Late Night USA Katerstimmung bei Kimmel, Colbert und Meyers

Philipp Dahm

7.11.2024

Katerstimmung: Den amerikanischen Late-Night-Hosts geht es wie dieser Harris-Anhängerin, die am 6. November in Washington D.C. fotografiert worden ist.
Katerstimmung: Den amerikanischen Late-Night-Hosts geht es wie dieser Harris-Anhängerin, die am 6. November in Washington D.C. fotografiert worden ist.
Keystone

Die traditionell linken Late-Night-Shows machen gute Miene zum bösen Spiel: Sie versuchen, Donalds Wahlsieg mit Fassung zu tragen. Wenn das nicht klappt, helfen Trotz, Humor – oder Alkohol.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die traditionell linken Late-Night-Shows haben viel über Donald Trump geschimpft, doch damit nie ein republikanisches Publikum erreicht.
  • Als eine der wenigen Damen im Business nervt sich Desi Lydic von der «Daily Show» darüber, dass keine Frau Trump geschlagen hat.
  • Stephen Colbert erklärt, warum Trumps Sieg für die Late-Night-Hosts kein Gewinn ist – und was das mit Toiletten zu tun hat.
  • Trumps Sieg lässt Jimmy Kimmels Kinder fluchen.
  • Schöne Bescherung: Für Seth Meyers war der Wahlabend wie die Nacht vor Weihnachten.

Für die amerikanischen Late-Night-Shows war die Sache klar: Mitunter haben sich Moderatoren wie John Oliver oder Jimmy Kimmel mit speziellen Videos direkt an Republikanerinnen und Republikaner gewendet, um sie aufzufordern, für Kamala Harris zu stimmen.

Das Problem: Niemand, der Trump-Fan ist, schaut diese Sendungen, die einzig und allein ein links-liberales Publikum unterhalten. Warum auch, wenn Shows wie «The Late Show with Stephen Colbert» Kamala Harris einladen – und deren verhinderter Vize Tim Walz ebenfalls bei Colbert, bei «Jimmy Kimmel Live» und der «Daily Show» zu Gast ist, aber niemand aus Trumps Lager?

Dass bei den Late-Night-Hosts nun der Katzenjammer gross ist und Katerstimmung herrscht, nachdem der 45. Präsident auch der 47. wird, liegt auf der Hand. So verarbeiten sie das Wahlergebnis, das für sie ein Schock ist.

«The Daily Show»: Ladys First

«Ich habe letzte Nacht zwei Stunden geschlafen und fühle mich wie S*******», räumt Desi Lydic gleich zu Beginn der «Daily Show» wegen des «Albtraums» ein. «Es ist offiziell: Amerika hat seinen ersten verurteilten Verbrecher zum Präsidenten gemacht – noch vor es seine erste Präsidentin gewählt hat.»

«Wie [Donald Trumps] Beziehung zu Eric war das nicht mal eng», sagt Lydic über den Wahlausgang. Und: «Vier weitere Jahre Eric-Witze: F*** me.»
«Wie [Donald Trumps] Beziehung zu Eric war das nicht mal eng», sagt Lydic über den Wahlausgang. Und: «Vier weitere Jahre Eric-Witze: F*** me.»
YouTube/The Daily Show

Die 43-Jährige kann es nicht fassen: «Wir hatten [mit Hillary Clinton und Kamala Harris] zwei qualifizierte, versierte Frauen, die für das Präsidentschaftsamt nominiert waren: Beide Male haben sie gegen den schlimmsten Mann im ganzen Land verloren.»

Jeder andere Mann werde zuerst ins Amt gehievt, bevor es eine Frau schafft, nervt sich die Moderatorin: «Der erste Präsident der [technikfeindlichen Glaubensgruppe] Amischen, der erste Mark-Wahlberg-Präsident», Lydic macht eine Kunstpause, «es gibt keine Regel, die besagt, dass ein Hund nicht Präsident werden kann – vorausgesetzt, es ist ein Rüde.»

«Ich bin ehrlich gesagt sehr, sehr verkatert»

Amerika sei zu ihrem «Drecksack-Ex» zurückgekehrt: Wer hat ihn gewählt? «Schnallt euch an, die Liste ist lang», sagt Lydic. Der Clip ab Minute 3:20 gibt die Antworten: Weisse Wähler, Männer und Erstwähler, junge Männer, ältere Wähler, Unter-30-Jährige, schwarze Männer, Latinos, Frauen in Vorstädten, arabische Amerikaner und weisse Männer werden genannt.

«Was auch immer verkehrt mit [Trump] ist – wir lieben es», meint Daisy Lydic.
«Was auch immer verkehrt mit [Trump] ist – wir lieben es», meint Daisy Lydic.
YouTube/The Daily Show

«Also ganz Amerika», meint Lydic. «Die Einzigen, die ihr nicht aufgezählt habt, sind schwarze Frauen und Leute im Koma.» Bleibt die Frage, wer für Harris' Niederlage verantwortlich ist – siehe Clip ab Minute 4:11: Die Demokraten seien zu links, heisst es hier. Und dort, dass die Demokraten sich nicht an Republikaner wie Liz Cheney hätten wenden dürfen.

Harris habe nicht hinter Israel standen, sagt einer. Und der andere vermisst Unterstützung für die Palästinenser. Sie habe sich nicht von Joe Biden distanzieren können. Sie hätte ihn aber auch nicht so ins Abseits stellen sollen. «Mir ist eigentlich egal, warum sie verloren hat», verzweifelt Lydic. «Mich kümmert, warum er gewonnen hat.»

Es bräuchte eine Nachricht der Hoffnung. «Aber ich bin leider zu deprimiert und ehrlich gesagt sehr, sehr verkatert.»

«The Late Show with Stephen Colbert»: «F***»

«Nun: F***», beginnt Stephen Colbert in der «Late Show» seinen Monolog. «Es ist passiert. Schon wieder.» Der Schock sei gross, doch die Sache habe auch ihr Gutes: «Zumindest werden wir eine friedliche Machtübergabe haben.»

Wie Stephen Colbert den Wahlausgang findet – das nennt man dann «Symbolbild».
Wie Stephen Colbert den Wahlausgang findet – das nennt man dann «Symbolbild».
YouTube
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Oft werde ihm gesagt, er müsse sich doch freuen, weil er nun vier weitere Jahre gutes Material bekäme, erzählt der 60-Jährige. «Nein, niemand sagt dem Typen, der das Klo reinigt: Wow, du liebst es bestimmt, wenn jemand explosiven Durchfall hat – da gibt es so viel Material, mit dem du arbeiten kannst.»

Die Mehrheit habe demokratisch entschieden, und sie habe entschieden, dass die Demokratie sie nicht so kümmere, meint Colbert. Ein Lichtblick sei der Blick zurück aufs Jahr 2016: «Die autoritäre Herrschaft, die die Demokraten und die Presse vorhergesagt haben, trat nie ein», schreibt das «Wall Street Journal». «Herr Trump war zu undiszipliniert und seine Aufmerksamkeitsspanne zu kurz.»

«Die kommenden vier Jahre werden faszinierend»

«Er ist nicht fokussiert genug, ein Faschist zu sein», gibt Colbert sich erleichtert. «Sie haben vielleicht versprochen, Immigranten in Lager zu stecken, aber sie haben nicht die Konzentration.»

Ein Grund für die Niederlage der Demokraten könnte sein, dass die Wählenden nicht wussten, wer antritt, so Colbert: Viele Leute haben am Wahltag danach gegoogelt, ob Biden noch im Rennen sei, weiss «Fortune». «Man könnte auch googeln», regt sich der Moderator auf: «‹Warum kein Bill Cosby mehr?› ‹Tupac [Shakur] neue Musik wann?›»

Colbert endet: «Die kommenden vier Jahre werden faszinierend, und ich benutzte den Ausdruck ‹faszinierend› hier auf dieselbe Art, wie es [Star-Trek-Figur] Mister Spock tut, wenn die Enterprise in ein Schwarzes Loch gesogen wird.»

«Jimmy Kimmel Live»: Eine «schreckliche Nacht»

«Das war der schlimmste Taco Tuesday meines ganzen Lebens», eröffnet der Namensgeber von «Jimmy Kimmel Live» seinen Show-Monolog. «Wir hatten die Wahl zwischen einer Staatsanwältin und einem Kriminellen, und wir haben uns dafür entschieden, dass der Kriminelle Präsident der Vereinigten Staaten wird.»

Jimmy Kimmel (rechts) packt seine Sachen, um auszuwandern. Sein «Vize» Guillermo Rodriguez ohrfeigt ihn und sagt, er werde in den kommenden vier Jahren noch gebraucht.
Jimmy Kimmel (rechts) packt seine Sachen, um auszuwandern. Sein «Vize» Guillermo Rodriguez ohrfeigt ihn und sagt, er werde in den kommenden vier Jahren noch gebraucht.

Der 56-Jährige lästert darüber, dass die Wahl ganz plötzlich nicht mehr geschoben war, obwohl Trump das so ausgiebig thematisiert hat. «Letztes Mal haben die Demokraten betrogen. Diesmal haben wir uns wohl dagegen entschieden, denke ich.»

Nicht nur der Moderator war vom Wahlausgang mitgenommen. Auch seine Kinder hätten gelitten. «Immer dann, wenn etwas Schlechtes passiert, dürfen unsere Kinder 30 Sekunden lang fluchen. Und alle Worte, die sie nehmen, sind Schimpfwörter.» Das habe seiner Frau beim Zmorge auch Tochter Jane gesagt.

«Sie wissen es nur noch nicht»

In dem Moment, in dem die Tochter losgelegt habe, sei sein Siebenjähriger die Treppe runtergekommen und habe gefragt, was los sei. Als die Mutter Billy eröffnet habe, dass Trump gewonnen habe, habe der nur «F***» gerufen. «Beinahe wäre die Wahl es das wert gewesen», findet Kimmel zu der Szene.

Harris habe Trump angerufen und ihre Wahlniederlage eingeräumt, so Kimmel: «Und dann hat sie erklärt, was ‹Wahlniederlage einräumen› heisst.» Die Abstimmung sei ruhig verlaufen – abgesehen von den Bombendrohungen in Bezirken in Arizona, Georgia und Michigan, die grossteils demokratisch wählen.

«Sie kommen anscheinend aus Russland», sagt Kimmel. «Man erkennt, dass den Russen die Ideen ausgehen, unsere Wahlen zu stören, wenn sie dieselben Tricks nutzen, mit denen Kids in den 80ern den Sportunterricht geschwänzt haben.» Sein Fazit: «Es war eine schreckliche Nacht.» Auch für jene, die Trump gewählt hätten. «Sie wissen es nur noch nicht.»

«Late Night with Seth Meyers»: Überraschung im Kamin

«Ich möchte heute mit etwas anfangen, von dem ich möchte, dass ihr es wisst: Ich habe für Kamala Harris gestimmt», startet «Late Night with Seth Meyers». «Ich weiss: Meyers behält Sachen für sich. Niemand weiss, wo Meyers steht. Und ihr müsst noch etwas wissen: Immer, wenn ich in der dritten Person von mir rede, ist das ein klares Zeichen, dass etwas in Meyers' Hirn in der letzten Nacht ein bisschen kaputtgegangen ist.»

Er habe einige «Kamalakazi»-Kurze getrunken, weil er nicht habe schlafen können. «Es ist wie am Heiligabend, wenn du weisst, dass man am ersten Weihnachtsfeiertag aufwacht und der Weihnachtsmann entweder Geschenke gebracht oder fett in deinen Cheminée gekackt hat.»

Er habe die Wahlnacht in dem Wissen verfolgt, dass er bald darauf in seiner Show darüber reden müsse. Er wolle sich die Freude aber nicht nehmen lassen – selbst wenn das Thema nicht fröhlich sei. Es sei «selbst an einem Morgen wie diesem» ein Privileg, in Amerika zu leben. Die Mission seines Teams sei, weiterhin Leute zum Lachen zu bringen.