Tusk: «Ende der PiS-Regierung» Opposition in Polen glaubt an Wahlsieg – «Zurück nach Europa!»

Von Doris Heimann und Eva Krafczyk, dpa

16.10.2023 - 04:45

Parlamentswahl in Polen: Bleiben die Nationalkonservativen an der Macht?

Parlamentswahl in Polen: Bleiben die Nationalkonservativen an der Macht?

STORY: Die Wahllokale in Polen sind geöffnet, so hier in der Hauptstadt Warschau. Das Land stimmt ab über die Zusammensetzung des neuen Parlaments. Als stärkste Kraft galt Umfragen zufolge zuletzt die Regierungspartei PiS von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Der grösste Oppositionsblock, die liberale Bürgerkoalition kommt demnach auf 28 Prozent der Stimmen. Diesen Block führt die Bürgerplattform von Donald Tusk. Auch die Wahlberechtigten in Deutschland konnten am Sonntag ihrer Stimme abgegeben, so hier in Berlin. «Ich hoffe, dass wir morgen in einem demokratischen Polen aufwachen, dass die Opposition siegt und wir eine neue Regierung bekommen. Eine Regierung, die die Erwartungen und Hoffnungen all jener erfüllt, die die letzten acht Jahre damit verbracht haben.» Wir kämpfen für Demokratie, für die Rechte von Minderheiten und für die Rechte von Migranten.» «Polen ist gespalten: der Westen unterstützt die Opposition, der Osten die Regierungspartei. Ich hoffe, dass die Menschen wählen, und dass es zumindest eine Koalition geben wird. Das die Macht geteilt werden wird.» Die aktuelle nationalkonservative Regierung hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gegen den Einfluss der EU gewehrt. Beherrschendes Thema im Wahlkampf war die Migrationspolitik. Morawiecki wirft der EU vor, Polen dazu zu zwingen, illegal Eingewanderte aufzunehmen. Die liberale Oppostion unter Tusk kritisiert die PiS für ihren scharf konservativen Kurs.

16.10.2023

«Wind of change» an der Weichsel? Die liberalkonservative Opposition liegt laut Prognose bei der polnischen Parlamentswahl hinter den regierenden Nationalkonservativen. Doch Oppositionsführer Donald Tusk ist überzeugt: Jetzt kommt der Machtwechsel.

Von Doris Heimann und Eva Krafczyk, dpa

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die seit acht Jahren in Polen regierende PiS ist laut Prognosen auch bei der Parlamentswahl am Sonntag stärkste Partei geworden.
  • Doch eine absolute Mehrheit verfehlen die Nationalkonservativen wohl – die Opposition sieht Chancen für einen Machtwechsel.
  • Nun sind drei proeuropäische Oppositionsparteien zuversichtlich, dass sie eine Regierungsmehrheit zusammenbekommen und die PiS-Regierung bald Vergangenheit ist.
  • «Am 15. Oktober kommt Polen nach Europa zurück», jubelt auch Robert Biedron vom Linksbündnis Lewica bei der Wahlparty.

Selten ist ein zweiter Platz so bejubelt worden. «Ich bin heute der glücklichste Mensch auf der Welt», sagt Polens Oppositionsführer Donald Tusk am Wahlabend in Warschau. «Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Das ist das Ende der PiS-Regierung.» Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat Polen seit acht Jahren regiert. Nach der Parlamentswahl vom Sonntag sind nun drei proeuropäische Oppositionsparteien zuversichtlich, dass sie eine Regierungsmehrheit zusammenbekommen und die PiS-Regierung bald Vergangenheit ist. «Am 15. Oktober kommt Polen nach Europa zurück», jubelt auch Robert Biedron vom Linksbündnis Lewica bei der Wahlparty.

Nach ersten Prognosen landet Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) mit 31,6 Prozent auf dem zweiten Platz. Das ergäbe 163 Abgeordnetenmandate. Somit könnte die Bürgerkoalition mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13 Prozent) und Lewica (8,6 Prozent) als Juniorpartnern eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis käme zusammen auf 248 der insgesamt 460 Sitze und hätte damit eine Mehrheit im Parlament. «Wir warten jetzt auf das offizielle Ergebnis, setzen uns hin, reden und werden uns bestimmt einig», sagt ein optimistischer Tusk dem Sender TVN24.

Bleierne Gesichter unterdessen in der Parteizentrale der PiS. Mit eingefrorener Mimik und verkrampftem Lächeln verfolgen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak und andere die Rede des Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski. Die PiS wird zwar laut Prognosen mit 36,8 Prozent die stärkste politische Kraft, aber sie verfehlt die absolute Mehrheit und wird 200 Abgeordnete stellen. Und mit einem Koalitionspartner wird es auch schwierig.

Kaczynski schwört Gefolgschaft auf Kampf ein

Ungerührt von der Katerstimmung um ihn herum spricht Kaczynski von einem «grossen Erfolg» und schwört seine Gefolgschaft auf den Kampf ein: «Unabhängig davon, ob wir an der Macht sind oder in der Opposition, wir werden dieses Projekt umsetzen und nicht zulassen, dass Polen verraten wird.» Indirekt gesteht der 74-Jährige damit allerdings ein, dass er einen Gang in die Opposition nicht ausschliesst. Denn der einzige Koalitionspartner, der für die PiS infrage käme, wäre die ultrarechte Konfederacja. Doch die Formation kommt in den Prognosen auf 6,2 Prozent und 12 Abgeordnete – das reicht nicht. Zudem haben die Ultrarechten im Wahlkampf immer erklärt: Keine Koalition mit der PiS.

Oppositionsführer Donald Tusk am Sonntag in Warschau. 
Oppositionsführer Donald Tusk am Sonntag in Warschau. 
Bild: IMAGO/Eastnews

Die Wahl stiess auf ungewöhnlich grosses Interesse: Laut Prognosen liegt die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent – das wäre der höchste Wert seit dem Ende des Kommunismus 1989. Auch bei dieser Parlamentswahl setzt sich der Trend zu einer klaren Ost-West-Teilung des Wählerwillens fort: Die Liberalkonservativen können laut Prognose die Regionen im Westen des Landes für sich gewinnen. In einem Bogen von Pommern bis nach Schlesien und entlang der deutsch-polnischen Grenze punktet die KO. Auch die grossen Städte sind ihre Hochburgen Die PiS hingegen erringt einmal mehr im Süden und Osten Polens Mehrheiten. Das offizielle Wahlergebnis will die Wahlkommission bis Dienstag bekanntgeben.

Danach folgt der nächste Schritt. Die polnische Verfassung sieht vor, dass der Präsident einen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt. Staatsoberhaupt Andrzej Duda hat bereits vor der Wahl angedeutet, dass er sich an die politische Gepflogenheit halten wird, einem Vertreter der stärksten politischen Kraft diesen Auftrag zu erteilen. Das vorgeschlagene Kabinett muss dann vom Parlament bestätigt werden. Scheitert dies, weil keine Mehrheit zustande kommt, kann das Parlament mit seiner Mehrheit eine Regierung bilden. Und dann schlägt wahrscheinlich die Stunde von Donald Tusk. Doch bis dahin können noch einige Wochen der Unsicherheit vergehen.