Lagebild UkraineDie Schlacht um Awdijiwka – ein Kampf mit allen Mitteln
Von Philipp Dahm
22.11.2023
Ukraine erhält neues Rüstungspaket der USA
Die USA stellen der Ukraine zur Abwehr der russischen Invasion weitere Militärausrüstung bereit.
Bei dem neuen Paket im Wert von 100 Millionen US-Dollar handelt es sich um Militärhilfe, die bereits vom US-Kongress genehmigt wurde. Das Rüstungspaket umfasst unter anderem Stinger-Flugabwehrraketen, einen Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars sowie Artilleriemunition.
21.11.2023
Der Herbst überzieht das Kriegsgebiet mit Schlamm, Russland sendet immer neue Truppen an die Front und ukrainische Artillerie schiesst nach Kräften weg, was sie erwischt – hier das Update vom Geschehen.
Von Philipp Dahm
22.11.2023, 00:00
22.11.2023, 10:28
Von Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Herbst ist da, die Felder werden matschig und Grossangriffe mit mechanisierten Einheiten verunmöglicht.
Während der Zufluss westlicher Waffen nachlässt, kann Russland weiter auf seine massiven Reserven an Kriegsgerät zurückgreifen.
Moskau versucht weiter, den ukrainischen Brückenkopf am Dnipro zu zerstören, kann aber nicht genügend Truppen sammeln.
Die Ukraine macht westlich von Robotyne und westlich von Nowoprokopwika ein wenig Boden gut.
Russland kann dagegen nördlich und südlich von Bachmut kleine Gebietsgewinne verzeichnen.
In Awdijiwka erwartet Kiew die dritte grosse Angriffswelle, doch auch jetzt tobt schon eine verheerende Schlacht.
Wer das unten stehende X-Video sieht, dem fallen zwei Sachen auf: Zum einen ist offensichtlich der Leopard 1A5, den Dänemark, Deutschland und die Niederlande der Ukraine geliefert haben, auf dem Schlachtfeld angekommen. Zum anderen hat nun augenscheinlich auch das nasse Herbstwetter eingesetzt – mit zwei Wochen Verspätung.
Das heisst, dass grössere Offensiven mit mechanisierten Einheiten fürs Erste passé sind. Wer im unten stehenden Post sieht, wie schwer es bereits Geländewagen haben, die schlammigen Wege zu passieren, der ahnt, dass schwere Panzer in diesem Matsch keine Chance haben.
Additional footage of one of the access roads north of Robotyne.
Wie ist die allgemeine Lage? «Beide Seiten haben immer noch Ressourcen, um den Krieg weiterzuführen und das Schicksal ist so unsicher wie vor einem Jahr», schreibt Wolodymyr Dacenko, Analyst und Kolumnist von «Forbes» in der Ukraine. Das Problem sei, dass der Kreml Material-Verluste immer noch ausgleichen kann.
Das habe der ukrainische General Walerij Saluschnyj auch gemeint, als er von einer «Patt-Situation» gesprochen habe: Es müsse sich nun etwas ändern, weil Moskau die Waffen nicht ausgingen und Putin ein langwieriger Krieg ins Kalkül passe. Neben den ergiebigen Reserven des Kremls bleibe auch die relative Luftüberlegenheit Russlands ein Nachteil für die Ukraine.
Dnipro: Russland bleibt bloss noch die Artillerie
Am linken, östlichen Ufer des Dnipro, den die Russen Dnjepr nennen, halten die ukrainischen Marineinfanteristen ihre Stellungen. Die Gegner versuchen, ihre thermobarische TOS-1A-Artillerie gegen den Brückenkopf bei Krynky einzusetzen, der aber nur eine begrenzte Reichweite hat. Schnell erkennen die Ukrainer daher, von welcher befestigten Strasse aus zugeschlagen wird, schicken ihre Drohnen los und lassen die TOS-1A zerstören.
Die Russen schaffen es einfach nicht, die ukrainischen Stellungen zu eliminieren. Es gelingt ihnen noch nicht einmal, Truppen zu konzentrieren und heranzuführen, weil selbst Einheiten wie dieses Luftabwehrsystem Panzir S-1 – Kostenpunkt um die 13 Millionen Franken – 55 Kilometer südlich von Krynky zerstören ...
Kherson Oblast, a Russian Pantsir-S1 detonates after being hit by Ukrainian fire. pic.twitter.com/8iuoazHr1f
... und auch dieses Gebäude getroffen wird, das 35 Kilometer vom Dnipro entfernt an einem kleinen Flugplatz liegt. Militärjets gibt es dort nicht. Munition scheint auch nicht hochgegangen zu sein. Was die ukrainische Armee dort wohl unter Feuer genommen hat?
Another long range strike on a Russian base, this time at a flight hangar near Tarasivka/Brylivka. The place is around 35km away from the Dnipro River.
The missile explosion looks like Stormshadow/Scalp EG strike.
Wie reagieren die Russen auf die anhaltenden Rückschläge? Sie verlegen zunächst ihr Hauptquartier in Oleschky, das 25 Kilometer südwestlich von Krynky liegt, weiter nach Osten. Ausserdem setzen sie massiv Artillerie und Raketenwerfer gegen den ukrainischen Brückenkopf ein, wie unten stehender Post zeigt.
Since Russia isn't able to bring in troops and heavy equipment really close to Krynky due to FPV drone threats, it is massively trying to hit the Ukrainian logistic routes with heavy artillery and MLRS. https://t.co/TOyUeRPDQp
Im Oblast Saporischschja kommt die ukrainische Armee nur mühsam voran. Zuletzt konnte sie westlich des Dorfes Nowoprokopiwka und westlich von Robotyne etwas Boden gutmachen. Im letzteren Fall ist das wichtig, weil das neu eroberte Gebiet erhöht liegt und sich für weitere Vorstösse nach Westen anbietet.
Inzwischen kann man sich über den langsamen Fortschritt in diesem Frontabschnitt nicht mehr wundern: Auch Analyst Wolodymyr Dacenko räumt ein, dass die russischen Verteidigungsfähigkeiten unterschätzt worden sind. Wie unglaublich vermint das Gelände ist, beweist der unten stehende X-Post.
Russische Erfolge nördlich und südlich von Bachmut
Moskau kann aber auch Erfolge feiern: Im Norden von Bachmut rückt die russische Armee Richtung Bohdanivka vor und südlich von Bachmut freut sich der Kreml über Gebietsgewinne bei Klischtschijwka.
Die Eroberungen bei Klischtschiijwka sind zwar nur klein, aber nicht ungefährlich, denn Russland kämpft nun so um die Stadt, wie es zuvor die Ukraine getan hat. Sie wird nicht direkt angegriffen, sondern der Weg über die Anhöhen im Westen gesucht, um die Stadt von dort zu beschiessen.
15 Kilometer weiter südlich hat dagegen die Ukraine die Initiative ergriffen und vor der Stadt Horliwka Gebiet erobert, das seit 2014 in russischer Hand ist. Nach diesem Überraschungsangriff ist allerdings nicht noch mehr Gelände eingenommen worden. Russland setzt Drohnen gegen die Angreifer ein.
Awdijiwka: Streu- und Brandmunition im Einsatz
Die Schlacht um Awdijiwka tobt unbarmherzig weiter. Kiew erwartet demnächst eine dritte grosse Welle russischer Angriffe. Die ukrainische Armee setzt Streumunition ein, um im Norden der Stadt gegnerische Infanterie zu stoppen, zeigt ein Video auf X.
Die Russen antworten mit Brandmunition, mit der sie die Verteidiger aus dem Industriequartier im Norden von Awdijiwka vertreiben wollen, beweist der unten stehende Post.
Russia is attacking Ukrainian positions with incendiary munitions near Avdiivka again m.
This is Avdiivka, in Donetsk Oblast. The photos, which show destroyed civilian infrastructure and residential buildings, were published by Ukrainian brigadier general Oleksandr Tarnavskyi on Telegram on Nov. 19.
Zu den Details der Schlacht hier eine Bildergalerie.
Schlacht um Awdijiwka: Was bis zum 21. November 2023 geschah
Weil im Norden von Awdijiwka mechanisierte Einheiten einen langen Anfahrtsweg haben und gut abgefangen werden können – die Ukraine will ihnen Verluste von bis zu 50 Prozent beibringen –, greift in diesem Frontabschnitt vor allem Artillerie an.
Im Süden setzten die Russen aber sehr wohl auf gepanzerte Fahrzeuge, die direkt von der Grosstadt Donezk über eine Strasse kommen, doch das Problem für Moskau ist, dass ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... diese durch flaches Gelände ohne Deckung führt. Anfahrende Kolonnen (kleine rote Quadrate) sind schon von Weitem zu sehen. Die Soldaten in ihren Panzern werden wie schon ihre Kameraden zuvor (grosses Rechteck) unter Artilleriefeuer genommen.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Selbst wenn sie das Artilleriefeuer überleben, bleiben sie danach in ukrainischen Minenfeldern stecken. Russische Minenräumer sind deshalb prioritäre Ziele für die Ukrainer.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Weil das Minenräumgerät fehlt, lassen die Russen alte Panzer auffahren, die voll TNT stecken. Diese Sprengungen räumen zwar einen kleinen Teil eines Feldes, doch mit Artilleriegeschossen, aus denen Minen fallen, wird das schnell wieder rückgängig gemacht.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Im Norden fahern nur noch Schützenpanzer auf, die Infanterie an die Front bringen. Die Russen versuchen zudem, sich über den Umweg über die Wasser-Reservoirs im Osten (gelb umrandet) der Stadt zu nähern.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Soldaten werden jedoch von ukrainischen Einheiten an der Bahnlinie fixiert. Kiew setzt dabei auch Schützenpanzer vom Typ Bradley ein, deren Kanone den Gegner niederhält, während die eigenen Truppen vorrücken.
Offensiven und Gegenoffensiven gehen Hand in Hand: Die Ukraine rücken auch von Norden gegen die Russen vor, doch auch der Gegner verschafft sich etwas Luft (pink umrandet), ohne dass sich die Front dabei grossartig verändert.
Bild: YouTube/Military Lab
Der dritte Angriffsvektor der russischen Armee liegt im Osten, wo sie in ein Industriequartier einrücken konnte und den Druck auf die Stadt weiter erhöht.
Bild: YouTube/Military Lab
Die Ukrainer wehren sich weiter mit dem massiven Einsatz von Drohnen, die Panzer, aber auch den Nachschub stören.
Bild: YouTube/Military Lab
Auch weit hinter der Front sind Kiews Kräfte zu sehen: Hier ist ein mobiler Kommandoposten viele Kilometer hinter der Front zu sehen, der kurz danach von einem HIMARS-Raketenwerfer getroffen wird.
Bild: YouTube/Military Lab
Schlacht um Awdijiwka: Was bis zum 21. November 2023 geschah
Weil im Norden von Awdijiwka mechanisierte Einheiten einen langen Anfahrtsweg haben und gut abgefangen werden können – die Ukraine will ihnen Verluste von bis zu 50 Prozent beibringen –, greift in diesem Frontabschnitt vor allem Artillerie an.
Im Süden setzten die Russen aber sehr wohl auf gepanzerte Fahrzeuge, die direkt von der Grosstadt Donezk über eine Strasse kommen, doch das Problem für Moskau ist, dass ...
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
... diese durch flaches Gelände ohne Deckung führt. Anfahrende Kolonnen (kleine rote Quadrate) sind schon von Weitem zu sehen. Die Soldaten in ihren Panzern werden wie schon ihre Kameraden zuvor (grosses Rechteck) unter Artilleriefeuer genommen.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Selbst wenn sie das Artilleriefeuer überleben, bleiben sie danach in ukrainischen Minenfeldern stecken. Russische Minenräumer sind deshalb prioritäre Ziele für die Ukrainer.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Weil das Minenräumgerät fehlt, lassen die Russen alte Panzer auffahren, die voll TNT stecken. Diese Sprengungen räumen zwar einen kleinen Teil eines Feldes, doch mit Artilleriegeschossen, aus denen Minen fallen, wird das schnell wieder rückgängig gemacht.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Im Norden fahern nur noch Schützenpanzer auf, die Infanterie an die Front bringen. Die Russen versuchen zudem, sich über den Umweg über die Wasser-Reservoirs im Osten (gelb umrandet) der Stadt zu nähern.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine
Die Soldaten werden jedoch von ukrainischen Einheiten an der Bahnlinie fixiert. Kiew setzt dabei auch Schützenpanzer vom Typ Bradley ein, deren Kanone den Gegner niederhält, während die eigenen Truppen vorrücken.
Offensiven und Gegenoffensiven gehen Hand in Hand: Die Ukraine rücken auch von Norden gegen die Russen vor, doch auch der Gegner verschafft sich etwas Luft (pink umrandet), ohne dass sich die Front dabei grossartig verändert.
Bild: YouTube/Military Lab
Der dritte Angriffsvektor der russischen Armee liegt im Osten, wo sie in ein Industriequartier einrücken konnte und den Druck auf die Stadt weiter erhöht.
Bild: YouTube/Military Lab
Die Ukrainer wehren sich weiter mit dem massiven Einsatz von Drohnen, die Panzer, aber auch den Nachschub stören.
Bild: YouTube/Military Lab
Auch weit hinter der Front sind Kiews Kräfte zu sehen: Hier ist ein mobiler Kommandoposten viele Kilometer hinter der Front zu sehen, der kurz danach von einem HIMARS-Raketenwerfer getroffen wird.