Late Night USAGeht doch – wie Bidens Billionen Republikanern Beine machen
Von Philipp Dahm
12.8.2021
Und sie bewegt sich doch, die Politik in Washington: Die USA haben ein 41-mal höheres Budget als die Schweiz abgesegnet – und sogar Republikaner spielen mit. Ausserdem thematisiert Stephen Colbert Impfängste und Koks.
Von Philipp Dahm
12.08.2021, 18:48
12.08.2021, 18:53
Philipp Dahm
«Etwas Unglaubliches ist heute im Senat passiert», kommt The Late Show with Stephen Colbert gleich auf den Punkt: «Denn sie haben das 1,11 Billionen Franken Infrastruktur-Gesetz abgesegnet.» Wie soll man sich so eine irre Summe vorstellen? «Wenn man 1,2 Billionen Ein-Dollar-Noten nimmt und sie aneinanderlegt, ist das eine bessere Strasse als jene, auf denen wir heute fahren.»
Die Abstimmung in Washington folgt dabei für einmal nicht der Parteigrenze, die im Senat bei jeweils 50 Stimmen liegt: 19 Republikaner stimmten dem Paket ebenfalls zu. «Das letzte Mal, als sich so viele Republikaner auf die andere Seite bewegt haben, war, als sie [am 6. Januar beim Sturm aufs Kapitol] Nancy Pelosis Podium stehlen wollten.»
Selbst der republikanische Minderheitsführer im Senat ist auf Seite der Demokraten: Auch Mitch McConnell hat dem Infrastruktur-Paket zugestimmt. «Trolle lieben nun mal Brücken», lästert Colbert. Aber immerhin: Es bewegt sich was im politischen Washington. Was die Republikanerin Shelley Moore Capito daraus für Schlüsse zieht?
Die findet, dass die Demokraten nun ihren Feldzug gegen den Filibuster einstellen könnten, weil man in Washington jetzt ja plötzlich so gut zusammenarbeiten könne. Dabei geht es vereinfacht gesagt darum, dass die republikanische Minderheit mit bürokratischen Formalien verhindern kann, dass Gesetze beschlossen werden.
Colbert sieht das anders: «Das ist kein grosser Wurf. Es ist das Wenigste, was wir erwarten. Der Senat hat schon immer Strassenbau-Gesetze abgesegnet. Infrastruktur-Ausgaben sind eine grosse amerikanische Tradition.»
USA mit 41-mal höherem Staatsbudget als die Schweiz
Alleine 60 Milliarden Franken seien für den Eisenbahn-Ausbau des Fracht- und Passagiernetzes vorgesehen. Weitere Mittel fliessen in den Ausbau des Breitband-Internets und in elektronische Schulbusse. «Die Bullys [in der Schule] werden dich nicht mehr mit Papierkügeli aus Plastikröhrlis bespucken, und Wedgies sind jetzt glutenfrei», kaspert Colbert.
Das Gesamtbudget, das der Senat durchgewunken hat, beläuft sich auf 3,5 Trillion Dollar, also 3,23 Billionen Franken. Zusätzliche Mittel fliessen in den USA in Bereiche wie das Gesundheitswesen, kostenfreie Vorschulen und Klima-Programme. Zum Vergleich: Bern will 2022 77,1 Milliarden Franken ausgeben.
Um das Budget durchzupeitschen, haben die regierenden Demokraten auf einen bestimmten Wahlmodus gesetzt, sodass die Abstimmungen über 14 Stunden gedauert haben. Ein kleiner Marathon – so wie der Impfeffort in den USA, der nicht mehr so kräftig vorankommt wie noch im Frühjahr.
Impfzombies? Nein, Danke!
Das liegt auch an den Falschinformationen im Internet, weiss Stephen Colbert: Facebook habe gerade eine solche Kampagne gelöscht, nach der die Impfung den Menschen in Schimpansen verwandele. Russische Kreise sollen dahinter stecken. Die Amerikaner würden die wüstesten Dinge glauben, erzählt der 57-Jährige.
So hat eine Frau aus einer Firma, die alle ihre Angestellten impfen lassen wollte, gesagt, sie lehne den Schuss ab, weil es ein Impfstoff gewesen sei, der die Figuren im Film «I Am Legend» zu Zombies gemacht habe. «Sie liegt falsch», erläutert Colbert: In dem Streifen wollen Wissenschaftler Krebs mit mutierten Masern heilen, erweisen der Menschheit aber einen Bärendienst, als sie versehentlich die Zombie-Mutante erfinden.
«Impfstoffe spielen in der Handlung keine Rolle», verdeutlicht der Gastgeber. «Wisst ihr, was das heisst? ‹I Am Legend› hat eine Handlung. Ich hatte ja keine Ahnung!»
Late Night USA – Amerika verstehen
Bild: blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Zahlen-Dealer
Unwahrheiten – gerade auch mit Blick auf die Mär der gestohlenen Wahl – verbreite auch das One American Newsnetwork (OAN), findet Colbert. Doch der rechte Sender hat nun Ärger am Hals: Dominion Voting Systems hat eine Milliardenklage eingereicht, weil OAN wissenschaftlich falsch über ihre Wahl-Maschinen berichtet haben soll.
Genauer: OAN hat den Mathematik-Experten Ed Solomon zu Wort kommen lassen, der meinte, die Zahlen der Wahl 2020 würden nicht aufgehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei, liege bei einem «Exponenten, der so gross ist, dass es nicht genügend Sterne im Universum, dass es nicht genug Atome im Universum gibt, um diese Zahlen zu erklären».
«Das tönt ziemlich eindrücklich», meint Colbert – nur um dann aufzulisten, dass der Experte gar kein Mathematiker ist, noch nicht mal einen College-Anschluss hat und eigentlich Schaukeln verkauft. Zudem wurde er als Drogen-Dealer überführt: «Ich frage mich, ob seine Schaukel-Kunden davon wissen: ‹Honey, der Typ ist fertig mit dem Aufbau vom Klettergerüst, aber er sagt, er hat etwas, das es auch für Erwachsene lustig macht: Es ist Kokain!›»