Ukraine-Konflikt Russland bestreitet erneut Einmarschpläne für die Ukraine

AP/tpfi

29.1.2022

Ein bewaffneter Soldat geht durch einen Graben auf dem von prorussischen Kämpfern kontrollierten Gebiet an der Frontlinie mit den ukrainischen Regierungstruppen. 
Ein bewaffneter Soldat geht durch einen Graben auf dem von prorussischen Kämpfern kontrollierten Gebiet an der Frontlinie mit den ukrainischen Regierungstruppen. 
Bild: Alexei Alexandrov/AP/dpa

Moskau wolle keinen Krieg, sagt Aussenminister Lawrow. Der russische Präsident Putin spricht mit Frankreichs Präsident Macron. Und der ukrainische Präsident Selenskyj kritisiert eine fehlende Nato-Beitrittsperspektive.

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Russland wird nach Angaben von Aussenminister Sergej Lawrow keinen Krieg gegen die Ukraine beginnen. Russland wolle keinen Krieg, sagte Lawrow am Freitag in einem Interview mit russischen Radiosendern. «Aber wir werden nicht zulassen, dass unsere Interessen grob mit Füssen getreten und ignoriert werden.» US-Präsident Joe Biden hatte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen Tag zuvor gewarnt, dass Russland möglicherweise im Februar einen Einmarsch planen könnte.

«Es wird keinen Krieg geben, soweit es von der Russischen Föderation abhängt, wir wollen keinen Krieg», versicherte der Außenminister im Live-Interview. Er verwies auf Vorschläge der USA, über eine Begrenzung der Stationierung von Mittelstreckenraketen, Beschränkungen für militärische Übungen und Regeln zur Vermeidung von Unfällen zwischen Kriegsschiffen und Flugzeugen zu sprechen. Russland habe schon vor Jahren vorgeschlagen, diese Themen zu erörtern, aber Washington und seine Verbündeten hätten sie bis jetzt nie aufgegriffen, sagte Lawrow.

Gegen Osterweiterung der Nato

Der Minister bezeichnete die Vorschläge der USA zum Dialog über vertrauensbildende Massnahmen als vernünftig, betonte aber, Russlands Hauptanliegen bestehe darin, eine Osterweiterung der Nato und eine Stationierung von Waffen der Allianz in der Nähe der russischen Grenzen zu stoppen. Laut internationalen Vereinbarungen dürfe die Sicherheit einer Nation nicht auf Kosten der Sicherheit anderer gehen. Er werde seine westlichen Gesprächspartner schriftlich auffordern, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Ein Konvoi russischer gepanzerter Fahrzeuge bewegt sich auf einer Autobahn auf der Krim.
Ein Konvoi russischer gepanzerter Fahrzeuge bewegt sich auf einer Autobahn auf der Krim.
Bild: Uncredited/AP/dpa

Russland hat über 100’000 Soldaten nahe der ukrainischen Grenze zusammengezogen und damit schon seit Monaten Sorgen befeuert, es könnte im Nachbarland einmarschieren. Russland bestreitet dies vehement, stellte aber zugleich Forderungen an die USA und die Nato, die aus Sicht des Kremls die Sicherheit in Europa verbessern würden. Washington wies diese Forderungen zurück, zu denen ein dauerhafter Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine und anderer ehemaliger Sowjetrepubliken in das westliche Militärbündnis gehört.

Mittlerweile über 100’000 russische Soldaten an der Grenze

Der russische Präsident Wladimir Putin kritisierte in einem Videogespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Westen habe die russischen Kernforderungen eines Ausschlusses einer weiteren Ostausdehnung der Nato, eines Stopps der Stationierung von Waffen der Militärallianz nahe russischen Grenzen und eines Rückzugs von Nato-Kräften aus Osteuropa nicht in Betracht gezogen, wie der Kreml mitteilte. Putin sagte Macron nach Angaben des Kreml, Moskau werde die Antwort der USA und der Nato studieren, bevor es über den nächsten Schritt entscheide.

Vor dem Gespräch hatte Putin ein wöchentliches Treffen seines Sicherheitsrats abgehalten und lediglich gesagt, man widme sich aussenpolitischen Fragen.

Ein ukrainischer Soldat patrouilliert eine Strasse.
Ein ukrainischer Soldat patrouilliert eine Strasse.
Archivbild: Andriy Andriyenko/AP/dpa

Trotz der alarmierenden Rhetorik auf beiden Seiten bemühte sich die ukrainische Regierung um Gelassenheit. Verteidigungsminister Olexij Resnikow sagte am Freitag im Parlament, die Gesamtzahl der russischen Truppen in der Nähe der Ukraine - etwa 130’000 - sei vergleichbar mit Moskaus militärischer Aufstockung im Frühjahr 2021. Damals wurden die Truppen schliesslich zurückgezogen.

«Wir brauchen diese Panik nicht»

«Wir haben keine Ereignisse oder Aktionen militärischen Charakters beobachtet, die sich wesentlich von denen des letzten Frühjahrs unterscheiden», sagte Resnikow. Eine Ausnahme bilde die Truppenverlegung nach Belarus.

Präsident Selenskyj versuchte ebenfalls, die Ängste vor einem Krieg herunterzuspielen. Die Alarmiertheit des Westens mit Blick auf einen russischen Einmarsch habe viele Investoren an den Finanzmärkten des Landes zum Rückzug bewogen. «Wir brauchen diese Panik nicht», sagte er. Sie komme die Ukrainer teuer zu stehen. Zudem kritisiert er die Entscheidung der USA, Grossbritanniens, Australiens, Deutschlands und Kanadas, einige ihrer Diplomaten und weitere Personen aus Kiew abzuziehen, als «Fehler». «Das waren überflüssige Schritte, die nicht geholfen haben», sagte er. Selenskyj argumentierte, innere Destabilisierung stelle das grösste Risiko für die Ukraine dar.

Ukrainische Soldaten ruhen sich in einem Unterschlupf in der Region Luhansk in der Ostukraine aus.
Ukrainische Soldaten ruhen sich in einem Unterschlupf in der Region Luhansk in der Ostukraine aus.
Bild: Vadim Ghirda/AP/dpa

Er kritisierte zudem eine fehlende Nato-Beitrittsperspektive für sein Land. Das Militärbündnis solle es deutlich sagen, falls es nicht plane, die Ukraine aufzunehmen, statt vage Versprechungen abzugeben, sagte er. Mit Blick auf die Warnung der USA vor einem möglicherweise unmittelbar bevorstehenden russischen Einmarsch sagte er «wir sehen keine Eskalation, die grösser ist als bisher».