Late Night USA Hochverrat hausgemacht – mit ihm braucht man keinen Whistleblower

Von Philipp Dahm

20.9.2019

Details ausgeplaudert: Donald Trump hat an der Grenze die Lacher auf seiner Seite.
Details ausgeplaudert: Donald Trump hat an der Grenze die Lacher auf seiner Seite.
Screeenshot: YouTube

Ob an der Heimatfront vor seiner Grenzmauer oder auf internationalem Parkett: Bei Donald Trump ist so gut wie kein Geheimnis sicher. Dazu fällt den Late-Night-Hosts auch (fast) nichts mehr ein. 

«Gestern ist Präsident Trump nach San Diego geflogen, um einen Teil seines bescheuerten Grenzzaunes zu besichtigen, der angeblich nur eine Ersatzbarriere in einem Gebiet ist, in dem es bereits kleinere Zäune gab», beginnt Seth Meyers gewohnt giftig den Monolog seiner «Late Night»-Show. «Und wie immer war Trump von den dümmsten Details beeindruckt – so sei die Mauer angeblich superheiss.»

«Man kann ein Ei an der Mauer backen», erklärte der Präsident vor laufenden Kameras, was Meyers so kommentiert: «Ich weiss, es gibt vieles, was er nicht versteht, aber ich wusste nicht, dass die Gravitation auch auf der Liste ist.» Er kenne zwar die Redewendung «so heiss, dass man ein Ei darauf braten kann» – aber nicht im Zusammenhang mit einem Wall. Es ist aber nicht die einzige Logik-Falle, in die der Republikaner bei diesem Grenzbesuch tappt.

Ab Minute 1:35 sehen wir, wie der oberste Feldherr in Kriegszeiten ohne Not drauf und dran ist, einen Geheimnisverrat zu begehen. «Eine Sache, über die wir noch nicht gesprochen haben, ist Technologie: [Die Mauer] ist verkabelt, damit wir wissen, wenn jemand da durch will. Vielleicht wollen Sie ein bisschen darüber erzählen, General?» Die Antwort des Grenzwächters entbehrt nicht einer gewissen Komik. «Sir, es könnte ein Vorteil sein, nicht darüber zu reden.»

Das Haupthaar schütter, das Selbstvertrauen nicht: Donald Trump.
Das Haupthaar schütter, das Selbstvertrauen nicht: Donald Trump.
Screenshot: YouTube

Trump legt den Kopf schief und sagt dann: «Okay. Gefällt mir. Das war eine grossartige Antwort.» Einer seiner Bodyguards kichert: «Yeah.» Die Szene grenzt an Slapstick. Und Trump? Wiederholt einfach noch mal, was er bis jetzt schon verraten hat: «Ich sage nur, dass sie verkabelt sind.»

«Mein Gott», findet dann auch Meyers. «Der Typ soll unser oberster Kriegsherr sein. Können Sie sich vorstellen, wie er im Zweiten Weltkrieg kommuniziert hätte? Okay, wir planen einen Angriff auf die Deutschen an einem nicht genannten Ort. General, erzählen Sie den Leuten doch mehr zur Normandie-Landung… Sie sagten, das sei ein Strand in Frankreich. Stimmt doch, oder?»

Robert Muellers Schatten wird Donald Trump nicht los.
Robert Muellers Schatten wird Donald Trump nicht los.
Screenshot: YouTube

Für seine Grenzmauer habe der Präsident Mittel aus dem Katastrophenschutz, bei der Kinderbetreuung für Soldaten und von den Militärakademien abgezogen. «Und er will die Mauer so verzweifelt bis 2020 fertigstellen, dass er denjenigen sogar Amnestie versprochen hat, die dafür das Gesetz brechen müssten.» Privates Land, das der Mauer im Weg steht? Umweltauflagen, die stören? Alles vernachlässigbar, glaubt das Weisse Haus.

Der neueste Bock, den Trump geschossen hat: Der New Yorker hat einem ausländischen Staatsmann ein Versprechen gegeben, das seinen eigenen Geheimdienst nervös macht. Wer der Unbekannte ist und was diesem am Telefon versichert worden ist, zeigen auch die Ausschnitte ab Minute 3:56 nicht. Ein Whistleblower hat beim Geheimdienst-Koordinator deswegen Beschwerde eingereicht.

Wie Meyers Putin auf den Schirm bringt: «Remember, it’s a promise from the United Stated made by Trump to an international leader but we do not know the name…. Could be anyone»
Wie Meyers Putin auf den Schirm bringt: «Remember, it’s a promise from the United Stated made by Trump to an international leader but we do not know the name…. Could be anyone»
Screenshot: YouTube

Dann liest Meyers das Twitter-Dementi von Donald Trump vor, in dem er fragt, ob jemand so dumm sei, die Story für wahr zu halten. «Es ist nicht so, dass wir dumm genug sind, das zu glauben. Wir sind klug genug zu glauben, dass du dumm genug bist, so was zu tun.»

Dass Trump derart unverfroren zu Werke geht, sei nicht verwunderlich: Bisher hatten seine Handlungen keine Konsequenzen – trotz dem Bericht von Robert Mueller, der zeige, wie Trump sich von Russland unter die Arme hat greifen lassen. Dennoch verlören sich die Demokraten eher in Wortklauberei, statt ein Amtsenthebungsverfahren anzustrengen, so der Talkmaster.  Zum Ende des Monologs spricht Meyers noch über Corey Lewandowski, der in einer Anhörung dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses Rede und Antwort stehen sollte.

Antworten lieferte der Lobbyist und frühere Wahlkampfmanager Trumps im Ausschuss nicht, deshalb ersparen wir Ihnen das Ende von «Late Night with Seth Meyers» und zeigen Ihnen lieber, wie der 46-Jährige von CNN-Journalistin Alisyn Camerota interviewt wird. Wir geben diesen wundervollen Dialog en Detail wieder, doch auch das Original ist dank der beiden Protagonisten in Englisch hörenswert.

Camerota: Sie haben also [im Ausschuss] bestätigt, dass Sie aufgefordert wurden, die Justiz zu behindern?

Lewandowski: Nein, Alisyn, bitte! Das habe ich überhaupt nicht bestätigt. Und ganz nebenbei: Der Mueller-Bericht hat sehr deutlich gemacht, dass es keine geheimen Absprachen und keine Justizbehinderung gab.

Camerota: Das ist nicht, was im Mueller-Bericht steht, Corey!

Lewandowski: Und ob das da steht!

Camerota: Corey!

Lewandowski: Sie sollten die Seite lesen, auf der das steht. Und «Bob» Mueller hatte die Gelegenheit, das zu bezeugen.

Camerota: Warten Sie mal eine Sekunde, Time-out – haben Sie den Mueller-Bericht gelesen?

Lewandowski: Nein, das habe ich nicht.

Camerota: Woher wissen Sie dann, was drinsteht?

Lewandowski: Die Kongressabgeordneten haben gestern deutlich klargemacht, was drin war, und deshalb....

Camerota: Nein, Corey, nein. Sorry, wir lassen nicht zu...

Lewandowski: Haben Sie den Bericht gelesen?

Camerota: Natürlich habe ich...

Lewandowski: Alisyn, haben Sie den Bericht gelesen??

Camerota: Natürlich musste ich...

Lewandowski: Sie haben den ganzen Bericht gelesen???

Camerota: Corey, natürlich musste ich den kompletten Bericht lesen. Lassen Sie mich Ihnen erzählen, was drinstand.

Lewandowski: Erzählen Sie es mir!

Camerota: Es gab zehn verschiedene Beispiele von Justizbehinderung.

Lewandowski: Das steht nicht drin. Es stand nicht darin, dass es zehn Fälle von Behinderung gab. Alisyn, Sie sind unaufrichtig!

Camerota: Corey, hier sind sie. Ich werfe sie für Sie auf den Bildschirm.

Lewandowski: Okay, werfen Sie bitte den Mueller-Bericht auf den Schirm. (Nach der Einblendung) Alisyn, das ist nicht der Mueller-Bericht! [...] Wie können Rechtsexperten sich auf [Justizbehinderung] festlegen, wenn sie gar nicht alle Fakten dieses Falls kennen? Das ist so was von unehrlich, als sogenannter Rechtsexperte so vorzuverurteilen, ohne beide Seiten gehört zu haben. [...]

Camerota: Corey, alle Beispiele sind so im Mueller-Bericht festgehalten. Dinge, für die Normalbürger angezeigt und verurteilt worden wären, aber ein amtierender Präsident nicht. Sie wissen darum!

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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