Experte zu Razzia in Mar-a-Lago «Es ist wie so vieles bei Trump beispiellos»

lpe

9.8.2022

FBI durchsucht Trumps Anwesen in Florida

FBI durchsucht Trumps Anwesen in Florida

Das FBI hat das Anwesen von Donald Trump in Mar-a-Lago durchsucht. Hintergrund ist offenbar die Suche nach Dokumenten aus seiner Zeit im Weissen Haus, die Trump nach Florida mitgenommen haben soll, obwohl sie archiviert werden müssten. Ausserdem s

09.08.2022

Nach der FBI-Razzia des Anwesens von Donald Trump ist dieser sicher: Dies sei eine Attacke der Demokraten. Doch wie wahrscheinlich ist Trumps Anschuldigung? Und könnte eine Verurteilung Trump die Rückkehr ins Weisse Haus verwehren? Ein Experte ordnet ein. 

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Als einen Vorgang «politischer Verfolgung» und eine Attacke der «radikal linken Demokraten» bezeichnete Ex-US-Präsident Donald Trump die Razzia von FBI-Agenten in seinem Anwesen Mar-a-Lago. Womöglich suchte die Bundespolizei nach Dokumenten, die Trump mitgehen lassen haben soll. Doch was bedeutet die Untersuchung für Trump und seine Partei vor den Zwischenwahlen? Martin Thunert, Politikwissenschaftler am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, hat uns acht Fragen zum Thema schriftlich beantwortet.

Wie muss man die Razzia im Anwesen von Donald Trump historisch gewichten?

«Es ist wie so vieles bei Trump beispiellos. Meines Wissens ist es noch nicht vorgekommen, dass die Privaträume eines ehemaligen Präsidenten beziehungsweise eines möglichen Kandidaten für das Präsidentenamt vom FBI durchsucht wurden.»

Trump sieht hinter der Razzia eine Verschwörung der Demokraten. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Untersuchung politisch motiviert ist?

«Dem US-Justizministerium und dem FBI wurde vom progressiven Flügel der Demokraten immer vorgeworfen, dass sie nicht aggressiv gegen Trump vorgehen. Nun geht die Bundesbehörde FBI beispiellos robust gegen einen Ex-Präsidenten vor. Eine politische Verschwörung sehe ich nicht dahinter, aber dass ein gewisses politisches Kalkül dahintersteckt, um die erwähnten Stimmen zu beruhigen, kann man nicht ausschliessen. Auch beim Zeitpunkt der Razzia können solche Überlegungen eine Rolle spielen. Andererseits war der jetzige FBI-Direktor noch von Trump berufen worden. Bei den Republikanern, auch bei Teilen der Trump-Kritiker, gilt die Razzia mit Sicherheit als politisch motiviert. Sie vertieft die politische Spaltung der USA.»

Besteht ein Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol?

«Nein, das scheint eine getrennt von den Anhörungen zum 6. Januar 2021 verlaufende Untersuchung des FBI zu sein. Es geht um offizielle Dokumente aus seiner Zeit als Präsident, die Trump bei seinem Auszug aus dem Weissen Haus mitgenommen haben soll, die aber für das Nationalarchiv bestimmt sind und nicht zum Privatbesitz des Ex-Präsidenten gehören dürfen. Ob es dabei auch um Dokumente gehen könnte, die etwas zu seinen Aktivitäten am Dreikönigstag 2021 aussagen könnten, wissen wir bisher nicht.»

Das FBI hat schon im Fall von Hillary Clintons E-Mail-Affäre mit der Wiederaufnahme der Untersuchungen die Wahlen beeinflusst. Wiederholt sich die Geschichte?

«Im Falle von Hillary Clinton gab das FBI in Gestalt des damaligen FBI-Direktors James Comey, der 2017 von Trump entlassen wurde, die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen Clinton zehn Tage vor der Präsidentschaftswahl 2016 bekannt. Gestern untersuchte das FBI die Privaträume eines Ex-Präsidenten drei Monate vor Kongresswahlen und weit vor der möglichen Bekanntgabe einer erneuten Präsidentschaftskandidatur Trumps. Das ist nicht dieselbe Dimension. Entscheidend wird sein, was das FBI sicherstellen konnte, beziehungsweise ob das FBI bei der Razzia Grenzen überschritten hat und die Privatsphäre Trumps und damit Bürgerrechte missachtet haben könnte.»

Kann die Untersuchung Trump schaden?

«Bei seinen Anhängern und bei Trump selbst dürfte es die Entschlossenheit, wieder um die Nominierung der Republikanischen Partei für die Präsidentschaftswahlen 2024 zu kandidieren, eher beflügeln. Trump als Opfer des «Deep State», der Sicherheitsdienste, die stets illoyal gegenüber dem 45. Präsidenten wären und denen man alles zutrauen muss, um Trump zu schaden, ist eines der Hauptnarrative der Maga-Anhänger (Anmerkung der Redaktion: Maga steht kurz für «Make America Great Again»). Das ist Öl ins Feuer der Maga-Bewegung, deren Macht insgesamt allerdings abnimmt.»

Wie würde sich eine Verurteilung auf eine mögliche Kandidatur auswirken?

«Einerseits gibt es ein Bundesgesetz, welches vorsieht, Personen, die sich einer widerrechtlichen Entwendung von Regierungsdokumenten des Bundes schuldig gemacht haben, von zukünftigen Kandidaturen bei Bundeswahlen – also auch von der Präsidentschaftswahl – ausschliesst. Doch dazu müsste bei Trump nicht nur durchsucht werden, sondern er müsste deswegen rechtskräftig verurteilt werden. Andererseits ist es allein die US-Verfassung, die festlegt, welche Voraussetzungen für die Kandidatur für das Präsidentenamt vorliegen müssen. Nach Auffassung mancher Juristen kann das Bundesgesetz, das ich eben erwähnte, deshalb nicht zur Anwendung kommen. Die Rechtslage scheint mir hier etwas unklar.»

Wie könnte sich die Untersuchung auf die Zwischenwahlen auswirken?

«Bei den Zwischenwahlen 2022 steht Trump nicht auf dem Wahlzettel. Den Republikanern würde das Ergebnis der Untersuchung unter Umständen schaden, wenn dabei kritisches Material, das Trump belasten könnte, gefunden wird. Wenn es sich herausstellt, dass es eher harmlose Dokumente waren, die Trump mitgehen liess, dürfte es eher das Narrativ einer politisch motivierten Untersuchung stützen, speziell, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass das FBI auch Trumps Privat-Safe aufbrach, wie er behauptet.

Die Zwischenwahlen 2022 werden von ökonomisch-sozialen Fragen wie zum Beispiel Inflation, Spritpreisen, Zinsen, Hauspreisen sowie den Zuständen an der Südgrenze der USA, aber von Fragen nach sehr restriktiven Abtreibungsregelungen in Gliedstaaten der USA, die von den Republikanern regiert werden, entschieden werden. Aber die Razzia in Mar-a-Lago dürfte die Mobilisierung der Trumps-Fans erleichtern

Wird diese Untersuchung die Gräben zwischen Demokraten und Republikanern noch vertiefen?

«Klare Antwort: Ja, auf jeden Fall.»