Lagebild Ukraine Putin startet Winteroffensive – das sind seine fünf Ziele

Von Philipp Dahm

19.12.2023

Die russische Armee hat eine Winteroffensive begonnen. Im Norden und Osten sind fünf Schlüsselstädte das Ziel. Der Kreml lässt auf breiter Front Druck machen – und Wladimir Putins Soldaten feiern dabei Erfolge.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Wladimir Putins Winteroffensive hat fünf Ziele: Kupjansk, Lyman, Tschassiw Jar, Awdijwka und Kurachowe.
  • Zwischen Awdijwka und Wuhledar sind Moskaus Kräfte in eine Lücke vorgestossen und wollen Nowomychajiliwka erobern.
  • In Awdijwka gehen Moskau die Truppen nicht aus: Nördlich und nun auch südlich der Stadt wurde Boden gutgemacht. Von Osten her dringen Kämpfer in die Vororte ein.
  • Bei Bachmut und Lyman rücken russische Truppen vor.
  • Im Norden bei Kupjansk erleidet Moskaus Armee schwere Verluste, lässt aber nicht nach.

Noch vor wenigen Wochen hat die Welt auf den Süden der Ukraine geschaut: Was machen die Marine-Infanteristen am linken, östlichen Dnipro-Ufer? Was macht der Vorstoss von Robotyne nach Tokmak? Wie weit kommt die Gegenoffensive von Wolodymyr Selenskyjs Armee?

Heute ist der Fokus ganz woanders. Tatsächlich sind die ukrainischen Kräfte ins Hintertreffen geraten. Wladimir Putin will bis zu den Präsidenten-Wahlen im März etwas vorweisen können und geht trotz des winterlichen Wetters in die Offensive. 

Die russische Armee hat eine Winteroffensive gestartet. Fünf Schlüsselstädte haben sie im Visier.
Die russische Armee hat eine Winteroffensive gestartet. Fünf Schlüsselstädte haben sie im Visier.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Dabei hat der Kreml fünf Ziele und Stossrichtungen: Die Schlüsselstädte heissen von Nord nach Süd Kupjansk, Lyman, Tschassiw Jar, Awdijwka und Kurachowe, das zwischen Awdijwka und Wuhledar liegt.

Russischer Vorstoss in die Lücke

Im letztgenannten Gebiet stützt sich die Defensive auf drei Festungen: Awdijwka, Marjinka und Wuhledar. Das restliche Areal wird mit Minen und kleineren Befestigungen verteidigt. Genau da hat die russische Armee mit einem Vorstoss angesetzt.

Mit Stern markiert sind (von Nord nach Süd) Awdijwka, Marjinka und Wuhledar.
Mit Stern markiert sind (von Nord nach Süd) Awdijwka, Marjinka und Wuhledar.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Putins Truppen wollen Nowomychajiliwka erobern, das gut 17 Kilometer von Kurachowe entfernt liegt. Während sie im Süden der Siedlung relativ viel Boden gutmachen konnten, scheitern sie im Norden laut Reporting from Ukraine grossteils an der starken Verteidigung.

Die Lage bei Nowomychajiliwka: Kurachowe liegt oben in der Bildmitte an dem Wasser-Reservoir.
Die Lage bei Nowomychajiliwka: Kurachowe liegt oben in der Bildmitte an dem Wasser-Reservoir.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Aus den umliegenden Dörfern haben die Russen versucht, in Nowomychajiliwka einzudringen. Nach ihrer Aussage ist ihnen das auch gelungen. Ein Video auf X zeigt dagegen, wie russische Einheiten in einem Minenfeld vor dem Ort liegen bleiben.

Kiew will einen jedoch Gegenangriff gestartet und die russischen Angreifer verjagt haben. Dennoch ist der Druck auf die Siedlung hoch: Gut möglich, dass die ukrainische Armee Nowomychajiliwka nicht halten können wird.

Die Russen wollten von zwei Seiten Nowomychajiliwka angreifen. Laut Kiew sind sie gescheitert.
Die Russen wollten von zwei Seiten Nowomychajiliwka angreifen. Laut Kiew sind sie gescheitert.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Awdijwka: Druck von drei Seiten

Wer auf ukrainischer Seite geglaubt hat, dass Moskau nicht mehr genug Männer hat, wenn man an so vielen Frontabschnitten angreifen lässt, hat sich geschnitten. Im Süden der Stadt schien der Kampf schon konsolidiert zu haben – siehe obige Bildergalerie. 

In der Schlacht um Awdijwka kommt Russland erstmals im Süden voran, rückt aber auch im Norden und von Osten ins Stadtzentrum ein.
In der Schlacht um Awdijwka kommt Russland erstmals im Süden voran, rückt aber auch im Norden und von Osten ins Stadtzentrum ein.
Bild: YouTube/Military Lab

Doch ausgerechnet dort konnte die russische Armee nun erstmals Boden gutmachen. Auch aus dem Industriequartier im Osten sind Soldaten weiter Richtung Stadtmitte vorgerückt, weiss Military Lab. Und auch im Norden an der Bahnlinie ist Putins Armee vorgestossen. Ob diese Positionen gehalten werden können, muss sich aber erst noch zeigen.

(Link zum obigen Post)

Auch bei Bachmut behält Russland weiter die Initiative: Tschassiw Jar liegt keine sieben Kilometer westlich der Stadt. Auf dieses Ziel arbeiten Putins Truppen hin: Sie nähern sich langsam, aber stetig Bohdanivka, Ivanivske und Klischtschijwka.

Russen rücken vor: Der Druck steigt auch auf Tschassiw Jar (Bildmitte).
Russen rücken vor: Der Druck steigt auch auf Tschassiw Jar (Bildmitte).
Bild: DeepSttateMap

Schwere Gefechte auch im Norden

Weiter südlich ist Lyman ein lohnendes Ziel für die Kräfte des Kreml: Die Siedlung ist noch gut 13 Kilometer von der Front entfernt. Moskau würde diese gerne bis an den Fluss Oskil verschieben, um eine stabile Verteidigungslinie zu bilden.

Das funktioniert aber nur, wenn der Fluss bis in den Norden die Front bildet. Dazu müsste aber erst Kupjansk fallen: Ähnlich wie in Awdijwka versucht die russische Armee dort zunächst, in der Breite anzugreifen, um Schwachpunkte zu finden.

Kupjansdk (blauer Stern) ist das Ziel: Russland greift auf breiter Front an.
Kupjansdk (blauer Stern) ist das Ziel: Russland greift auf breiter Front an.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Am nächsten sind die Russen Kupjansk, wenn sie das Dorf Synkivka einnehmen. Dann könnten sie auch die Verbindung nach Kysliwka im Osten unterbrechen und die Verteidigung einbrechen zu lassen, ohne sich um die ukrainischen Truppen in dem Waldgebiet dazwischen kümmern zu müssen, erklärt Reporting from Ukraine.

Sollte Synkivka fallen und die Russen an Kupjansk herankommen, wird der Nachschub nach Osten bedroht (gelbe Linie) und die ein ganzer Frontabschnitt wird für die Ukraine unbrauchbar (rotes Kreuz).
Sollte Synkivka fallen und die Russen an Kupjansk herankommen, wird der Nachschub nach Osten bedroht (gelbe Linie) und die ein ganzer Frontabschnitt wird für die Ukraine unbrauchbar (rotes Kreuz).
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Doch der Gegner weiss das auch: Die Verteidiger nutzen starke Befestigungen, Minen und Drohnen, um die Angreifer abzuwehren.

Die Ukrainer haben eine starke Verteidigung aufgebaut. Dennoch gelang es einigen russischen Einheiten, Synkivka zu erreichen.
Die Ukrainer haben eine starke Verteidigung aufgebaut. Dennoch gelang es einigen russischen Einheiten, Synkivka zu erreichen.

Deshalb hat Moskau zuletzt mit grösseren mechanisierten Verbänden angegriffen. Für kurze Zeit konnten sich russische Truppen in Synkivka festsetzen, doch sowohl die Fahrzeuge als auch später geschickte Infanterie-Verstärkungen wurden aufgerieben. Der Kampf wird hier aber mit unverminderter Härte weitergehen.

Karte des Gebiets vom US_Veteran Chuck Pfarrer.
Karte des Gebiets vom US_Veteran Chuck Pfarrer.