Explosion in BeirutJetzt wird wegen Fahrlässigkeit ermittelt
AP/uri
6.8.2020
Nach der schweren Explosion in Beirut macht sich Ärger in der Bevölkerung breit. Vor allem beschäftigt die Ermittler die Frage: Wieso lagerte hochexplosives Material jahrelang im Hafen?
Nach der verheerenden Detonation in der libanesischen Hauptstadt Beirut gehen Ermittler Vorwürfen der Fahrlässigkeit nach. Im Zentrum der Ermittlungen steht die jahrelange Lagerung von 2’750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen, die sich Vermutungen zufolge entzündet hat und Ursache der Explosion war. Am Mittwoch ordnete die Regierung Hausarrest für eine nicht näher genannte Zahl von Hafenmitarbeitern an.
Bei der Explosion am Dienstag waren nach Angaben des Gesundheitsministeriums 135 Menschen getötet und etwa 5‘000 verletzt worden. Teile der Stadt wurden zerstört. In der Bevölkerung brach sich Wut gegen die herrschende Elite Bahn, die für chronisches Missmanagement und Sorglosigkeit verantwortlich gemacht wird. Der Hafen von Beirut und die Zollbehörde sind einige der korruptesten und lukrativsten Institutionen des Libanons. Zahlreiche Gruppierungen, Politiker und selbst die radikalislamische Hisbollah haben dort Einfluss.
Die Explosion im Hafen gilt als die heftigste Detonation, die in der libanesischen Hauptstadt je vorgekommen ist. Dort wurde die Chemikalienladung verwahrt, seitdem sie 2013 von einem Frachtschiff beschlagnahmt wurde. Sprengstoffexperten und Videomaterial legten nahe, dass der Stoff in Verbindung mit einem Feuer hochgegangen sein könnte, das in einer nahen Lagerhalle mit Feuerwerkskörpern ausbrach.
Erste Hilfslieferungen eingetroffen
Erste internationale Hilfslieferungen trafen per Flugzeug ein. Die Weltgesundheitsorganisation hatte am Mittwoch die Lieferung von medizinischen Hilfsgütern angekündigt, die für Tausende Behandlungen von Opfern reichen sollten, teilte WHO-Sprecher Tarik Jasarevic mit. Etliche Länder waren den Hilferufen der Regierung gefolgt und hatten zugesagt, Flugzeuge mit Rettungs- und Fachkräften sowie medizinischen Gütern und Geld zu schicken. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron kündigte für Donnerstag einen Besuch in Beirut an.
Die finanziellen Schäden durch die Explosion betrügen zwischen 10 und 15 Milliarden Dollar, sagte der Gouverneur von Beirut, Marwan Abboud, dem saudischen Fernsehsender Al-Hadath. Beinahe 300‘000 Menschen hätten ihr Zuhause verloren.
«Beirut, wie wir es kannten, ist weg, und die Leute werden ihre Leben nicht wieder aufbauen können», sagte Amy, eine Frau, die Glas in einer kleinen Seitenstrasse wegfegte, wo zuvor ein Ausstellungsraum eines bekannten libanesischen Designers gewesen war. «Das ist die Hölle. Wie werden die Leute überleben? Was werden sie tun?», fragte sie und machte Beamte für den Mangel an Verantwortungsbewusstsein und «Dummheit» verantwortlich.
Ausnahmezustand ausgerufen
Die libanesische Regierung rief nach einer Kabinettssitzung am Mittwoch einen zweiwöchigen Ausnahmezustand aus. Er gibt dem Militär in diesem Zeitraum volle Befugnisse. Die Ermittlung zu der Katastrophe werde transparent sein, versprach Präsident Michel Aoun vor der Kabinettssitzung. Die Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen werden. «Es gibt keine Worte, um die Katastrophe zu beschreiben, die Beirut letzte Nacht getroffen hat.»
Tote und Verletzte nach schwerer Explosion in Beirut
Tote und Verletzte nach schwerer Explosion in Beirut
Beirut, ein Jahr nach der Katastrophe: Die Aufräumarbeiten im Hafen kommen nur schleppend voran. Für die Opfer der verheerenden Explosion ist ein Mahnmal errichtet worden.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Eine immense Explosion erschüttert am 4. August 2020 die libanesische Hauptstadt. Mehr als 190 Menschen verlieren ihr Leben.
Bild: Keystone/dpa
Grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die im Hafen gelagert waren, hatten sich entzündet.
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Augenzeugen berichten von einer orangefarbenen Wolke über dem Hafen, wie sie nach der Verpuffung von Nitraten häufig auftritt.
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In den Wohnvierteln nahe des Hafens taumeln verletzte Menschen durch die Strassen. Umgeworfene Autos und Trümmer versperren den Weg.
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«Beirut hat noch nie derartige Zerstörung gesehen, nicht einmal im Bürgerkrieg war es jemals so schlimm», sagt ein Einwohner im Gespräch mit «blue News». Er blieb zum Glück unverletzt.
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Auch die Schweizer Botschaft in Beirut wird durch die Wucht der Detonation schwer beschädigt. Die Schweizer Botschafterin erleidet dabei leichte Verletzungen.
Bild: Aussendepartement EDA
Fenster und Türen sind auch in mehreren Kilometern Entfernung herausgerissen.
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Stunden nach der Explosion rasen Krankenwagen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt und transportierten Verletzte ab.
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Rund 6000 Personen werden verletzt, die Spitäler stossen an ihre Kapazitätsgrenzen.
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Ärzte bitten die Bevölkerung um Blutspenden und Generatoren für Strom.
Bild: Keystone/dpa
Die Detonation ist sogar im 200 Kilometer entfernten Zypern zu hören und zu spüren.
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Der Gouverneur von Beirut, Marwan Abbud, bricht am Ort des Geschehens in Tränen aus. «Beirut ist eine verwüstete Stadt», sagt er.
Bild: Keystone/dpa
Die politische Aufarbeitung der Tragödie kommt kaum voran. Auch ein Jahr später warten Angehörige der Opfer auf Antworten, etwa zur Frage, wer verantwortlich ist. Im Juli 2021 demonstrieren Hinterbliebene in Beirut gegen die Regierung.
Bild: AP Photo/Bilal Hussein
Der frühere Ministerpräsdient Najib Mikati (Mitte) wird am 26. Juli 2021 mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Zwei Vorgänger sind an dieser Aufgabe gescheitert.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Die Zerstörung des wichtigsten Hafens trifft den Libanon zu einem Zeitpunkt, als das Land ohnehin schon in einer schweren Wirtschaftskreise steckt.
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Rund um den Explosionsort bot sich am Tag nach der Katastrophe ein Bild des Schreckens. Die Detonation riss einen Krater mit einem Durchmesser von rund 200 Metern in den Hafen, der sich mit Meerwasser füllte – als ob das Meer ein Stück des Hafens abgebissen und Gebäude verschluckt hätte. Von dem Komplex stieg noch immer Rauch auf, weite Teile des Zentrums waren mit beschädigten Fahrzeugen und Schutt übersät, der von erschütterten Häuserfassaden herabgeregnet war.
Zahlreiche Vermisste
Zahlreiche Menschen wurden nach der Explosion vermisst. Angehörige baten über soziale Medien verzweifelt um Hilfe bei der Suche nach ihren Verwandten. Auf Instagram tauchte die Seite mit Vermissten auf, Radiomoderatoren verlasen die Namen von Verschwundenen und Opfern. Viele Bewohner Beiruts zogen bei Freunden oder Verwandten ein, weil ihre Wohnungen zerstört wurden. Verletzte behandelten sich selbst, weil die Krankenhäuser überlastet waren. Ärzte baten die Bevölkerung um Blutspenden und Generatoren für Strom.
Mit der Zerstörung seines wichtigsten Hafens stellt sich auch die Frage, wie der von einer schweren Wirtschaftskrise gebeutelte Libanon künftig versorgt wird, der mehr als eine Million Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Syrien aufgenommen hat. Das Land befindet sich in einer massiven Währungskrise, hinzu kommt die Coronapandemie. Viele Menschen hatten bereits ihren Job verloren, Ersparnisse schrumpften aufgrund der Inflation.
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