Während Donald Trump den Sturm aufs Kapitol als «Liebesfest» verklärt, wird ein Republikaner-Treffen für seinen Junior zum Fanal. Und nicht zuletzt gibt Stephen Colbert auch Marjorie Taylor Greene noch einen mit.
Von Philipp Dahm
14.07.2021, 06:52
14.07.2021, 06:53
Philipp Dahm
Die Sommerpause der Late-Night-Shows ist vorbei. Weil Jimmy Kimmel noch in den Ferien ist, moderieren Gäste seine Sendung. Während Seth Meyers nach wie vor nur vor seinen Autoren aufzeichnet, sendet Stephen Colbert wieder aus seinem New Yorker Ed Sullivan Theatre.
Was Amerika in seiner Abwesenheit nicht geschafft hat, beginnt der Gastgeber, ist Joe Bidens Ziel zu erreichen, bis zum Nationalfeiertag am 4. Juli 70 Prozent der Bevölkerung wenigstens einmal geimpft zu haben. «70 Prozent, das ist nicht mal eine 4», meint Colbert. «Wenn das eine Gesundheitsklasse wäre, hätten wir sogar Mühe, einer Banane ein Kondom überzustülpen. Diese Banane wird ungewollte Plantagen haben.»
Das Problem: Je weniger den Schuss bekommen haben, desto mehr Landsleute werden krank, erklärt der 57-Jährige. Die Folge: «In der letzten Woche gab es in 42 Bundesstaaten einen Anstieg der Corona-Fälle.» Dann ruft Colbert aus: «Nein, Amerika, die Pandemie muss enden. Ich habe meine Trainer und den angesetzten Sauerteig bereits weggeworfen und meine Händedesinfektion ausgetrunken.»
Dabei entstünden die Covid-Hotspots dort, wo besonders wenig Menschen geimpft sind. «Kommt Leute, holt euch den Schuss», bittet Colbert. «Wollt ihr, dass die Promis wieder singen? Haben wir nicht genug durchgemacht?» Mittlerweile betreffen in den USA inzwischen 51 Prozent der Fälle die Delta-Variante.
«Sagt NEIN»
Jene sei derart gefährlich, «dass Experten warnen, sie könnte zu einer ‹überraschenden Zahl von Toten› führen. Das ist niemals eine Kombination, die man gern hört. So wie vollkommen natürliches Deodorant oder eine Dinner-Party mit kleinen Tellern». Und dennoch würden die Republikaner ihren Wählern weiterhin weismachen, sie bräuchten gar keine Impfung.
So wie die Abgeordnete aus Georgia, Marjorie Taylor Greene. Das Publikum reagiert auf den Namen mit Unwillen. «Auf dem Teleprompter, kein Scherz, steht: ‹Pausieren für Buh-Rufe›», lacht Colbert. Was die kontroverse Republikanerin nun wieder angerichtet hat?
In einem inzwischen wieder gelöschten Tweet schreibt die QAnon-Anhängerin: «Tausende Leute berichten von sehr ernsten, lebensverändernden Nebenwirkungen des Covid-Impfstoffs. Die sozialen Netzwerke zensieren ihre Geschichten und die Medien schweigen. Biden will in die Häuser kommen, um Impfungen durchzudrücken. Sagt einfach NEIN.»
Nebenwirkung «Weiterleben»
«Genau», kontert Colbert, «so ernste, lebensverändernde Nebenwirkungen wie am Leben bleiben. Greenes Anspielung auf Biden bezieht sich übrigens auf ein Programm der Regierung, das das Bewusstsein für die Pandemie schärfen soll: Der politische Gegner macht indes aus der Aufklärungs- eine Impfzwang-Kampagne.»
Und da wir schon bei den Republikanern sind, blicken wir auf die Conservative Political Action Conference (CPAC) zurück, die am letzten Wochenende in Dallas, Texas, abgehalten wurde: Eigentlich heisst CPAC ja caucasian people are complaining – Weisse beschweren sich –, scherzt der Washingtoner.
Seit 1974 trifft sich beim CPAC die amerikanische Rechte einmal jährlich, um die Befindlichkeiten der Konservativen auszuloten. Dabei hat es im Februar bereits eine CPAC in Florida gegeben, die einerseits durch ein runenähnliches Podium und andererseits durch eine goldene Statue von Donald Trump auffiel, mit der man sich – gegen Geld – fotografieren lassen konnte.
Peinliche Momente
«Aber die GOP [Grand Old Party alias die Republikaner] hat ihre Lektion gelernt», feixt Colbert, «weshalb das Podium an diesem Wochenende wie ein Riesen-Penis aussah.» Viele hätten Reden gehalten, doch am meisten sei Donald Trump Junior in Erinnerung geblieben.
Late Night USA – Amerika verstehen
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50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
«Don Junior hat versucht, seine Rede in Dallas, Texas, mit einem Witz über Texas zu garnieren, und die Texaner fanden es nicht so gut», erklärt Colbert, bevor der entsprechende Ausschnitt bei Minute 5:56 beginnt: «Texas war immer ganz vorne», sagt da der Sohn des Ex-Präsidenten. «Nun ja, bis vor ein paar Monaten, und dann hat Austin übernommen.»
Hat Don Junior vergessen, dass er in Texas ist oder dass Austin auch in Texas ist? Der 43-Jährige scheint seinen Fehler bemerkt zu haben. «Ihr seid immer noch in den Top 25.» Im Publikum gibt es keine Reaktion. «Wir müssen daran arbeiten, denn diese Leute sind verrückt», sagt Junior und lächelt. Wieder keine Reaktion. Die Mundwinkel rutschen nach unten. «Richtig?», fragt der New Yorker und sieht sich um.
«Also, ich mache ja professionell Comedy», lästert der Gastgeber. «Lasst mich erklären: In unserer Branche nennen wir das ‹Comedy nicht professionell machen›. Du weisst, dass du es versaut hast, wenn du in die Ferne starrst, um zu gucken, ob jemand zu Hilfe kommt. Richtig?» Colbert schaut hilfesuchend in die Ferne.
Und auch Donald Trump senior hat sich mal wieder zu Wort gemeldet – natürlich per Live-Anruf bei seinem Haus- und Hofsender Fox News – zu sehen ab Minute 7:11. Der Ex-Präsident spricht über den Sturm aufs Kapitol im Januar.
«Da war so viel Liebe bei der Wahlkampfveranstaltung, und es waren friedliche Leute», erzählt Trump. «Das waren tolle Leute. Die Menge war unglaublich, und ich habe ja das Wort Liebe erwähnt. Die Liebe in der Luft. So was habe ich noch nie gesehen.»
Liebesfest beim Kapitol
«Wir haben den Aufstand alle live gesehen, wir wissen also, was passiert ist», so Colbert. «Aber der frühere Präsident behauptet, die Sender würden geheime Aufzeichnungen zurückhalten, die beweisen sollen, dass der Sturm eigentlich ganz grossartig war.»
Dann folgt Trump, der meint, das Fernsehen habe «Hunderte Stunden» entsprechendes Material. «Es gab auch ein Liebesfest zwischen der Polizei und den Leuten, die zum Kapitol gelaufen sind.» «Ein Liebesfest?», lacht Colbert und stimmt einen alten Bon-Jovi-Song an: «You Give Love a Bad Name», trällert der Moderator.
Colbert beendet seinen Monolog mit Richard Bransons Flug an den Rand des Weltraums: Die Passagiere von Virgin Galactic haben dabei aber nur vier Minuten Schwerelosigkeit geniessen dürfen. «Er hat es kaum hineingeschafft, und es hat gerade mal ein paar Minuten gedauert?», grinst Colbert. «Tja, das ist Virgin» – was im Englischen auch Jungfrau bedeutet.