Lagebild UkrainePutin zettelt die Schlacht von Awdijwka an – und strauchelt
Von Philipp Dahm
12.10.2023
Wer ist die ukrainische Defence Industries Alliance?
38 Rüstungsunternehmen aus 19 Ländern haben sich im Herbst 2023 zu einer Allianz zusammengetan, um in der Ukraine Waffen und Munition herzustellen. Wer ist dabei und was soll hergestellt werden? Hier erfährst du es.
06.10.2023
Die russische Armee ergreift noch einmal die Initiative, bevor das Wetter wechselt. Dabei setzt der Kreml nach Langem mal wieder auf massive mechanisierte Vorstösse – und scheitert insbesondere in Awdijwka damit.
Von Philipp Dahm
12.10.2023, 19:33
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Moskaus Armee hat eine Offensive auf Awdijwka gestartet, an der angeblich 12'000 Soldaten und Hunderte Fahrzeuge beteiligt sind.
Ziel ist die Einkesselung der Stadt, die wie ein Stachel in russisch besetztem Territorium liegt.
Die Front hier steht aber schon seit 2014: Die Ukrainer haben die Stadt stark befestigt und sind eingegraben.
Russland hat hier seit dem 10. Oktober schwere Verluste hinnehmen müssen.
Auch im Norden und Süden hat die russische Armee angegriffen, aber kaum an Boden gewonnen.
Der Kreml muss etwas tun. Die russische Armee reagiert an den Fronten nur, statt zu agieren. Sie muss die Initiative ergreifen, wenn sie noch Boden gutmachen will, bevor das Wetter wechselt: In Donezk wird in einer Woche Regen bei Höchsttemperaturen von zwei Grad nachts und neun Grad am Tag erwartet.
Moskaus Militärs entscheiden sich für eine Offensive auf Awdijwka im Oblast Donezk. Gegen 5 Uhr morgens am 10. Oktober beginnt der Vorstoss: Die Stadt und ihre Umgebung werden unter schweres Artillerie-Feuer genommen, während an den Flanken Einheiten versuchen, Awdijwka einzukesseln.
Die russische Armee hat einiges aufgefahren: Zunächst ist von zwei, dann von drei Bataillonen die Rede, was rund 12'000 Soldaten entspricht. Unterstützt werden sie von Hunderten Panzern und gepanzerten Fahrzeugen sowie durch Jets und Helikopter aus der Luft.
Awdijwka – scheinbar gut für eine Offensive
Einerseits ist Awdijwka ein nahe liegendes Ziel: Die Stadt sitzt wie ein Stachel in russisch kontrolliertem Gebiet und wirkt an den Flanken exponiert. Zudem liegt sie auch noch unweit von Donezk und Makijwka mit ihren grossen Industriegebieten, in denen Moskau relativ unbemerkt Mensch und Material für eine Offensive sammeln kann.
Doch andererseits ist Awdijwka auch eine fürchterliche Wahl. Die Front verläuft in dieser Gegend schon seit 2014 so. In diesem Abschnitt sind es im Gegensatz zum Süden die Ukrainer, die sich eingegraben und ihre Stellungen stark befestigt haben. Gerüchteweise sind diese sogar mit Tunneln verbunden.
Video of Russian Mi-28 attack helicopters launching ATGMs on the Avdiivka front with a Mi-8. One Russian source claims they're Mi-28NM launching LMUR, though it doesn't look like they have the rotor mast mounted radar. 9/https://t.co/YF8ruvrRrxhttps://t.co/YrNtQg6IQLpic.twitter.com/bVLkljwoJ3
Als die Offensive beginnt, greifen kleinere Einheiten zur Ablenkung Awdijwka an, während sich zwei grosse Züge an den Flanken anschicken, die Zange um die Stadt zu schliessen. Kampfhelikopter greifen an, ohne beschossen zu werden – siehe obiger Post: Die ukrainische Flugabwehr scheint in diesem Sektor schwach zu sein.
Putins Plan geht nicht auf
Die nördliche Gruppe soll die Bahnlinie unterbrechen, kreuzen und das Dorf Stepove nehmen. Die südliche Gruppe soll das Dorf Sjeverne erobern. Im Dorf Orlivka in der Mitte treffen sich die Truppen – und kontrollieren damit auch die Strasse nach Awdiwjka. Das ist zumindest der Plan.
Doch der geht schief – im Falle des Panzers, der von einer Brücke fällt, noch bevor er die Front erreicht, ist das sogar wörtlich zu nehmen:
Schlacht um Awdijwka – die südliche Flanke
An der südlichen Flanke von Awdijwka startet der russische Vorstoss in Vodyane und soll bis Sjeverne führen, wofür drei Felder überquert werden müssen. Doch schon bei der Anfahrt ...
Bild: Google Earth
... passiert den Russen an einer provisorischen Brücke ein Missgeschick, als einer der Panzer – hier zu sehen – herunterfällt. Die Kolonne dreht daraufhin offenbar um. Das Video findest du hier.
Bild: @saintjavelin
Die russische Armee rückt vor – mit Infanterie oder mechanisierten Kolonnen mit jeweils circa fünf Panzern und fünf Schützenpanzern. Mit Mühe gelingt, die Baumreihe am Ende des ersten Feldes zu erreichen – ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... wobei die mechanisierten Einheiten jedoch grossteils auf der Strecke bleiben. Einem Schützenpanzer gelingt es, zwei Felder zu überqueren: Der prorussische Telegram-Kanal Rybar schreibt bereits von Kämpfen in Sjeverne.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Doch der versprengte Schützenpanzer wird vor dem Dorf schnell aufgerieben. Die Konzentration von Infanterie dahinter wird mit Streumunition beschossen. Zudem schwächen ukrainische Gegenangriffe die Russen in ihrer Flanke (blau markiert).
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Verluste sind enorm – auch russische Soldaten auf Motorrädern können das Ruder nicht herumreissen. Mehr in den Videos hier und hier.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Schlacht um Awdijwka – die südliche Flanke
An der südlichen Flanke von Awdijwka startet der russische Vorstoss in Vodyane und soll bis Sjeverne führen, wofür drei Felder überquert werden müssen. Doch schon bei der Anfahrt ...
Bild: Google Earth
... passiert den Russen an einer provisorischen Brücke ein Missgeschick, als einer der Panzer – hier zu sehen – herunterfällt. Die Kolonne dreht daraufhin offenbar um. Das Video findest du hier.
Bild: @saintjavelin
Die russische Armee rückt vor – mit Infanterie oder mechanisierten Kolonnen mit jeweils circa fünf Panzern und fünf Schützenpanzern. Mit Mühe gelingt, die Baumreihe am Ende des ersten Feldes zu erreichen – ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... wobei die mechanisierten Einheiten jedoch grossteils auf der Strecke bleiben. Einem Schützenpanzer gelingt es, zwei Felder zu überqueren: Der prorussische Telegram-Kanal Rybar schreibt bereits von Kämpfen in Sjeverne.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Doch der versprengte Schützenpanzer wird vor dem Dorf schnell aufgerieben. Die Konzentration von Infanterie dahinter wird mit Streumunition beschossen. Zudem schwächen ukrainische Gegenangriffe die Russen in ihrer Flanke (blau markiert).
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Verluste sind enorm – auch russische Soldaten auf Motorrädern können das Ruder nicht herumreissen. Mehr in den Videos hier und hier.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Der nördlichen Gruppe ergeht es kaum besser:
Schlacht um Awdijwka – die nördliche Flanke
Im Norden von Awdijwka rück die russische Armee mit mechanisierten Einheiten und Infanterie vor. Sie starten in Krasnohorwika im Oblast Donezk. Ihr Ziel ist, zunächst die Bahnlinie zu erobern.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Dabei fahren derart viele mechanisierte Einheiten auf, dass es auf den schmalen Strassen gar eine Art Stau gibt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Ein Teil der Truppe greift die Kohle-Mine an (Im Bild halbrechts ganz unten). Das Gros zieht aber nach Westen in Richtung des Dorfes Berdychi. Das Problem: Eine namenlose Siedlung, zwei Baum-Reihen und der Bahndamm ergeben eine gute Verteidigung.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Was die russische Armee erst erfahren muss: Die Gegenseite hat nachts eiligst noch Minen ausgelegt, ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... die hier im Bild – neben zwei kampfunfähigen Panzern – ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... und in diesem Bild zu sehen sind. Die kleinen Krater lassen die Minenexplosion erkennen, ein nicht explodiertes Exemplar ist per Pfeil gekennzeichnet.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die russische Seite behauptet, sie habe die Verteidigung an der Bahnlinie durchbrochen und stehe vor Berdychi. Realistischer ist das Gebiet als umkämpft einzustufen (in grau). Mehr im Video hier.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Schlacht um Awdijwka – die nördliche Flanke
Im Norden von Awdijwka rück die russische Armee mit mechanisierten Einheiten und Infanterie vor. Sie starten in Krasnohorwika im Oblast Donezk. Ihr Ziel ist, zunächst die Bahnlinie zu erobern.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Dabei fahren derart viele mechanisierte Einheiten auf, dass es auf den schmalen Strassen gar eine Art Stau gibt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Ein Teil der Truppe greift die Kohle-Mine an (Im Bild halbrechts ganz unten). Das Gros zieht aber nach Westen in Richtung des Dorfes Berdychi. Das Problem: Eine namenlose Siedlung, zwei Baum-Reihen und der Bahndamm ergeben eine gute Verteidigung.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Was die russische Armee erst erfahren muss: Die Gegenseite hat nachts eiligst noch Minen ausgelegt, ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... die hier im Bild – neben zwei kampfunfähigen Panzern – ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... und in diesem Bild zu sehen sind. Die kleinen Krater lassen die Minenexplosion erkennen, ein nicht explodiertes Exemplar ist per Pfeil gekennzeichnet.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die russische Seite behauptet, sie habe die Verteidigung an der Bahnlinie durchbrochen und stehe vor Berdychi. Realistischer ist das Gebiet als umkämpft einzustufen (in grau). Mehr im Video hier.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Mehr Panzer verloren als die Ukraine in Robotyne
Die Verluste der Russen schiessen in die Höhe: Reihenweise werden gepanzerte Fahrzeuge kampfunfähig gemacht und Hunderte Soldaten lassen in den Sturmangriffen ihr Leben. Erspähen ukrainische Drohnen eine russische Kolonne, zerstört die Artillerie das Frontfahrzeug, um dann mit Streumunition absitzende Soldaten anzugreifen.
Ukraine is delivering devastating blows to the Russian offensive towards Avdiivka.
The Russians have lost more than 15 tanks and 30 infantry fighting vehicles over the past 48 hours. pic.twitter.com/FFmtFZN56r
Dass der Kreml seit der sinnlosen Schlacht um Wuhledar mal wieder auf Panzer und Schützenpanzer setzt, zahlt sich so gar nicht aus: In nicht einmal vier Tagen hat Russland mehr Panzer verloren als Kiew in der Gegenoffensive bei Robotyne in vier Monaten.
Um die 100 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge wollen die Ukrainer beschädigt oder zerstört haben, über 1000 russische Soldaten sollen verletzt oder gefallen sein. Das lässt sich nicht überprüfen, doch mit Blick auf Videos auf Social Media scheinen Putins Verluste hoch zu sein. Das würde auch erklären, warum mechanisierte Angriffe aufgehört haben und nun auch weniger Infanterie gegen die Verteidiger anläuft.
Russische Verluste auch im Norden und im Süden
Doch nach dem Angriff ist vor dem Gegenangriff: Ob der russische Vorstoss gescheitert ist, lässt sich noch nicht sagen, schreibt ein ukrainischer Reserveoffizier auf X. Die Lage sei für beide Seiten herausfordernd. Und: Nicht nur bei Awdijwka erhöht Putin den Druck.
116th Territorial Defense Brigade of Ukraine takes part in repulsing Russian large scale attack on Avdiivka. Video shows a Russian tank with infantry on top of its turret and other armored vehicles stopped by Ukrainian minefield. https://t.co/R6Y7VkF0s5pic.twitter.com/lOfWGElU9L
Auch im Norden an der Front Kupjansk-Swatow-Kreminna sind russische Truppen vorgerückt – bisher mit mässigem Erfolg beim Dorf Makijwka im Oblast Luhansk. Im Einsatz für Moskau ist die 3. Motorisierte Schützendivision, die von der 25. Armee der verbundenen Waffen unterstützt wird, die erst im Mai 2023 ausgehoben worden ist.
Avdiivka is not the only sector where Russians are losing a lot of gear. Coming from the Lyman-Kreminna front this video shows 15 knocked out Russian tanks, including three T-90M.
Sie treffen auf die 66. Mechanisierte Brigade der Ukrainer mit starken Panzerabwehr-Fähigkeiten. Die Folge: Wie im obigen Post beschrieben, soll der Kreml hier in zwei Tagen 15 Panzer verloren haben – darunter drei relativ moderne T-90M.
Heftige Verluste hat Russland auch im Süden des Schlachtfeldes erlitten, berichtet Military Lab unter Berufung auf ukrainische Videos. Moskaus Männer haben sich an einem Gegenangriff von Nowoprokpiwka auf Robotyne versucht und auch dort Panzer verloren. Die Ukrainer versuchen weiter die Flanken zu stärken und Nowoprokpiwka weiter einzuschnüren.