in den Strassen von Istanbul mit Blick auf den Galataturm.
Bild: Keystone/epa/Erdem Sahin
Auf die berühmte Karlsbrücke in Prag hat sich nur ein einzelner Passant verirrt.
Bild: Keystone
Ein einsamer Imbissstand in der Nähe des berühmten Times Square in New York zeigt, dass das Coronavirus auch die USA voll und ganz einnimmt. Wo sich sonst Touristen drängeln und Autos in Staus stehen, herrscht gähnende Leere.
Bild: Keystone
Eine Strasse im Schatten der grossen Notre Dame Kathedrale in Paris zeigt, dass in Frankreich die Menschen in ihren Häusern bleiben.
Bild: Keystone
Selbst im berühmten Amüsierviertel auf der Reeperbahn in Hamburg ist es menschenleer.
Bild: Keystone
Normalerweise stehen hier die Menschen Schlange, um sich das Kolosseum anzuschauen. Doch auch in Rom sind die Menschen angehalten, nicht aus dem Haus zu gehen.
Bild: Keystone
Um am Trevibrunnen in Rom eine Münze ins Wasser werfen zu können, muss man sich sonst zwischen Leuten hindurch drängeln. Aktuell findet man keine Menschenseele an der Touristenattraktion.
Bild: Keystone
Auch in Bern sind die Strassen inzwischen leer und verwaist.
Bild: Keystone
In Bayern wurden Ausgangsbeschränkungen verhängt – die Folgen sind leere Strassen und Plätze, so wie hier am Marienplatz zu sehen.
Bild: Keystone
Auf der berühmten Strasse «La Rambla» in Barcelona drängen sich das ganze Jahr über Touristen. Nun haben die Tauben die Einkaufsmeile für sich allein.
Bild: Keystone
Lediglich ein einzelner Velofahrer ist noch auf dieser Strasse in Wien unterwegs. Auch in Österreich gelten massive Einschränkungen im öffentlichen Leben.
Bild: Keystone
Die Ulica Piotrkowska im polnischen Lodz ist eine der längsten Einkaufsstrassen Europas. Doch an einen Shoppingbummel denkt hier aktuell niemand mehr.
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