Selenskyj zeigt sich trotz stockender Militärhilfe siegessicher
Ein Selfie mit dem Präsidenten. Am Tag der Streitkräfte besuchte Wolodymyr Selenskyj am 6. Dezember ein Militärkrankenhaus in Kiew, um verwundete Soldaten zu würdigen und ihnen für ihren Einsatz im Krieg gegen Russland zu danken. In einer Videobotschaft hatte sich der ukrainische Präsident zuvor zuversichtlich im Kampf gegen die Invasoren gezeigt, trotz stockender Finanz- und Militärhilfe aus dem Westen.
07.12.2023
Befestigungen statt Gegenoffensive: Schwindende Hilfe aus dem Westen forciert einen Taktik-Wechsel in Kiew. Dass die Armee auch in der Defensive offensiv werden und hohe Verluste verursachen kann, zeigt Awdijwka.
Philipp Dahm
07.12.2023, 17:15
14.12.2023, 19:14
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der US-Kongress gibt keine weiteren Ukraine-Hilfen frei: Laut Experten stagniert oder schwindet die Unterstützung des Westens.
Auch das sorgt dafür, dass Kiew seine Taktik überdenkt: Die Gegenoffensive ist vorbei – nun ist Defensive gefragt.
Auch Verteidiger können offensiv sein: Im Norden von Awdijwka fügt die ukrainische Armee den Russen erneut schwere Verluste zu.
Kiews Kräfte sind eigentlich nirgendwo mehr in der Offensive. Bei Bachmut und im Norden der Front kommt – wenn überhaupt – Russland voran.
Für Wolodymyr Selenskyj geht das Jahr düster zu Ende. Nicht nur wegen der kurzen Wintertage. Lange Gesichter gibt es in Kiew wegen der erlahmenden Hilfe aus dem Westen. Gerade hat sich der US-Kongress erneut geweigert, dem Weissen Haus die Mittel für die Ukraine freizugeben: Washington macht Wladimir Putin damit «das grösste Geschenk», kommentierte Joe Biden konsterniert.
Aid to Ukraine has fallen to historic lows, Kiel Institute of World Economics reports.
Between August and October 2023, the total value of the new packages is estimated to be just €2.11 billion, the lowest amount since January 2022. pic.twitter.com/LnAI69Cgce
«Die Dynamik der Unterstützung für die Ukraine hat nachgelassen» attestiert dann auch das Kiel Institut für Weltwirtschaft. «Die neu zugesagte Hilfe hat zwischen August und Oktober 2023 einen Tiefstand erreicht – sie ist um fast 90 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2022 gesunken.»
Swedish-supplied Stridsvagn 122 (Leopard 2A5) in service with the Ukrainian 21st Mechanized Brigade. pic.twitter.com/WdQsIJTJYe
Auch das ist ein Grund dafür, dass die ukrainische Gegenoffensive vorbei ist – oder sogar «gescheitert». Wolodymyr Selensky nannte es eine «neue Phase», in die der Krieg eingetreten sei. Die Front solle nun befestigt werden. Mychajlo Podoljak, Berater des Präsidialamts der Ukraine, schreibt auf X, es müsse «taktische Anpassungen» geben: «Wir sind bereits dabei, eine andere Kriegstaktik anzuwenden.»
Undoubtedly, the winter and the analysis of our own and the enemy's resource capabilities require adjustments in tactics. On the frontline and in the cities, we are already moving to a different tactic of warfare - effective defense in certain areas, continuation of offensive…
Die Realität ist, dass die ukrainische Armee allenfalls am linken, östlichen Dnipro-Ufer noch offensiv vorgeht, doch nachhaltig ist das ohne einen ungefährdeten Nachschubweg über den Fluss nicht. Stattdessen spielt Russland gerade sein Übergewicht an Mensch und Material aus.
Verteidiger greifen in Awdijwka an
Das zeigt sich in Awdijwka besonders schonungslos: Der Kreml schickt Welle um Welle gegen die Stadt. Ziel ist es, den Nachschubweg von Westen her zu kappen, um die Festung zur Aufgabe zu zwingen. Das könnte über eine Zangenbewegung über die vorgelagerten Dörfer geschehen – oder durch die Einnahme des nordwestlichen Industriequartiers der Stadt.
Die ukrainische Armee ist aber nicht nur in der Defensive. Denn zu einer guten Verteidigung gehören durchaus gezielte Gegenangriffe. Zu sehen ist das im Kampf um das Industriequartier von Awdijwka:
Schwere Kämpfe im Norden von Awdijwka
Russische Truppen rücken Anfang Dezember 2023 auf Stepowe vor. Es geht aber nicht darum, die Dörfer zu erobern und die Zange um Awdijwka zu schliessen. Denn der Weg über das Industriequartier (gelb umrandet) ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... würde schneller dazu führen, dass der Nachschub in die Festung unterbrochen werden kann. Weil aber nicht nur in der Industrie-Ruine verteidigt wird, sondern auch aus Stellungen in den Feldern nördlich davon, kommen die Russen nicht weiter.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Um nicht gruppenweise von Drohnen getötet zu werden, verteilt sich die Infanterie auf die Deckung des Bahndamms und in den Baum-Reihen der Felder davor.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Dann erfolgt ein konzentrierter Angriff dieser Truppen auf die Stellungen nördlich von Awdijwka. Das Vorgehen zahlt sich aus: Die Russen können bis zur ersten Baum-Reihe vordringen.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Verteidiger schiessen, bis ihnen die Munition ausgeht. Ein Drohnen-Video zeigt, dass zwei Ukrainer hingerichtet werden, als sie sich daraufhin ergeben. Sie gehören zur 47. Selbstständige mechanisierte Brigade, die erst 2022 ausgehoben worden ist.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die 47. Selbstständige mechanisierte Brigade geht in den Gegenangriff über: Sie fährt mit einem Bradley-Schützenpanzer vor, der Deckung gibt, während die Infanterie über die Seiten angreift.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Mit Unterstützung von Drohnen wird das Procedere wiederholt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die 47. Selbstständige mechanisierte Brigade geht in den Gegenangriff wieder und eliminiert die Russen, berichtet Reporting from Ukraine. Die wiederum nutzen den Moment, um nach Stepwoe vorzurücken.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Doch auch dort ist die Verteidigung stark: Die Russen ziehen sich ungeordnet zurück und werden dabei mit Drohnen gejagt. In der Baum-Reihe filmt eine ukrainische Drohne am nächsten Tag zahlreiche Tote.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Wegen der vielen Verluste stapeln sich in der Folge in Rostow am Don die Särge in den Krematorien.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
In der nächsten Attacke werden rund 100 Soldaten aufgeboten, die Unterstützung von zehn Panzern bekommen. Die werden jedoch schon bei der Anfahrt durch Drohnen zerstört oder kehren um.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Trotz der Verluste lassen die Russen nicht nach. Sie werden wieder versuchen, die Verteidigung im Norden von Awdijwka zu knacken.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Schwere Kämpfe im Norden von Awdijwka
Russische Truppen rücken Anfang Dezember 2023 auf Stepowe vor. Es geht aber nicht darum, die Dörfer zu erobern und die Zange um Awdijwka zu schliessen. Denn der Weg über das Industriequartier (gelb umrandet) ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... würde schneller dazu führen, dass der Nachschub in die Festung unterbrochen werden kann. Weil aber nicht nur in der Industrie-Ruine verteidigt wird, sondern auch aus Stellungen in den Feldern nördlich davon, kommen die Russen nicht weiter.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Um nicht gruppenweise von Drohnen getötet zu werden, verteilt sich die Infanterie auf die Deckung des Bahndamms und in den Baum-Reihen der Felder davor.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Dann erfolgt ein konzentrierter Angriff dieser Truppen auf die Stellungen nördlich von Awdijwka. Das Vorgehen zahlt sich aus: Die Russen können bis zur ersten Baum-Reihe vordringen.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Verteidiger schiessen, bis ihnen die Munition ausgeht. Ein Drohnen-Video zeigt, dass zwei Ukrainer hingerichtet werden, als sie sich daraufhin ergeben. Sie gehören zur 47. Selbstständige mechanisierte Brigade, die erst 2022 ausgehoben worden ist.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die 47. Selbstständige mechanisierte Brigade geht in den Gegenangriff über: Sie fährt mit einem Bradley-Schützenpanzer vor, der Deckung gibt, während die Infanterie über die Seiten angreift.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Mit Unterstützung von Drohnen wird das Procedere wiederholt.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die 47. Selbstständige mechanisierte Brigade geht in den Gegenangriff wieder und eliminiert die Russen, berichtet Reporting from Ukraine. Die wiederum nutzen den Moment, um nach Stepwoe vorzurücken.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Doch auch dort ist die Verteidigung stark: Die Russen ziehen sich ungeordnet zurück und werden dabei mit Drohnen gejagt. In der Baum-Reihe filmt eine ukrainische Drohne am nächsten Tag zahlreiche Tote.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Wegen der vielen Verluste stapeln sich in der Folge in Rostow am Don die Särge in den Krematorien.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
In der nächsten Attacke werden rund 100 Soldaten aufgeboten, die Unterstützung von zehn Panzern bekommen. Die werden jedoch schon bei der Anfahrt durch Drohnen zerstört oder kehren um.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Trotz der Verluste lassen die Russen nicht nach. Sie werden wieder versuchen, die Verteidigung im Norden von Awdijwka zu knacken.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Siehe auch:
The latest Russian assault against Stepove north of Avdiivka ended like the previous assaults, in a disaster. At least two MT-LBs and around a dozen dead Russians litter the ground. According the source there were even 4 destroyed IFVs and 40 killed Russians.
Zu einer guten Verteidigung gehört auch, kommende Angriffe unmöglich zu machen. Der nördliche Teil der russischen Zange wurde von Horliwka aus versorgt, doch nach der Sprengung einer Brücke läuft nun alles über Donezk. Und dort haben HIMARS-Raketenwerfer zugeschlagen und ein Nachschubzentrum der Russen getroffen.
Also, today it was reported that the tanks with fuel and lubricants were targeted in Donetsk today pic.twitter.com/l46Rg6OCX6
Während in Vorstösse in Saporischschja, bei Robotyne und Urozhaine jetzt offenbar kaum mehr Energie gesteckt wird, wird die ukrainische Arme an anderen Orten langsam und zäh wieder zurückgedrängt.
Südlich von Bachmut bei Klischtschijwka und nördlich der Stadt bei Yahidne verliert Kiew an Boden.
Auch weiter nördlich bei Kreminna geht nichts voran. Hier eine aktuelle Karte der Lage:
Und so sah es am 28. Juli 2023 aus:
Waffen-Update
Die Ukraine erhält ein weiteres Waffen-Paket aus den USA. Wer nun zu Recht einwendet, der Kongress habe doch die Mittel blockiert, rechnet nicht damit, dass von den genehmigten Finanzen nicht alle ausgeschöpft sind. 4,8 Milliarden Dollar liegen noch in einem Topf, über den der Präsident verfügt. Und 1,1 Milliarden stehen in Form von Material zur Verfügung, meldet Pentagon-Sprecher Pat Ryder.
Pentagon and defence industry partners have provided Ukraine with technology for the production of FrankenSAM hybrid air defense systems, which are manufactured using Ukraine's legacy air defense systems by integrating certain Western equipment.
Das jüngste Paket umfasst Munition im Wert von 175 Millionen Dollar: Dazu zählen 105-Millimeter- und 155-Millimeter-Granate für die Artillerie, Flugabwehr-, Himars-, Anti-Radar-, und Panzerabwehr-Raketen sowie Minenräumgerät.
Das ukrainische Verteidigungsministerium hat dem Pentagon laut «Reuters» trotz der Umstände eine Wunschliste gesandt: Darauf stehen demnach F/A18- und F-16-Kampfjets, Transportflugzeuge vom Typ C-17 Globemaster und C-130 Super Hercules, Helikopter vom Typ AH-64 0 und UH-60 Black Hawk, Abrams-Panzer, Artillerie, ATACMS-Reketen und das Flugabwehrsystem THAAD.