Late Night USA «Trump ist kein Rassist. Er trifft nur viele Leute in Todes-Helis»

Philipp Dahm

14.8.2024

Donald Trump bei einer Pressekonferenz in Palm Beach, Florida: «Niemand hat zu grösseren Mengen gesprochen als ich.»
Donald Trump bei einer Pressekonferenz in Palm Beach, Florida: «Niemand hat zu grösseren Mengen gesprochen als ich.»
YouTube/The Daily Show

Jon Stewart hat ein Herz für Donald Trump, der seinen Intimfeind Joe Biden vermisst. Doch der 78-Jährige recycelt einfach seine Attacken für Kamala Harris, setzt auf bekannte Warnungen vor dem Ende der Welt – und tappt erneut in die Rassismusfalle.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Jon Stewart knüpft sich in der «Daily Show» Donald Trump vor, der schmollt, weil Joe Biden nicht wieder antritt.
  • «Was mache ich mit meinen indischen Schimpfwörtern, die ich benutzen wollte?», ätzt Stewart.
  • «Niemand hat zu grösseren Mengen gesprochen als ich»: Trump pflegt weiterhin seine Obsession mit der Grösse seines Publikums.
  • Trump will im Helikopter von einem Ex von Harris Schlechtes über sie erfahren haben. Das Problem: Der ist nie mit Trump geflogen.
  • Clips zeigen, wie Trump frühere Angriffe auf Biden im selben Wortlaut nun für Harris nutzt.
  • Trump redet immer noch über Biden: «Er wird nicht zurückkommen, Donald», rüttelt Stewart ihn wach.

«Bei diesem Programm machen wir uns gelegentlich über Donald Trump lustig», beginnt die lebende Late-Night-Legende Jon Stewart die «Daily Show». «Mit dem Aufziehen, dem Hänseln, dem Hosenrunterziehen und Fingerzeigen. Aber: Es geht ihm gerade schlecht.»

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Im Clip ab Minute 1:24 folgen Schlagzeilen, in denen Trump sich darüber beschwert, dass Joe Biden nicht mehr antritt. Sie gipfeln in der beleidigten Aussage: «Jetzt müssen wir nochmal ganz von vorn anfangen.» «Nicht fair», zürnt Stewart. «Vor einem Monat noch war er im Grunde genommen bereits der fucking Präsident», flüstert er.

Der 78-Jährige habe gerade noch dem Tod ein Schnippchen geschlagen – wegen des verfehlten Attentats. «Damals dachten die Leute, die Wahl seines [designierten Vizepräsidenten] sei klug gewesen», lästert der Moderator mit Blick auf James David Vance. «[Trump] hatte alles schon im Sack und es wurde ihm genommen.»

«Was mache ich mit meinen indischen Schimpfwörtern, die ich benutzen wollte?»

Nach sechs Jahren der Angriffe auf Biden müsse der Republikaner nun umlernen. «Und das Publikum muss buchstäblich mit durchmachen, wie Trump versucht, in Fahrt zu kommen.» Im Clip ab Minute 2:51 erzählt Trump, dass es viele Arten gebe, den Vornamen seiner Gegnerin auszusprechen. «Man kann Kamela sagen. Man kann Kamala sagen.» Auch Kämela und Kamabla hat er im Angebot.

Stewarts Reaktion:

«Kamabla?»
«Kamabla?»
Youtube/The Daily Show

Doch wie der Republikaner Harris nennt, sei weniger wichtig, als herauszufinden, was sie ist, so Stewart. Es folgt ein Ausschnitt von Trumps Auftritt vor schwarzen Journalisten, in dem er sagt: «Sie war die ganze Zeit indisch, und plötzlich ist sie abgebogen und eine schwarze Person geworden.»

«Was mache ich mit meinen indischen Schimpfwörtern, die ich benutzen wollte?», imitiert der Moderator den Politiker. «Sie enthalten vor allem Gelbwurz und Kreuzkümmel. Aber dann ist abgebogen. Nach schwarz. Er tut so, als sei sie in das falsche Quartier gefahren: Sie fuhr durch [den noblen New Yorker Stadtteil] Upper West Side, und dann – Boom – ist sie [im vor allen von Schwarzen bewohnten] Harlem.»

«Ich habe 10-mal, 20-mal, 30-mal die Menge.»

Weil Trump «offensichtlich Mühe hat», will Stewart helfen. «Vergiss jetzt mal das Biografische», ruft er ihm zu. «Fokussieren wir uns auf die Probleme.» Und worum geht es im Clip ab 4:54 Minute? «Ich habe zu den grössten Menschenmengen gesprochen», prahlt Trump in Palm Beach, Florida. «Niemand hat zu grösseren Mengen gesprochen als ich.»

Stewarts Reaktion:

Yourube/The Daily Show

Trump ist nicht fertig. «Ich hatte 107'000 Leute in New Jersey. Ihr habt nicht darüber berichtet. Wir hatten in Harrisburg 20'000, 25'000 Leute, und 20'000 konnten nicht eingelassen werden. Niemand erwähnt das. Wenn [Harris] 1500 bekommt, sagen sie: ‹Oh, die Menge war so gross.›» Trump holt durch die Nase hörbar Luft: «Ich habe 10-mal, 20-mal, 30-mal die Menge.»

«Ich hatte eine unendliche Menge», äfft Stewart den Ex-Präsidenten nach. «Sie hatte einen Typen, der Jeff hiess.» Der Moderator ändert den Ton: «Es ist ganz klar: Du hast alle. Sie hat niemanden. Können wir weitermachen?»

«Es tönt, als würde er seinen Verstand verlieren»

Leider nein: Da wäre noch Trumps Truth-Social-Post, in dem Harris als «Betrügerin» tituliert wird, weil angeblich ein Foto manipuliert worden ist, sodass es eine grosse Menschenmenge vor ihrem Flugzeug zeigt. Das sei «Wahlbeeinflussung», wütet der 78-Jährige.

«Oh my fucking God», stöhnt Stewart. «Für die zu Hause, die sagen: ‹Es tönt, als würde er seinen verdammten Verstand verlieren›: Nur, weil es Video- und Fotobeweise gibt, dass Kamala Harris' Menschenmenge real war, heisst das nicht, dass es real war!» Wichtiger sei, dass Trump Belastendes über Harris von jemandem hat, der mit ihr zusammen war.

«Nun, ich kenne Willie Brown sehr gut», sagt Trump im Clip ab Minute 7:17. «Tatsächlich bin ich im Helikopter mit ihm abgestürzt. Wir dachten, das könnte das Ende sein. Wir waren im Helikopter auf dem Weg zu einem bestimmten Ort, und es gab eine Notlandung. Aber er hat mir schreckliche Dinge von ihr berichtet.»

«Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?»

Stewarts Reaktion:

Links im Bild: Trump und Willie Brown.
Links im Bild: Trump und Willie Brown.
Youtube/The Daily Show

Er fasst zusammen:

«Du warst in einem Helikopter? Mit dem früheren Bürgermeister von San Francisco, Willie Brown, der bekanntermassen mit Kamala Harris zusammen war? Und während der Helikopter runtergegangen ist, als ihr in den drohenden Tod gefallen seid, dreht sich Willie Brown zu dir und sagt: ‹Es mag dir jetzt nichts bedeuten, aber erinnerst du dich an die Lady, mit der ich zusammen war? Die Staatsanwältin? Nun, bevor wir sterben, will ich, dass du weisst: Sie ist die Schlimmste! Ich möchte nicht vor meinen Schöpfer treten, ohne dir diese Information gegeben zu haben.›»

US-Wahlen 2024 im Fokus

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Im Weissen Haus wurde Kokain gefunden.
Patrick Semansky/AP/dpa

Dieses Ereignis dürfte sich nicht nur in Trumps Kopf eingebrannt haben, sondern auch in dem von Willie Brown. Das Problem: Der weiss von nichts. «Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?», antwortet der auf eine entsprechende Nachfrage. «Ich nehme an, er war mit jemandem auf einem Helikopterflug, der schwarz war, und er hat einen Fehler gemacht und dachte, ich war das.»

Der Reiter der Apokalypse

«Das ist so verdammt dumm», ruft Stewart aus. «Ich bin mir sicher, das ist nicht, was passiert ist. Wie gross ist die Chance, dass Trump seine Schwarzen verwechselt?» Doch der Clip ab Minute 9:47 beweist genau das: Trump flog 1990 mit Nate Holden in einem Helikopter, der Probleme hatte. Holden ist Mitglied des Stadtrats von Los Angeles.

Stewarts Reaktion:

Links im Bild: Nate Holden.
Links im Bild: Nate Holden.
Youtube/The Daily Show

Holden kann über das Ganze übrigens nur lachen: «Ich denke, wir sehen alle gleich aus», frotzelt er bei «Politico». Stewart meint: «Hey, Donald Trump ist kein Rassist. Er trifft nur viele Leute in Todes-Helis.» Er baut eine Eselsbrücke, die nur im Englischen funktioniert: «If the chopper goes down, that's not Willie Brown. If the flight's not going great, you're probably riding with Nate.»

In den Clips ab Minute 11:41, 12 und 12:34 zeigt die «Daily Show» deutlich auf, dass Trump jene Beschwörungen für Harris benutzt, die er auch schon bei Biden probiert hat: Es drohen ein «Börsencrash wie 1929», «der Dritte Weltkrieg» und «der Tod der Vororte», warnt er zum Teil mit dem exakt selben Wortlaut. «Das ist nur ein Remix?», wundert sich Stewart und wirft Trump «Faulheit beim Apokalypsieren» vor.

Und guckt so:

Youtube/The Daily Show

Aber eigentlich kommt Trump nicht über Biden hinweg: Immer noch redet er auf Wahlkampfveranstaltungen darüber, ob er nun «Sleepy Joe» oder «Crooked Joe» sagen soll. Stewart schüttelt den Kopf: «Das ist traurig. Es ist, als würde man einen alten Mann sehen, der allein auf einer Bank mit jemandem redet, und du erkennst: Da hat seine Frau immer gesessen. Er würde alles geben für einen letzten Moment mit Crooked Joe.»

Und Trump? Sagt auch noch, dass Biden sich seine Kandidatur noch zurückholen wird. Stewart spricht wie zu einem Liebeskranken: «Er wird nicht zurückkommen, Donald!»

US-Wahlen 2024 | Aktuelle Umfragewerte

Donald Trump
Donald Trump

Republican Party

44%
Joe Biden
Kamala Harris

Democratic Party

46%
An 100 fehlende Prozente entfallen auf den Kandidaten der Unabhängigen. Quelle: National Polls: YouGov, The Economist, 11.-13. August 2024