Schwere Krise in SüdkoreaErst Kriegsrecht, dann doch nicht – und wie geht es jetzt weiter?
toko
4.12.2024 - 06:11
Kehrtwende in Südkorea – Präsident hebt Kriegsrecht auf
Seoul, 03.12.2024:
KEHRTWENDE IN SÜDKOREA
Präsident Yoon Suk Yeol kündigt an, das von ihm verhängte Kriegsrecht wieder aufzuheben
YOON BEI TV-AUFTRITT
Der Präsident sagt, dass sich das Militär zurückgezogen hat und das Kabinett bald tagen wird
STREIT UM DEN STAATSHAUSHALT
Wenige Stunden zuvor hat der Präsident inmitten einer innenpolitischen Krise das Kriegsrecht ausgerufen
ANGEBLICHES SYMPATHISIEREN MIT NORDKOREA
Als Begründung für den Ausnahmezustand nennt Yoon die Rolle der Opposition des Landes
YOON WIRD DEM NUN ENTSPRECHEN
Die Nationalversammlung fordert den Präsidenten wenig später auf, den Ausnahmezustand wieder aufzuheben
Hinweise auf eine Verwicklung des totalitär regierten Nachbarlands Nordkorea in die Situation gibt es nicht
04.12.2024
Dramatische Entwicklung in Südkorea: Präsident Yoon ruft das Kriegsrecht aus und hebt es nur 12 Stunden später wieder auf. Wie es dazu kam und wie es nun weitergeht. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
toko
04.12.2024, 06:11
04.12.2024, 06:12
dpa
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Südkorea wird von einer schweren politischen Krise erschüttert.
Der innenpolitisch unter Druck stehende Präsident Yoon Suk Yeol hat das Kriegsrecht ausgerufen, das Parlament wurde vom Militär abgeriegelt.
Die Abgeordneten widersetzen sich jedoch und stimmen für eine unverzügliche Aufhebung des Kriegsrechts.
Zwölf Stunden später hebt derPräsident das Kriegsrecht wieder auf.
In Südkorea hat der Präsident Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht erst ausgerufen und kurz darauf wieder aufgehoben. Er begründete seine Kriegsrecht-Entscheidung mit dem notwendigen Schutz der demokratischen Ordnung des Landes. Das südkoreanische Parlament verlangte wenig später die Aufhebung der Massnahme. Dem kam der Präsident schliesslich nach.
Wie kam es zu den Ereignissen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Völlig überraschend hat Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol inmitten einer innenpolitischen Krise das Kriegsrecht über das Land verhängt. Er beschwor damit einen Machtkampf mit dem Parlament herauf.
Parlamentspräsident Woo Won Shik forderte Militär und Polizei umgehend dazu auf, Ruhe zu bewahren. Alle Mitglieder der Nationalversammlung sollten sich in der Plenarhalle des Parlamentsgebäudes einfinden.
Nur wenige Stunden später forderte das Parlament den Präsidenten auf, das Kriegsrecht unverzüglich wieder aufzuheben. Dabei stimmten alle 190 anwesenden Abgeordneten für den Antrag.
Südkoreanisches Parlament wehrt sich gegen Kriegsrecht
In Seoul stemmte sich die Kammer am Abend gegen das von Präsident Yoon Suk-yeol überraschend ausgerufene Kriegsrecht. Der zog seine Entscheidung wenig später zurück.
03.12.2024
In einer Erklärung des Parlamentspräsidenten hiess es, mit der Resolution durch eine Mehrheit im Parlament sei die Ausrufung des Kriegsrechts nichtig. Dieses müsse demnach aufgehoben werden.
Nur rund 12 Stunden später kündigt der Präsident an, das Kriegsrecht wieder zurücknehmen zu wollen. Laut Südkoreas nationaler Nachrichtenagentur Yonhap sagte Yoon, dass sich das Militär zurückgezogen habe und das Kabinett bald tagen werde.
Demonstrationen vor dem Parlament bleiben friedlich
Rund um das Parlamentsgebäude gab es Demonstrationen, aber es blieb friedlich. Das Gebäude war zwischenzeitlich von Militärs blockiert worden. Später waren vor dem Gebäude keine Soldaten mehr zu sehen, sondern Bereitschaftspolizisten.
Auch das Büro des Parlamentssprechers bestätigte einem Bericht des «Korea Herald» zufolge, dass sich die Streitkräfte kurz nach dem Votum aus dem Gebäude der Nationalversammlung zurückzogen.
Warum rief der Präsident das Kriegsrecht aus?
Der Präsident beschuldigte in einer live im Fernsehen ausgestrahlten Rede die Opposition des Landes, mit Nordkorea zu sympathisieren. Der ausgerufene Ausnahmezustand ziele darauf ab, «pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen und die verfassungsmässige Ordnung der Freiheit zu schützen», sagte Yoon. Er ist als Staatschef auch Oberbefehlshaber der Armee.
Hintergrund des Konflikts ist offensichtlich ein Streit um den Staatshaushalt. Hinweise auf eine Verwicklung des totalitär regierten Nachbarlands Nordkorea in die Situation gab es zunächst nicht.
Die oppositionelle Demokratische Partei (DP), die in der Nationalversammlung über eine Mehrheit verfügt, hatte am Freitag im parlamentarischen Sonderausschuss für Budget und Bilanzen einen Haushaltsplan im Alleingang beschlossen. Yoons Büro forderte die linksliberale Opposition daraufhin auf, den Haushaltsplan mit den reduzierten Ausgaben zurückzunehmen.
Nicht nur die Opposition verurteilte das Vorgehen des Präsidenten scharf. Kritik kam auch aus Yoons Regierung selbst. Der Vorsitzende der regierenden Partei, Han Dong Hoon, bezeichnete das Kriegsrecht laut lokalen Medienberichten als «falsch».
War das Vorgehen Yoons legal?
Experten bezweifeln, dass die Verhängung des Kriegsrechts durch den Präsidenten Yoon Suk Yeol rechtens gewesen ist. Mehrere südkoreanische Juristen bezeichneten dessen Vorgehen in Beiträgen in den sozialen Medien und in Gesprächen mit «The Korea Herald» als «eindeutig illegal» und «unbegründet».
Wie es in dem Bericht heisst, zogen die Rechtswissenschaftler Parallelen zur landesweiten Verhängung des Kriegsrechts durch den ehemaligen Präsidenten Chun Doo-hwan am 17. Mai 1980, die zum Demokratischen Aufstand von Gwangju und der anschliessenden gewaltsamen Unterdrückung der Demonstranten durch das Militär führte.
Die Prozesse gegen Chun und führende Beamte im Jahr 1997 stellten einen Präzedenzfall dar, wonach die Anwendung des Kriegsrechts zur Unterdrückung der Bürgerrechte gemäss Artikel 91 des Strafgesetzbuches eine «Untergrabung der Verfassung» darstellt.
Mindestens zwei Experten sagten ausserdem, dass Strafverfolgungs- und Militärpersonal, das im Rahmen der Verhängung des Kriegsrechts Befehle befolgt, nach denselben Gesetzen strafrechtlich verfolgt werden könnte. Ausserdem würde die Teilnahme an gewalttätigen Handlungen zur Unterstützung der Verhängung des Kriegsrechts als Beihilfe zum Aufstand gewertet werden.
Wie geht es für den Präsidenten weiter?
Nach Aufhebung des Kriegsrechts steht Yoon unter grossem innenpolitischen Druck. Südkoreas Opposition hat den Präsidenten nach dessen kurzzeitiger Ausrufung des Kriegsrechts zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Sollte Yoon nicht von sich aus zurücktreten, werde man unverzüglich ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten, kündigte die Demokratische Partei am Mittwoch laut Medienberichten bei einer Dringlichkeitssitzung in der Nationalversammlung an. Die Ausrufung des Kriegsrechts sei «ein klarer Verstoss gegen die Verfassung» gewesen.
Park Chan Dae, führender DP-Abgeordneter, hatte Yoon schon vor der Aufhebung des Kriegsrechts zum Rücktritt aufgefordert. «Selbst wenn das Kriegsrecht aufgehoben wird, lässt sich eine Anklage wegen Aufruhrs nicht verhindern», sagte Park.
Han Dong Hoon von der konservativen Regierungspartei sagte im koreanischen Fernsehen, Yoon müsse «diese tragische Situation direkt und gründlich erklären». Alle Verantwortlichen müssten «streng zur Rechenschaft gezogen werden».
Der wichtigste Gewerkschaftsverband des Landes rief zu einem «unbefristeten Generalstreik» bis zum Rücktritt von Präsident Yoon auf. Yoon habe «das Ende (seiner) eigenen Macht erklärt», teilte die 1,2 Millionen Mitglieder zählende KFTU-Gewerkschaft mit. Sie warf dem Präsidenten eine «irrationale und antidemokratische Massnahme» vor.
Wie geht es nun weiter?
Präsident Yoon hat auf das Votum des Parlaments reagiert und das Kriegsrecht offenbar wieder aufgehoben. Yoon sagte in einem TV-Auftritt, dass sich das Militär zurückgezogen habe und das Kabinett bald tagen werde.
Yoon Suk Yeol steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmasslicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt. Zudem streitet die amtierende Partei mit der Opposition um das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr.
Seit Monaten haben sich zudem die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel erhöht. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea tausende Soldaten nach Russland, wo diese bei der Rückeroberung der Region Kursk im Einsatz sind
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, afp und AP.