Late Night USA «Hätte ich verloren, würde ich sagen, dass ich einen guten Job gemacht habe»

Von Philipp Dahm

8.12.2020

Gibt Gegenwind: Stephen Colbert.
Gibt Gegenwind: Stephen Colbert.
Screenshot: YouTube

Im Januar geht es bei Stichwahlen in Georgia um die Mehrheit im US-Senat. Donald Trump «hilft» den republikanischen Kandidaten, von denen einer sich im TV übel hat vernichten lassen, wie die «Late Show» zeigt.

Die Pandemie wütet in den USA wie nie zuvor: Seit dem 5. Dezember liegt die Zahl der Neuinfektionen bei über 200'000 pro Tag. Mehr als 283'000 Amerikaner sind der Seuche bereits erlegen – und am Wochenende erreichten die Spital-Einlieferungen ein neues Rekordhoch.

Wenn schon «record high», dann doch lieber auf der heimischen Couch, wo man niemanden gefährdet, witzelt Stephen Colbert in seiner «Late Show». Doch wenn man Deborah Birx Glauben schenkt, ist der aktuelle Zustand nur die Spitze des Eisberges.

Die Chefin der Corona-Taskforce befürchtet, die Winterwelle werde sich – ganz allgemein – zum «schlimmsten Ereignis der US-Geschichte» entwickeln. Der Unterschied zu anderen historischen Katastrophen wie etwa dem Angriff auf Pearl Harbor sei, dass am 7. Dezember 1941 nicht derart viele Amerikaner bezweifelt haben, was passiert ist, so Colbert.

«Peinlicher wäre, wenn er seine Cousine geheiratet hätte»

Prominentester Neupatient in den USA ist zweifelsohne Rudy Giuliani. Das Problem: Trumps Anwalt ist zuletzt viel unterwegs gewesen, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl anzufechten und hat in diversen Bundesstaaten stundenlange Gespräche ohne Maske geführt.

Rudy Giuliani fragt die Zeugin, ob sie nicht die Maske abnehmen wolle, um sie besser zu verstehen. Sie behält den Gesichtsschutz aber lieber auf. Zu Recht, wie man heute weiss.
Rudy Giuliani fragt die Zeugin, ob sie nicht die Maske abnehmen wolle, um sie besser zu verstehen. Sie behält den Gesichtsschutz aber lieber auf. Zu Recht, wie man heute weiss.
Screenshot: YouTube

Giuliani hat sogar jene Zeugen, die er ausgegraben hat, gebeten, ihren Mundschutz abzunehmen – zu sehen ab Minute 2:44. Und weil Giuliani in  Arizona gleich zwei Tage mit regierenden republikanischen Abgeordneten verbracht hat, hat sich die dortige Regierung selbst eine Woche Quarantäne auferlegt.

Colbert kommentiert: «Hier also eine Teil-Liste dessen, was Rudy seit der Wahl erreicht hat: Er hat 48 Prozesse verloren, ist vor laufender Kamera geschmolzen, hat im Gericht gefurzt, hat Covid bekommen und die Legislative eines Bundesstaates lahmgelegt. Peinlicher wäre bloss, wenn er seine eigene Cousine geheiratet hätte.» Fun Fact: Giuliani ist tatsächlich mit seiner Cousine verheiratet.

Warum die Stichwahl in Georgia so wichtig ist

Ob Donald Trumps Anwalt wirklich 48 Prozesse verloren hat, darf bezweifelt werden, aber Fakt ist, dass alle juristischen Einsprüche gegen die Präsidentschaftswahl gescheitert sind. Ende November etwa hat Trumps Team 3 Millionen Dollar in eine Nachzählung in Wisconsin investiert. Ergebnis: 87 Stimmen mehr für Joe Biden.

Late Night USA – Amerika verstehen
blu News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Kurz vor Beginn der «Late Show» hat auch Georgia sein Wahlergebnis bestätigt. Zum dritten Mal. «Wie heisst es so schön? Das dritte Mal ist wie das erste und zweite Mal – nur sehr viel demütigender», ätzt Colbert. Und trotz der Niederlage hat das Weisse Haus Druck auf Georgias republikanischen Gouverneur ausgeübt, dass seine Wahlleute trotzdem für Trump stimmen, berichtet die «Washington Post».

Der US-Präsident selber ist am vergangenen Samstag mal wieder auf dem Podium gewesen – und zwar in Georgia. Mit gutem Grund: Dort finden am 5. Januar Stichwahlen um zwei Senatorensitze statt: Gewinnen die Demokraten, übernehmen sie die Mehrheit im Senat. Gewinnen die Republikaner, können sie Biden durch den Senat blockieren.

Trump «hilft» Stichwahl-Kandidaten

Trump sagt (im Video ab Minute 6:00): «Wenn ich verloren hätte, wäre ich ein sehr gütiger Verlierer. Wenn ich verloren hätte, würde ich sagen, dass ich verloren habe, es locker nehmen, nach Florida gehen, rumlaufen und erzählen, dass ich einen guten Job gemacht habe.» So wie in seiner Präsidentschaft, lästert Colbert. Keine gute Arbeit macht der Präsident aber mit Blick auf die beiden Parteifreunde, die er unterstützen soll.

«Hilfe» vom Präsidenten: Donald Trump am 5. Dezember beim Wahlkampf in Georgia.
«Hilfe» vom Präsidenten: Donald Trump am 5. Dezember beim Wahlkampf in Georgia.
Screenshot: YouTube

Er mache nicht gern Wahlkampf für andere, erzählt Trump frank und frei. Als die beiden Senatsanwärter ihn gefragt hätten, ob er für einen Auftritt kommen wolle, habe er geantwortet: «Nicht wirklich. Ich habe 56 davon gemacht.» Colbert witzelt, das habe er auch auf die Frage gesagt: «Wollen Sie diese Frau zu ihrer Frau nehmen?»

Nicht mal das Wahldatum hat Trump auf der Pfanne, als er der Menge bedeutet, dass bei der Stichwahl «am  5. Juni» einfach alles auf dem Spiel stünde.

Vernichtet im TV-Duell

Und die Kandidaten in Georgia selbst? Die sollten im Lokal-TV miteinander diskutieren. Bereits vor dem letzten Urnengang am 29. Oktober trafen der amtierende Senator David Perdue und sein demokratischer Herausforderer Jon Ossoff aufeinander – zu sehen ab Minute 8:20. Die Szene ist erstaunlich: Ossoff, 33, vernichtet den 70-jährigen Perdue richtiggehend.

Jener habe in der Pandemie versagt, weil er zu beschäftigt mit seinem Rechtsstreit sei, weil Perdue Insiderhandel vorgeworfen wird. «Sie sind nicht nur ein Verbrecher», klagt Ossoff an, «sie gefährden auch noch die Gesundheit der Leute, die sie repräsentieren. Warum, Senator?» Und Perdue steht da und verzieht keine Miene. «Verdammt», staunt Colbert, «Ossoff hat ihm gerade [den Arsch aufgerissen].»

Was für eine Szene! Demokrat Jon Ossoff, 33, liest David Perdue, 70, die Leviten. 
Was für eine Szene! Demokrat Jon Ossoff, 33, liest David Perdue, 70, die Leviten. 
Screenshot: YouTube

Wie hat sich Perdue nach diesem Debakel nun bei der Wiederholung des TV-Duells geschlagen? Ganz einfach: gar nicht. Sein Podium blieb bei der zweiten Debatte leer.

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