Vorfall in der Ostsee Finnland und Estland rätseln weiter über Pipeline-Schaden

dpa/phi

11.10.2023 - 21:25

Gaspipeline zwischen Finnland und Estland wurde möglicherweise absichtlich beschädigt

Gaspipeline zwischen Finnland und Estland wurde möglicherweise absichtlich beschädigt

Die Beschädigung an der Gaspipeline «Balticconnector» zwischen Finnland und Estland könnte absichtlich herbeigeführt worden sein. Das berichteten finnische und schwedische Medien am Dienstag unter Berufung auf finnische Sicherheitskreise. Die 77 Kilometer lange Pipeline verläuft grösstenteils unter Wasser durch den finnischen Meerbusen.

11.10.2023

Nach wie vor ist unklar, wer oder was die Schäden an der Ostsee-Pipeline Balticconnector verursacht hat. Die Behörden gehen jedoch nicht von einer Explosion aus. Sie sprechen von einer «mechanischen Kraft» als Ursache. Auch der Kreml äussert sich.

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  • Am 8. Oktober ist die Gas-Pipeline Balticconnector beschädigt worden, die Finnland und Estland verbindet.
  • Die Leitung ist vorerst ausser Betrieb, die Reparatur dauert Monate.
  • Noch ist unklar, was zu der Beschädigung geführt hat, doch Finland und Estland sprechen von «äusserer Aktivität».
  • Angeblich war ein russisches Frachtschiff das ganze Wochenende über in der Nähe des Tatortes.
  • Die Nato untersucht nun die Causa.

Der Schaden an der Ostsee-Gaspipeline Balticconnector zwischen Estland und Finnland ist den finnischen Behörden zufolge offenbar nicht auf eine Explosion zurückzuführen. «Der Schaden scheint durch eine mechanische Kraft verursacht worden zu sein, nicht durch eine Explosion», sagte Polizeivertreter Risto Lohi am Mittwoch vor Journalisten.

Nach Hinweisen auf einen möglichen Sabotageakt infolge mehrerer Explosionen an den Nord-Stream-Erdgaspipelines 1 und 2 vor mehr als einem Jahr waren Spekulationen über einen «vorsätzlicher Angriff» laut geworden.

Finnische Polizei: Schaden an Gaspipeline durch «mechanische Krafteinwirkung»

Analysierte Daten deuteten klar auf einen Vorfall hin, der sich in der Nacht zum 8. Oktober gegen 1.20 Uhr finnischer Ortszeit ereignet habe, erklärte die norwegische seismologische Forschungseinrichtung Norsar. Diese Uhrzeit stimme mit dem etwaigen Zeitpunkt überein, an dem ein Druckabfall in der Gasleitung gemeldet worden sei, schrieb das Institut.

In Rot: Lage der Pipeline Balticconnector.
In Rot: Lage der Pipeline Balticconnector.
Wikipedia

Die Gas-Pipeline Balticconnector verläuft zwischen Inkoo in Finnland und Paldiski in Estland durch den Finnischen Meerbusen im östlichen Teil der Ostsee. Nach Norsar-Angaben wurde die mögliche Explosion ungefähr 40 Kilometer nördlich von Paldiski lokalisiert. Ganz in der Nähe kreuzt Balticconnector demnach Nord Stream 1.

Die Betreibergesellschaften Gasgrid (Finnland) und Elering (Estland) hatten am frühen Sonntagmorgen am 8. Oktober einen plötzlichen Druckabfall in der Leitung bemerkt. Der Gastransport wurde daraufhin unterbrochen, seitdem ist die Leitung ausser Betrieb. Das Gasleck wurde mit der Isolierung des Teilabschnitts und dem Schliessen der Ventile gestoppt.

«Äussere Aktivität» beschädigt Pipeline

Die Reparatur dürfte Monate dauern. Finnische und estnische Behörden leiteten eng miteinander abgestimmte Untersuchungen ein. Finnlands Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsident Petteri Orpo hatten am 10. Oktober mitgeteilt, dass es wahrscheinlich sei, dass die Pipeline durch «äussere Aktivität» beschädigt worden sei.

Bauarbeiten am Paldiski-Terminal für Flüssiggas im Westen Estlands im September 2022, das mit der Gas-Pipeline Balticconnector verbunden ist.
Bauarbeiten am Paldiski-Terminal für Flüssiggas im Westen Estlands im September 2022, das mit der Gas-Pipeline Balticconnector verbunden ist.
IMAGO/Scanpix

Die Schäden könnten nach einer vorläufigen Beurteilung weder durch die normale Nutzung der Pipeline noch durch Druckschwankungen entstanden sein, sagte Orpo. Auch ein Kommunikationskabel zwischen den beiden EU- und Nato-Ländern ist nach Regierungsangaben betroffen.

Wer oder was die Infrastruktur in den Tiefen der Ostsee beschädigte, ist unklar. «Mittlerweile wissen wir, dass die Ursache nicht in der Natur, sondern vermutlich in menschlichem Handeln begründet liegt», schrieb der estnische Präsident Alar Karis auf Facebook. «Wer, warum und wie? Fahrlässigkeit oder Vorsatz? Diese Fragen müssen noch beantwortet werden.»

Angeblich war russisches Schiff in der Nähe

Die Verantwortlichen müssten identifiziert und ans Licht gebracht werden, unabhängig von ihren Motiven, betonte er. Die Regierungen in Helsinki und Tallinn vermieden es, konkret von Sabotage zu sprechen oder Verdächtigungen in Richtung Russland von sich zu geben.

Die finnische Zeitung «Helsingin Sanomat» berichtete jedoch unter Verweis auf Schiffsdaten davon, dass sich ein russisches Frachtschiff das ganze Wochenende über in der Nähe des Ortes befunden habe, an dem die Schäden entstanden seien. Auch Beschädigungen durch einen Anker wurden in Medienberichten als Theorie genannt.

Nord Stream Pipelines: Ermittlungen dauern an

Nord Stream Pipelines: Ermittlungen dauern an

Am 26. September 2022, also vor rund einem Jahr, wurden Teile der Gas-Pipelines Nord Stream zerstört. Doch die Ermittlungen zu dem Vorfall halten auch 12 Monate danach weiter an. Konstantin von Notz (Grüne), Innenexperte: «Wir haben es hier mit professionellen Tätern zu tun, mit einem geopolitischen Hintergrund, wie man ihn sich schärfer nicht ausdenken kann. Und deswegen kommen hier rechtsstaatliche Ermittlungsverfahren wirklich auch an ihre Grenzen.

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Russland bezeichnete die Berichte über die Beschädigung als «alarmierend». «Ich habe keine technischen Informationen (...), aber das ist natürlich eine ziemlich alarmierende Neuigkeit, denn wir wissen, dass es bei der Ausführung von Terroranschlägen gegen kritische Infrastruktur bereits Präzedenzfälle im Baltikum gegeben hat», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Er spiele damit auf die aufsehenerregende Sabotage an den Nord-Stream-Gasleitungen vor rund einem Jahr an, so Peskow.

Nato untersucht den Fall

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Brüssel, es komme nun darauf an, herauszufinden, was genau passiert sei und wie dies habe passieren können. Wenn sich herausstellen sollte, dass es sich um einen vorsätzlichen Angriff auf kritische Infrastruktur der Nato gehandelt habe, wäre dies ernst. In dem Fall werde es eine vereinte und entschlossenen Reaktion der Nato geben, sagte er.

Nach Angaben des estnischen Marine-Chefs Jüri Saska lassen erste Untersuchungen der Schäden darauf schliessen, dass die Leitung an der Seite beschädigt ist. «Das Rohr selbst ist mit Beton ummantelt, und es sieht dabei genauso aus, als wäre es an der Seite eingerissen und der Beton wäre genau an der Bruchstelle gebrochen oder abgeblättert», sagte er dem estnischen Rundfunk.

Fragen nach möglichen Ursachen wich Saska aus. Ob das Leck in der Gasleitung und der Kabelausfall miteinander in Verbindung stehen, sei bislang noch unklar. «Das ist möglich, aber zum jetzigen Stand der Ermittlungen handelt es sich um reine Spekulation, da wir noch nicht genau wissen, wo das Kabel beschädigt ist», sagte er. Zeitlich seien die Schäden mehr oder weniger im gleichen Zeitraum von etwa zwei Stunden aufgetreten.

dpa/phi