«Er ist ein lebender Toter» Prigoschin lebt nach Wagner-Aufstand auch im Exil gefährlich

Von Stefan Michel

26.6.2023

Putin entscheidet Machtkampf für sich – Keine Spur von Prigoschin

Putin entscheidet Machtkampf für sich – Keine Spur von Prigoschin

Putin entscheidet den Machtkampf mit Söldnerführer Prigoschin für sich – zumindest vorerst. Viele Experten sehen Putin nach dem Aufstand seines ehemaligen Vertrauten geschwächt. Von Prigoschin ist nichts mehr zu hören und zu sehen.

26.06.2023

Kurz nachdem Jewgeni Prigoschin den Aufstand seiner Söldnerarmee Wagner abgeblasen hat, ist er verstummt. Es ist nicht bestätigt, dass er in seinem Exil in Belarus eingetroffen ist. 

Von Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Jewgeni Prigoschin, der Anführer der Söldnerarmee Wagner, hat den Aufstand abgeblasen und ist seitdem verstummt.
  • Wo sich Prigoschin aufhält und ob er auf freiem Fuss ist, ist unbekannt.
  • Belarus steht unter der Kontrolle des Kreml. Es gilt als ungewiss, wie sicher Prigoschin dort ist, nachdem er Putin herausgefordert hat.
  • Ursprung der Wagner-Rebellion ist ein Befehl des russischen Verteidigungsministeriums, wonach alle für Russland kämpfenden Truppen in der Ukraine sich in die reguläre russische Armee eingliedern müssen.
  • Prigoschin wollte der faktischen Auflösung seiner Söldnertruppe zuvorkommen und ging auf einen Aufstand, um seine Machtbasis zu erhalten.
  • Die offizielle Version besagt, dass Prigoschin ins Exil nach Belarus geht, jedoch ist fraglich, ob dies ein sicherer Rückzugsort ist.

Am Ursprung der Wagner-Rebellion stand der Befehl aus dem russischen Verteidigungsministerium, alle in der Ukraine für Russland kämpfenden Truppen müssten sich in die reguläre russische Armee eingliedern. «Das hätte Prigoschin seiner Machtbasis beraubt», erklärt Ian Bremmer von der Eurasia Group, einem auf politische Risikoanalyse spezialisierten Beratungsunternehmen.

Der faktischen Auflösung seiner Söldnertruppe wollte Jewgeni Prigoschin offenbar mit seinem Aufstand zuvorkommen. «Er ist verzweifelt, also geht er auf eine Selbstmordmission», interpretiert Bremmer im Gespräch mit CNBC.

Auf den ersten Blick ist Prigoschin mit Deal mit einem blauen Auge davongekommen. Einen offenen, gewalttätigen Konflikt mit Putin hätte er nach Ansicht vieler Experten nicht gewonnen, es sei denn, Sicherheitskräfte wären reihenweise zu ihm übergelaufen. 

Warum ausgerechnet Belarus?

Die offizielle Version der Vereinbarung zwischen Putin und Prigoschin lautet, dass der Söldnerführer nach Belarus ins Exil geht. Seine auf 25'000 Mann geschätzte Truppe wird nun gleichwohl in die russische Armee eingegliedert. Prigoschin verliert seine Machtbasis also wahrscheinlich doch. «Er ist ein lebender Toter», ist Bremmer überzeugt, «ich wäre überrascht, wenn er in ein paar Monaten noch unter den Lebenden weilte.»

Lukaschenkos Belarus ist ein Vasallenstaat, der tut, was Moskau befiehlt. Ein sicherer Rückzugsort für einen, der den Machtkampf mit dem Kreml suchte, sieht anders aus.

Zugleich ist wohl auch die Übernahme der Wagner-Söldner für Moskau ein zweischneidiges Schwert. Nach ihrem Aufstand dürften ihnen Putin und seine Militärs kaum mehr trauen, folgert SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie. 

Wie sicher ist Prigoschin?

Auffällig ist das Verstummen Jewgeni Prigoschins, seit er am Samstagabend seinen Marsch auf Moskau abgebrochen hat. Davor hat er täglich seine Sicht der Dinge über seine Social-Media-Kanäle kundgetan und dabei aufs Heftigste gegen Verteidigungsminister Schoigu und Armeechef Gerassimow ausgeteilt. Seit er am Samstagabend in Rostow am Don in einem Auto davongefahren ist, ist er weder zu sehen noch zu hören gewesen. Einzig ein KI-generiertes Bild zeigt ihn zur Ruhe aufrufen.

Auch wenn die milde Behandlung des Aufrührers Prigoschin allenthalben als Zeichen der Schwäche Putins bezeichnet wird, das letzte Wort im Duell Prigoschin gegen den russischen Sicherheitsapparat ist wohl noch nicht gesprochen. Und der Herrscher im Kreml sitzt am längeren Hebel.

Nach wie vor ist unklar, wo sich Prigoschin aufhält und ob er sich auf freiem Fuss befindet. «Putin hat Menschen eingesperrt und ermordet, die ihm weit weniger angetan haben als Prigoschin», ruft Bremmer auf CNBC in Erinnerung. Berichten zufolge haben während des Aufstands 13 russische Soldaten ihr Leben verloren.

In Anlehnung an die lange Reihe russischer Geschäftsleute, die seit Beginn der Invasion der Ukraine unter besonderen Umständen gestorben sind, hat sogar der frühere CIA-Direktor David Petraeus Prigoschin ermahnt, er solle sich von offenen Fenstern fernhalten. Auf Twitter wird er auch vor Einladungen zum Tee gewarnt. 

Prigoschin hat Putin ein paar Stunden lang schwach aussehen lassen. Trotzdem oder gerade deshalb scheint er ohne Tausende seiner gut ausgebildeten Söldner an der Seite derzeit äusserst verwundbar.