Südkorea und Co.Ist nach dem Lockdown vor dem Lockdown?
Von Philipp Dahm
11.5.2020
In Südkorea muss wegen eines Infektionsclusters die Gastronomie wieder schliessen, in Deutschland verdoppelte sich die Fall-Zahl – und auch Wuhan meldet wieder Infektionen.
Südkorea hat die Krise im Griff, so scheint es noch in der zweiten Aprilhälfte: Die Zahl der Neu-Infektionen ist stetig gesunken, ist Mitte des Monats unter 15 gefallen und tendiert gegen Null, was die nationalen Übertragungen angeht. Das Ende des Lockdowns wie gerade bei uns wird dort bereits Anfang Mai eingeleitet – unter Auflagen öffnen auch Restaurant, Bars und Clubs wieder.
Das ungewollte Comeback feiert die Pandemie in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai. Ein 29-Jähriger besucht mehrere Etablissements im Ausgehviertel Itaewon. Der Partyfreund fühlt sich an diesem Wochenende noch gut, doch in der folgenden Woche ändert sich das.
Der Test am 6. Mai bestätigt: Der junge Mann ist infiziert. Der Staat greift ein – und versucht anhand von Handydaten diejenigen aufzuspüren, die angesteckt worden sein könnten. Die Bürokratie operiert dabei in einem heiklen Umfeld: Der 29-Jähriger hat Clubs der LGBTQ-Szene besucht, die sich in Südkorea wegen potenzieller Diskriminierung nicht gern in ins Séparée gucken lassen.
Infektions-Cluster im Amüsierviertel
Während die Szene wegen der Negativ-PR Benachteiligung oder gar Racheaktionen befürchtet, ermitteln die Behörden 1’500 Personen, die zur fraglichen Zeit in Itaewon unterwegs waren und sich angesteckt haben könnten. 2'400 von ihnen konnten laut «Korea Herald» bisher kontaktiert werden.
Wenn es um die potenzielle Nebenwirkungen geht, die eine Lockdown-Lockerung mit sich bringt, machen die aktuellen Test-Ergebnisse wenig Hoffnung auf schnelle Genesung: Am 6. Mai – dem Tag des positiven Befundes beim Club-Besucher –, verzeichnet Südkorea vier Neu-Infektionen.
Insgesamt werden dem Partygänger mittlerweile 86 Fälle zugeschrieben, rechnet der «Korea Herald» nach. 76 von ihnen sind jünger als 40 Jahre alt. Um Betroffenen die Angst vor einem sexuellen Outing zu nehmen, können Tests in Seoul neu auch anonym durchgeführt werden.
Gerade weil Jüngere betroffen sind, die die Ansteckung mitunter gar nicht bemerken und womöglich lange weitertragen, greift der Staat durch: Um die Ausbreitung zu verhindern, mussten nicht nur die betroffenen Clubs schliessen, sondern gleich die gesamte Gastronomie.
Der erneute Lockdown der Speise- und Unterhaltungsbranche soll mindestens zwei Wochen dauern, schreibt «Korea Jong An Daily» – und ergänzt noch, dass sich auch ein Amerikaner und zwei Franzosen im Amüsierquartier mit dem neun Coronavirus infiziert haben. Auch aus dessen Ursprungsland gibt es schlechte Neuigkeiten für die Welt.
Wieder mehr Neu-Infektionen in China und Deutschland
In China, wo die Zahl der Neu-Infektionen unter der Woche der Null zustrebte, sind Samstag 14 und Sonntag 17 neue Fälle dazugekommen. Von den 17 Ansteckungen sind zehn national – und die Hälfte davon gibt es in der Provinz Hubei in Wuhan, wo die Seuche ja offenbar ihren Ausgang nahm, die die Provinz doch so gern los hätte.
Und auch in Deutschland veränderte sich mit den vereinzelten Lockerungen in der vergangenen Woche die Statistik: Am Montag und Dienstag setzt sich mit 679 und 685 bei den Neu-Infektionen noch ein Abwärtstrend fort, am Mittwoch sind es 947, am Donnerstag plötzlich 1'248, Freitag 1'209, Samstag 1'251. Sonntag allerdings sinkt der Wert wieder auf 667 – ob also Corona-Lockerungen oder nur ein statistischer Ausreisser aus den Ziffern herauszulesen ist, muss sich erst noch zeigen.
Wie schnell man Schmutz verbreitet, weist übrigens die japanische «HDK» anschaulich nach Ein Gast an einem offenen Buffet bekommt fluoreszierende Creme an die Hand – und nach 30 Minuten sieht man im ultravioletten Licht, wie sich seine Spur bei allen Gästen wiederfindet.
NHK conducted an experiment to see how germs spread at a cruise buffet.
They applied fluorescent paint to the hands of 1 person and then had a group of 10 people dine.
In 30 min the paint had transferred to every individual and was on the faces of 3. pic.twitter.com/1Ieb9ffehp