Lagebild UkrainePutin macht Dampf an der Winter-Front
Von Philipp Dahm
15.12.2023
Was sich für Selenskyj im Vergleich zum Vorjahr alles geändert hat
What a Difference a Year Makes: Die Lage in der Ukraine sieht im Dezember 2023 so ganz anders aus als in der Vorweihnachtszeit 2022. Was sich zum Besseren und Schlechteren gewandelt hat, erfährst du im Video.
12.12.2023
Obwohl der Winter aufzieht, hat Russland in der Ukraine die Initiative ergriffen und kann minimale Erfolge verzeichnen. Nur in der Schlacht um Awdijwka kommt Putin nicht voran – was auch immer die Armee versucht.
Von Philipp Dahm
15.12.2023, 00:00
15.12.2023, 08:43
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die russische Armee hat auf breiter Front die Initiativ ergriffen.
Moskau kann sich über minimale Erfolge vor Kupjansk, bei Bachmut, in Marjinka und bei Robotyne freuen. Ob die Gewinne von Dauer sind, bleibt abzuwarten.
In der Schlacht um Bachmut bleiben die russischen Verluste hoch, während der Kreml alternative Wege in die Stadt suchen lässt.
Der Dnipro-Brückenkipf bei Krynky hält: Für den Kreml hat er keine Priorität.
In Donezk schüttet es, und der Regen geht in der Nacht in Schnee über. Am Wochenende steigt das Thermometer nicht über minus ein Grad. Das sind eigentlich keine guten Voraussetzungen für militärische Offensiven. Und dennoch ist Wladimir Putins Armee erstaunlich aktiv. Der Präsident braucht Erfolge: Im März wird gwählt.
Dabei verzeichnet der Kreml durchaus Erfolge – auch wenn diese eher klein und taktisch kaum bedeutend sind. Im Norden der Front, wo stetig Druck auf die Verteidiger ausgeübt wird, machen die Angreifen ein paar Meter vor dem Dorf Synkivka gut. Das muss aber nicht von Dauer sein: Der nächste Gegenangriff kommt bestimmt.
Auch bei Bachmut haben die Russen die Initiative. Auch hier sind die Fortschritte klein, aber stetig. Im Norden der Stadt kommen die Einheiten dem Dorf Bohdanivka näher, im Westen von Bachmut dem Dorf Ivanivske und im Süden drängen die Russen die Ukrainer bei Klischtschijwka zurück.
Nicht in der obigen Karte eingezeichnet ist ein russischer Vorstoss im Westen von Klischtschijwka, bei dem der Bahndamm überschritten worden ist. Genau von diesem erhöhten Gelände aus konnten die Ukrainer in diesem Jahr den Ort erobern. Nun scheint es der Gegner zu probieren.
Erbitterter Kampf um Awdijwka
Wer der Front nach Süden folgt, stösst auf ihren aktuellen Mittelpunkt. Noch vor Awdijwka steckt jedoch ein kleiner Dorn im russischen Fleisch: Bei Horliwka hat die ukrainische Armee zugestossen, um in der besetzten Stadt Truppen zu binden. Nun wurde angeblich bei Shumy ein Müllberg eingenommen, von dem aus das Gelände gut zu überwachen ist.
Awdijwka bleibt im Dezember im Fokus: Die bisherigen enormen Verluste haben Moskau nicht davon abgebracht, die Festung einnehmen zu wollen. Immer wieder wird nach einem neuen Weg gesucht, in die Stadt einzudringen:
Erbitterter Kampf um Awdijwka
In der seit zwei Monaten tobenden Schlacht um Awdijwka sind nach US-Schätzung rund 13'000 Russen gefallen oder verletzt worden. Um die 27'000 Truppen verbleiben. Wie zäh der Kampf ist, zeigt Mitte Dezember 2023 Reporting from Ukraine.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Zuletzt hatte dir russische Armee immer wieder erfolglos versucht, die Dörfer Stepowe und Berdychi (gelb umrandet) einzunehmen, um den Nachschub nach Awdijwka zu stören. Hier gab es aber kein Durchkommen.
Deshalb versucht es Moskau mit einem Angriff auf den Bahnhof (kleines gelbes Rechteck): Würde der erobert, könnte der Nachschub in die Stadt ebenfalls unterbrochen werden. Ein Hindernis ist das stark befestigte Industrieviertel (grosses gelbes Rechteck).
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Problematisch ist der eigene Nachschub in exponiertem Gelände. Die Truppen können für die Attacke zudem nicht konzentriert werden.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Ein Gewässer teilt das Gelände in zwei Teile: Im westlichen gibt es eine Pumpstation und ein Wäldchen, im östlichen liegen Ferienhäuser.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Attacke auf die Pumpstation erfolgt durch offenes Gelände und führt für die meisten Angreifer in den Tod. Mörserfeuer und die 110. Mechanisierte Brigade schlagen die Russen zurück.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Auf der anderen Seite erreichen einige russische Soldaten die Ferienhäuser, die anderen geraten ins Kreuzfeuer. Ein Panzer zerstört schliesslich jene Datschen, die als Deckung genutzt werden.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Im Osten von Awdijwka hat ein massive Bombardement von Artillerie und Kampfjets das vorgelagerte Industriegebiet sturmreif geschossen: Die Verteidiger mussten sich zurückziehen.
Die Russen wollen weiter zu einem Steinbruch vorgestossen sein, der aber tiefer liegt und kaum für Angriffe taugt. Die Flanken sind exponiert: Vorerst stecken die Russen fest und werden von Drohnen gejagt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Andere Wege in die Stadt führen an einem Restaurant (kleiner gelber Kreis) oder eine frühere Basis der Luftverteidigung (lila Rechteck) vorbei. Moskau lässt eine Attacke von der Stadt Spartak aus testen.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die gut befestigten Überbleibsel der Basis wehren das nicht nur ab: Ein ukrainischer Gegenangriff auf Spartak trifft erfolgreich die Russen, die sich dort für den grösseren Angriff gesammelt haben.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Weil sie selbst alles eingeebnet haben, fehlt den Russen im Industriequartier die Deckung und die Flanken sind exponiert.
Weil die Versorgung der dortigen Truppen so gefährlich ist, setzt Russland erstmals ein Drohnen-Fahrzeug ein, das jedoch einer ukrainischen Drohe zum Opfer fällt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Sammel- und Nachschub-Zentren im Hinterland sind beliebte Ziele der ukrainischen Artillerie.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Zuletzt haben die Russen in einem Waldgebiet einen Scheinangriff gestartet, um dann ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... nach eigener Darstellung bis zu den ersten Wohnvierteln vorzudringen. Beweise gibt es dafür nicht und ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... eine Attacke durch tiefes Gelände beim Steinbruch scheint auch wenig opportun zu sein.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
An der südlichen Zange ist die Front übrigens schon seit Wochen stabil. Im Norden und Osten könnten die Verteidiger das Gröbste überstanden haben.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Erbitterter Kampf um Awdijwka
In der seit zwei Monaten tobenden Schlacht um Awdijwka sind nach US-Schätzung rund 13'000 Russen gefallen oder verletzt worden. Um die 27'000 Truppen verbleiben. Wie zäh der Kampf ist, zeigt Mitte Dezember 2023 Reporting from Ukraine.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Zuletzt hatte dir russische Armee immer wieder erfolglos versucht, die Dörfer Stepowe und Berdychi (gelb umrandet) einzunehmen, um den Nachschub nach Awdijwka zu stören. Hier gab es aber kein Durchkommen.
Deshalb versucht es Moskau mit einem Angriff auf den Bahnhof (kleines gelbes Rechteck): Würde der erobert, könnte der Nachschub in die Stadt ebenfalls unterbrochen werden. Ein Hindernis ist das stark befestigte Industrieviertel (grosses gelbes Rechteck).
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Problematisch ist der eigene Nachschub in exponiertem Gelände. Die Truppen können für die Attacke zudem nicht konzentriert werden.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Ein Gewässer teilt das Gelände in zwei Teile: Im westlichen gibt es eine Pumpstation und ein Wäldchen, im östlichen liegen Ferienhäuser.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Attacke auf die Pumpstation erfolgt durch offenes Gelände und führt für die meisten Angreifer in den Tod. Mörserfeuer und die 110. Mechanisierte Brigade schlagen die Russen zurück.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Auf der anderen Seite erreichen einige russische Soldaten die Ferienhäuser, die anderen geraten ins Kreuzfeuer. Ein Panzer zerstört schliesslich jene Datschen, die als Deckung genutzt werden.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Im Osten von Awdijwka hat ein massive Bombardement von Artillerie und Kampfjets das vorgelagerte Industriegebiet sturmreif geschossen: Die Verteidiger mussten sich zurückziehen.
Die Russen wollen weiter zu einem Steinbruch vorgestossen sein, der aber tiefer liegt und kaum für Angriffe taugt. Die Flanken sind exponiert: Vorerst stecken die Russen fest und werden von Drohnen gejagt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Andere Wege in die Stadt führen an einem Restaurant (kleiner gelber Kreis) oder eine frühere Basis der Luftverteidigung (lila Rechteck) vorbei. Moskau lässt eine Attacke von der Stadt Spartak aus testen.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die gut befestigten Überbleibsel der Basis wehren das nicht nur ab: Ein ukrainischer Gegenangriff auf Spartak trifft erfolgreich die Russen, die sich dort für den grösseren Angriff gesammelt haben.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Weil sie selbst alles eingeebnet haben, fehlt den Russen im Industriequartier die Deckung und die Flanken sind exponiert.
Weil die Versorgung der dortigen Truppen so gefährlich ist, setzt Russland erstmals ein Drohnen-Fahrzeug ein, das jedoch einer ukrainischen Drohe zum Opfer fällt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Sammel- und Nachschub-Zentren im Hinterland sind beliebte Ziele der ukrainischen Artillerie.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Zuletzt haben die Russen in einem Waldgebiet einen Scheinangriff gestartet, um dann ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... nach eigener Darstellung bis zu den ersten Wohnvierteln vorzudringen. Beweise gibt es dafür nicht und ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... eine Attacke durch tiefes Gelände beim Steinbruch scheint auch wenig opportun zu sein.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
An der südlichen Zange ist die Front übrigens schon seit Wochen stabil. Im Norden und Osten könnten die Verteidiger das Gröbste überstanden haben.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Im Moment scheint es so, als sei die ukrainische Verteidigung stabil. Im Norden von Awdijwka gelingt es der russischen Armee nicht, den Bahndamm zu überwinden. Das liegt auch an Waffen aus dem Westen. Das unten stehende Video zeigt den Einsatz eines M2A2 Bradley. Die Feuerkraft wie auch die Kadenz sind furchteinflössend.
Der Bradley ist auch gegen gepanzerte Einheiten effektiv, beweist dieser Clip:
Russland nimmt angeblich Marjinka ein
25 Kilometer südlich von Awdijwka befindet sich Marjinka: Beide Orte liegen eigentlich schon seit 2014 an der Front. Die Kleinstadt ist vollkommen zerstört: Seit November 2022 lieben dort keine Zivilisten mehr. Moskau meldet nun, Marjinka eingenommen zu haben. Die Gegenseite will dagegen noch einen Teil des Gebiets halten.
At the moment, Russia is grinding forward almost everywhere on the front, creating a bit of ambiguity as to their intentions. The overall operational trajectory in Donetsk Oblast, however, is fairly clear. With Marinka captured, they will advance up the N15 line to Kurakhove. (1) pic.twitter.com/jWLHbCT1aS
Und auch bei Robotyne, wo die ukrainische Armee ja ursprünglich über Tokmak ans Meer vorstossen wollte, ist es Russland, das vorrückt – auch wenn dabei nur wenig Boden gutgemacht wird.
Was den Ukrainern bleibt, ist der Brückenkopf in Krynky am rechten, östlichen Dnipro-Ufer. Dank der Deckung durch Artillerie und Drohnen können sich die Marineinfanteristen behaupten. Auch mechanisierte Einheiten werden abgewehrt, zeigt unten stehendes Video.
Laut Wladimir Putin hat Kiew den Brückenkopf lediglich für «mediale Unterstützung» und aus «politischen Gründen» errichtet. Es sei deshalb zunächst auch nicht prioritär, ihn aufzulösen. Und so muss sich der Kreml für seine Existenz auch nicht schämen.