Konfrontationskurs Kerrys Besuch in Shanghai offenbart das Dilemma von Bidens China-Politik

Von Sven Hauberg

15.4.2021

John Kerry, damals noch Aussenminister, bei einem Peking-Besuch 2016: Der Politiker ist nun als Klimaschutzbeauftragter der Biden-Regierung nach Shanghai gereist. 
John Kerry, damals noch Aussenminister, bei einem Peking-Besuch 2016: Der Politiker ist nun als Klimaschutzbeauftragter der Biden-Regierung nach Shanghai gereist. 
KEYSTONE

Harter Kritiker in Menschenrechtsfragen, Bittsteller, wenn es um den Kampf gegen den Klimawandel geht: Der China-Besuch von John Kerry findet unter schwierigen Vorzeichen statt.

Von Sven Hauberg

Ohne China geht es nicht. Mit China aber auch nicht. So lässt sich, verkürzt gesagt, das Dilemma zusammenfassen, vor dem der Westen derzeit steht.

Auf der einen Seite ist da der Klimawandel, das drängendste Problem der Weltpolitik – an dem China, als grösster Emittent von Kohlenstoffdioxid, seinen Anteil trägt. Wenn die Staatengemeinschaft es ernst meint mit ihrem Versprechen, die Erderwärmung zu begrenzen, dann ist das nur mit China möglich.

Auf der anderen Seite aber tritt China all die Werte, die der Westen vertritt, derzeit so kräftig mit Füssen wie lange nicht mehr. Stichworte: Xinjiang, Hongkong, Handelspolitik.



Mittendrin in diesem Dilemma stecken wie kein zweites Land die USA. Denn nicht erst seit den Tagen von Donald Trump geht Washington auf Konfrontationskurs zu Peking. Joe Biden mag sich in vielen Punkten von seinem Vorgänger unterscheiden – gegenüber China aber tritt er ähnlich entschlossen auf wie der sonst so erratische Trump.

Schwierige Gespräche in Shanghai

Es ist dieses Spannungsfeld, in dem nun John Kerry in Shanghai eingetroffen ist. Kerry, einst demokratischer Präsidentschaftskandidat, später Aussenminister und nun Klimaschutzbeauftragter der Biden-Regierung, ist in die ostchinesische Stadt gekommen, um mit seinem Amtskollegen Xie Zhenhua über die Erderwärmung zu sprechen. Kerry ist das erste hochrangige Mitglied der neuen US-Regierung, das dem kommunistischen Regime einen Besuch abstattet.

Im Gepäck hat er Forderungen an die chinesische Regierung. Das Land solle seinen CO2-Ausstoss noch weiter begrenzen als bereits geplant, so das US-Aussenministerium. Vor allem Chinas Kohlekraftwerke und die Schwerindustrie des Landes tragen zur schlechten Klimabilanz bei.



Während sich etwa die EU aus der Kohleverstromung verabschiedet, lässt Peking weiter fleissig Dutzende der schmutzigen Kraftwerke bauen. Manch Beobachter zweifelt, dass Peking sein Versprechen, bis zum Jahr 2060 CO2-neutral zu werden, einhalten kann. In gewisser Weise also kommt Kerry als Bittsteller nach Shanghai – wohlwissend, dass er und all die anderen Länder angewiesen sind auf die Mitarbeit Chinas im Kampf gegen die Erderwärmung.

Nur sind da aber eben auch all die anderen Probleme, für die China derzeit steht. In Hongkong lässt Staats- und Parteichef Xi Jinping die Demokratiebewegung mit aller Härter niederschlagen; die einst so weltoffene Stadt gerät immer mehr in die Fänge Pekings. In der nordwestlichen Provinz Xinjiang wiederum soll China eine Million Mitglieder der ethnischen Minderheit der Uiguren in Arbeits- und Umerziehungslager gesteckt haben. Und Taiwan gegenüber, einem demokratischen und freiheitlichen Staat, tritt Peking zunehmend aggressiv auf.

Harte Worte

Unter Donald Trump wurde der Menschenrechtsfrage kaum Priorität eingeräumt. Unter Joe Biden ist das nun anders. Ganz offen spricht die neue US-Regierung von einem Völkermord, der in Xinjiang passiere. Als Biden gut drei Wochen nach seiner Amtsübernahme erstmals mit Xi telefonierte, brachte er all diese Themen zur Sprache. Auch den Handelskonflikt zwischen beiden Ländern – eines der Lieblingsthemen von Trump – liess Biden nicht unerwähnt.



Xi reagierte wie erwartet auf das Gespräch mit Biden und sprach laut staatlichen Medien von einer «Konfrontation», die «katastrophal für beide Länder und die Welt ist». Wenn der Aussenpolitiker Kerry nun in Shanghai über Klimapolitik spricht, dürfe es ihm schwerfallen, diese Themen zu ignorieren.

Offiziell ist er im Land, um den virtuellen Klimagipfel vorbereiten, zu dem Biden für kommende Woche eingeladen hat. Ob Xi an den Gesprächen teilnehmen wird, ist noch offen. Auch wenn manch Beobachter meint, das Verhältnis zwischen den USA und China sei heute so schlecht wie seit 1979 nicht mehr, als beide Länder erstmals diplomatische Beziehungen zueinander aufgenommen hatten: Für den Kampf gegen den Klimawandel wäre eine Annäherung wohl ein gutes Zeichen.