Erzkonservativer TV-SenderFox News will nichts mehr mit Donald Trump zu tun haben
Von Jan-Niklas Jäger
4.3.2023
Lange Zeit galt Fox News als Donald Trumps Hofsender. Jetzt geht die TV-Station auf Distanz. Doch die Geschichte des Senders und seines einstigen Lieblingspräsidenten ist kompliziert.
Von Jan-Niklas Jäger
04.03.2023, 00:00
Von Jan-Niklas Jäger
Als der ultrakonservative Nachrichtensender Fox News infolge der zahlreichen Niederlagen von Kandidat*innen, die die Unterstützung Donald Trumps genossen, Floridas Gouverneur Ron DeSantis zum «neuen Anführer der Republikanischen Partei» erklärte, kam das einer kleinen Sensation gleich.
Während Trumps Präsidentschaft hielt der zu Rupert Murdochs Medienimperium gehörende Sender stets zu Trump. Die «New York Times» nannte die Fox-Berichterstattung über den Präsidenten «kriecherisch» – wähnte sich aber selbst firm auf der Seite von Trumps Gegner*innen.
Auch Trumps Behauptung, die Wahl Joe Bidens im November 2020 sei das Ergebnis einer gezielten Manipulation gewesen, fand bei einigen Fox-Moderator*innen – darunter Sean Hannity, Lou Dobbs und Maria Bartiromo – Unterstützung.
Fox News vor Gericht
Deswegen muss sich der Sender derzeit vor Gericht verantworten. Die Wahltechnologie-Firma Dominion Voting Systems wirft Fox News Verleumdung vor: Die Verantwortlichen des Senders hätten gewusst, dass Trumps Behauptungen unwahr seinen, sie aber dennoch zugelassen – guter Quoten wegen.
Fox-Boss Murdoch hat jüngst kleinlaut eingeräumt, dass er davon wusste, aber nichts unternahm. «Ich wünschte, wir hätten uns stärker dagegen ausgesprochen», sagte Murdoch vor Gericht.
Nun berichtet die neue Nachrichtensite «Semafor», der Sender habe Trump mit einem sogenannten soft ban bedacht, also einem Boykott durch Passivität: Der ehemalige Präsident wird schlicht nicht mehr eingeladen.
Haley statt Trump
Tatsächlich war Trump zuletzt im vergangenen September in der Sendung «Sean Hannity's» auf Fox News zu sehen. Seit der Ankündigung seiner erneuten Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei war Trump kein einziges Mal zu Gast.
Zum Vergleich: Seine Rivalin Nikki Haley ist von Fox News bereits sieben Mal eingeladen worden, seitdem sie ihre eigene Bewerbung bekanntgegeben hat – dabei ist das noch nicht einmal einen Monat her.
Die Quelle für den soft ban ist ein Mitglied von Trumps Wahlkampf-Team, das die Info direkt von Fox-Mitarbeiter*innen erhalten habe. So hätten manche Moderator*innen durchaus versucht, den ehemaligen Präsidenten für ihre Shows zu buchen. Das sei aber von der Chefetage des Senders verhindert worden.
Trumps Besuch im Krisengebiet ignoriert
Dazu passt auch die Absenz von Fox News bei Trumps Besuch in East Palestine. In der Stadt war ein Zug mit Giftstoffen entgleist, viele Wagen fingen Feuer. Trump nutzte den Besuch, um Präsident Joe Biden zu kritisieren, weil er der Region ferngeblieben ist.
Neben Fox News wurde der Besuch auch von den den Demokraten nahestehenden Sendern CNN und MSNBC boykottiert.
Die Beziehung zwischen Trump und Fox News scheint also an einem Tief angekommen. Doch ganz neu ist dieses Verhältnis nicht. Tatsächlich schliesst sich hier vielmehr ein Kreis: Zu Beginn der politischen Karriere von Donald Trump hatte sich Fox News gegen ihn positioniert.
Beginn einer Hassliebe
Ein Blick zurück auf den 6. August 2015: An diesem Tag stand der Unternehmer und ehemalige Reality-TV-Star als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei zum ersten Mal mit allen konkurrierenden Kandidat*innen auf einer Bühne. Die erste republikanische Präsidentschaftsdebatte des Wahlkampfs fand statt. Ausgetragen wurde sie auf Fox News.
Direkt die erste Frage des Abends zielte auf Trumps Anwesenheit auf der Bühne neben so etablierten Persönlichkeiten der Partei wie dem texanischen Senator Ted Cruz und dem ehemaligen Gouverneur von Florida Jeb Bush – dessen Bruder George W. Bush sich während seiner Amtszeit als US-Präsident von 2001 bis 2009 auf die Unterstützung von Fox News verlassen konnte.
«Gibt es irgendjemanden auf der Bühne», wollte Moderator Bret Baier wissen, «der nicht gewillt ist, dem späteren Nominierten der Republikanischen Partei seine Unterstützung zuzusprechen und zu versprechen, nicht als unabhängiger Kandidat gegen diese Person anzutreten?»
Donald Trump, der Aussenseiter
Wie erwartet, hob Trump als Einziger seine Hand. Baiers Falle schien aufgegangen zu sein. «Mr. Trump, nur um klar zu sein: Sie stehen auf der Bühne einer republikanischen Vorwahl-Debatte», stichelte der.
Als Nächstes wandte sich Moderatorin Megyn Kelly an Trump, um ihn wegen seiner Kommentare über Frauen zu kritisieren. «Ich habe keine Zeit für political correctness», erwiderte der. «Und, um ehrlich zu sein, die hat dieses Land auch nicht.»
Selbst nach der Debatte nahm Fox News Trump nicht aus dem Visier: Eine am Folgetag online veröffentlichte Analyse der Debatte erklärte Trump zum Verlierer und kommentierte seine Tirade gegen die political correctness abschätzig mit den Worten «Schlechte Entscheidung, Donald».
Die Entmachtung des republikanischen Establishments
Die Moderatoren taten an diesem Abend, was Fox News schon immer getan hatte: Sie standen für den republikanischen Status quo ein. Für diesen stellte Trump, der in Umfragen schon zu dieser Zeit vorn lag, von allen Kandidaten mit Abstand die grösste Gefahr dar. Zum Zeitpunkt der Debatte ahnte die Chefetage des Senders noch nicht, dass schon bald Trump selbst den neuen Status quo der Partei personifizieren sollte.
Dass die den Demokraten nahestehenden liberalen Medienhäuser Trump kritisieren würden, war klar. Doch der offene Widerstand von Fox News half dem ehemaligen Reality-TV-Star dabei, den Wähler*innen zu vermitteln, dass auch das konservative Establishment korrupt sei.
Plötzlich stellten Trumps republikanische Konkurrent*innen keine glaubwürdigen Alternativen mehr zu der von der demokratischen Parteiführung favorisierten Hillary Clinton dar. Statt sein Momentum zu untergraben, bot Fox News ihm viel mehr die benötigte Fläche, auf der er seinen gegen das politische Establishment gerichteten Populismus kultivieren konnte.
Kehrtwende nach der Wahl
Auf Trumps Wahl zum 45. Präsidenten der USA am 8. November 2016 folgte dann die Kehrtwende. Kritik am Präsidenten äusserte kaum jemand mehr im Stab der Fox-News-Moderator*innen. Im ersten Jahr seiner Präsidentschaft gab Trump ihnen dreimal so viele Interviews wie allen anderen Sendern zusammen.
News-Storys, die Trump in einem schlechten Licht darstellten, erhielten wenig bis keine Aufmerksamkeit. Der Präsident nutzte Fox News, um die Menschen zu erreichen, die seine Aktivitäten auf Twitter nicht verfolgten.
Trump brachte Rekordquoten
Dieser exklusive Zugriff auf den US-Präsidenten verhalf dem Sender bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit zu Rekordquoten.
Das gilt allerdings auch für die liberale Konkurrenz, die ihre Attacken gegen Trump nach dessen Wahl noch verstärkte: Mehr als 50 Prozent mehr Menschen als zuvor schalteten bei CNN und MSNBC ein. Ob sie ihn nun liebten oder hassten: Trumps Präsidentschaft war gut fürs Geschäft. Dementsprechend brachen die Quoten auch, kaum hatte er das Weisse Haus verlassen, wieder ein.
Nun möchte Fox News die Trump-Ära also hinter sich lassen. Doch die Welt ist 2023 eine andere als 2015, auch die der Konservativen. Dass ein Vertreter des Senders eine republikanische Breitseite gegen political correctness als lächerlich hinstellen könnte, scheint heute undenkbar.
Neue Normalität
Der Kulturkampf hat beide Seiten nachhaltig geprägt. Das ist nicht ausschliesslich, aber auch dem Erbe von Donald Trump geschuldet, der sich in der Tradition Ronald Reagans als eifriger Kulturkämpfer darstellte.
Dass Fox News sich von Trump lösen möchte, ändert nichts daran, dass der Kampf gegen political correctness die Hauptsache der meistgesehenen Show des Kanals ausmacht. In seiner Sendung wettert Tucker Carlson gegen die woke Kultur der Linken, und sei es nur, weil die Maskottchen der M&Ms weniger sexualisiert dargestellt werden. 2022 war Carlsons Show die zweiterfolgreichste Nachrichtensendung der USA.
Trumps wichtigster Gegenspieler Ron DeSantis hielt am gestrigen Donnerstag eine Rede vor den Top-Spendengebern der Republikaner. Dabei kritisierte er andere Republikaner, die gegen «die woke Ideologie» nicht genug vorgehen würden. Durch seine Erfolge im Kulturkrieg habe er Florida von einem bei Wahlen stark umkämpften Staat in den führenden republikanischen Staat der Nation verwandelt.
Damit könnte er recht haben. Doch er zeigt auch: Nicht einmal «der neue Anführer der Republikanischen Partei» kann dem Schatten Donald Trumps entkommen.