Lagebild Ukraine Darum gibt's weder für Selenskyj noch für Putin 2023 was zu holen

Von Philipp Dahm

6.10.2023

Wer ist die ukrainische Defence Industries Alliance?

Wer ist die ukrainische Defence Industries Alliance?

38 Rüstungsunternehmen aus 19 Ländern haben sich im Herbst 2023 zu einer Allianz zusammengetan, um in der Ukraine Waffen und Munition herzustellen. Wer ist dabei und was soll hergestellt werden? Hier erfährst du es.

06.10.2023

Der Krieg in der Ukraine verläuft im Sande der Schützengräben und Verteidigungslinien: Seit Jahresbeginn konnte keine Seite Boden gutmachen. Das wird sich im Herbst und Winter kaum ändern.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Im August und September hat die ukrainische Armee jeweils nur 35 Quadratkilometer Territorium befreien können.
  • Die «New York Times» attestiert, ein Durchbruch sei «schwerer denn je» zu erreichen.
  • Der nächste ukrainische Angriff bei Robotyne verzögert sich, weil die Armee erst ihre Flanke sichern müssen.
  • Bei Bachmut haben Kiews Kräfte den Bahndamm überquert, der dort die russische Verteidigungslinie bildet.
  • Experten betonen, wie stark die russische Verteidigung im Süden ist. Grosse Gebietsgewinne sind dort nicht zu erwarten.

Wie läuft der Krieg in der Ukraine? Es geht nur schleppend voran: Im September haben die ukrainischen Streitkräfte ebenso viel Territorium befreien können wie im August, weiss X-User WarMapper – es sind rund 35 Quadratkilometer. 17,48 Prozent des Landes bleiben damit von Russen besetzt.

WarMapper zeigt auch eine Grafik, die vielsagend ist: Sie zeigt sehr anschaulich, wie wenig Land seit Beginn des Krieges erobert und zurückerobert worden ist.

Natürlich nimmt Russland im März kurzfristig viel Territorium ein, doch ausser im September und Oktober 2022, als Kiew die Offensiven in Charkiw und Cherson durchführt, bewegt sich kaum etwas.

Die Grafik von WarMapper veranschaulicht, wie langsam der Krieg in der Ukraine vorankommt.
Die Grafik von WarMapper veranschaulicht, wie langsam der Krieg in der Ukraine vorankommt.
@War_Mapper

Kein Wunder, dass die «New York Times» titelt: «Wer gewinnt in der Ukraine am Boden? Dieses Jahr niemand.» Und weiter heisst es: «Nach 18 Monaten Krieg scheint ein Durchbruch schwerer zu sein denn je.» Demnach hat Russland seit Jahresbeginn etwa 487 Quadratkilometer dazugewonnen – trotz der ukrainischen Gegenoffensive. Das ist weniger Land als etwa eine Stadt wie Kiew oder New York einnimmt.

(Link zum obigen Post)

Robotyne: Kiew muss zuerst die Flanke sichern

An der Front nördlich Robotyne bestätigt sich die Analyse der «New York Times». Noch kann Russland Nowoprokopiwka halten – und die ukrainische Armee läuft Gefahr, in der Flanke angegriffen zu werden. Darum rücken Kiews Kräfte zunächst nach Osten in Richtung Kopani vor, um so einen Zug zu vermeiden.

Die Front bei Robotyne: Ukrainische Truppen rücken nach Westen nach Kopani vor, um die Flanke derjenigen Einheiten zu schützen, die vor Nowoprokopiwka stehen.
Die Front bei Robotyne: Ukrainische Truppen rücken nach Westen nach Kopani vor, um die Flanke derjenigen Einheiten zu schützen, die vor Nowoprokopiwka stehen.
YouTube/Reporting from Ukraine

Problematisch ist ausserdem, dass Moskaus Männer eine Anhöhe im Süden von Nowoprokopiwka halten, von der aus sie die Siedlung gut gegen Angriffe aus dem Norden verteidigen können. Diese Stellung müssten ukrainische Truppen zeitgleich angreifen, wenn sie gegen Nowoprokopiwka vorgehen wollen.

Höhenkarte der Front bei Robotyne. Rot eingekreist: die erhöhte russische Stellung, die Nowoprokopiwka verteidigt.
Höhenkarte der Front bei Robotyne. Rot eingekreist: die erhöhte russische Stellung, die Nowoprokopiwka verteidigt.
YouTube/Reporting from Ukraine

Reporting from Ukraine berichtet, dass die Ukrainer hier vor allem nachts angreifen, um ihre Überlegenheit in Sachen Nachtsicht auszunutzen. Russische Quellen berichten zwar von erfolgreichen Gegenangriffen bei Werbowe und Robotyne, doch nachweisen lassen sich diese nicht.

(Link zum obigen Post)

Bei Bachmut kommt die Ukraine schneller voran

Im Süden von Bachmut führt die russische Armee mechanisierte Einheiten und Panzer nach, um die Verteidigung zu stärken. Das passiert aber nicht unbemerkt: Laut Military Lab haben ukrainische Drohnen sechs Panzer zerstört, noch bevor sie die Front erreicht haben.

Der Frontabschnitt südlich von Bachmut. Eingekreist: der angebliche Durchbruch durch die russische Verteidigungslinie.
Der Frontabschnitt südlich von Bachmut. Eingekreist: der angebliche Durchbruch durch die russische Verteidigungslinie.
YouTube/Military Lab

Nach anderen Quellen soll es in zwei Tagen sogar zehn russische Panzer erwischt haben – darunter auch ein moderner T-90M. Bei Andriivka soll es den ukrainischen Truppen gelungen sein, sich östlich des Bahndamms festzusetzen, der bisher die russische Verteidigungslinie gebildet hat.

(Link zum obigen Post)

Es fällt auf, dass Kiews Kräfte hier mit weniger Mitteln schneller vorrücken als im Süden, denn hier konnte die Defensive nicht so stark ausgebaut werden wie in Saporischschja und Cherson. Allerdings folgt auch hier irgendwann die Verteidigungslinie, die 2014 angelegt worden war.

Der obige Post zeigt einen Vorstoss ukrainischer Soldaten: Ein M113-Transportpanzer liefert unter dem Schutz eines T-60 und eines Schützenpanzers vom Typ CV90 Soldaten an einem Schützengraben ab. Die Fahrzeuge werden zwar von der generischen Artillerie anvisiert, doch sie schiesst viel zu ungenau, sodass sich das Trio nach erledigtem Auftrag unversehrt zurückziehen kann.

Warum es 2023 wohl nichts mehr zu gewinnen gibt

Doch warum sollten Wladimir Putin wie auch Wolodymyr Selenskyj 2023 nichts mehr zu lachen haben? Könnte zum Ende des Jahres nicht noch was passieren? Natürlich kann die ukrainische Armee Nowoprokopiwka im Süden noch einnehmen. Doch was kommt danach?

(Link zum obigen Post)

Es folgen weitere Verteidigungslinien vor Tokmak, die noch verstärkt und ausgebaut worden sind. Viele Beobachter unterschätzen, wie gut die russischen Streitkräfte sich dort auf die Gegenoffensive vorbereitet haben, schreibt X-User Tatarigami_UA, ein ukrainischer Reserveoffizier.

«Scheinbar unwichtige Baumreihen verstecken gut eingerichtete russische Positionen, die befestigt sind und von ausgiebigen Minenfeldern ergänzt werden», so Tatarigami_UA. Erschwert würden Angriffe von beobachtenden Drohnen, die Moskaus Artillerie auf den Plan rufen. Zudem muss die ukrainische Armee sich russischer Luftangriffe erwehren.

(Link zum obigen Post)