«Starren Sie mich nieder?» Eklat im Trump-Prozess – Richter lässt den Gerichtssaal räumen

dpa

20.5.2024 - 23:10

Eklat im Trump-Prozess: Richter lässt Saal räumen

Eklat im Trump-Prozess: Richter lässt Saal räumen

New York, 21.05.2024: Eklat im Prozess um Donald Trump im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar. Nach mehr als einem Monat mit spektakulären Anschuldigungen und detaillierten Beschreibungen von Trumps Sexleben gerät die Verhandlung am Montag kurzzeitig aus den Fugen: Richter Juan Merchan lässt den Saal am Montag vorübergehend räumen.

21.05.2024

Als beste Realityshow aller Zeiten bezeichnet ein Reporter den Trump-Prozess in New York. Tatsächlich spielt sich in Saal 1530 mitunter Unglaubliches ab – dem Richter platzt nun der Kragen.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Richter Juan Merchan platzte bei der Befragung des Entlastungszeugen Robert Costello in New York der Kragen.
  • Als der Entlastungszeuge Robert Costello den Richter fortwährend finster anschaute, griff Merchan durch.
  • Er liess kurzerhand den Saal räumen.

Der Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist ein historischer, der Vorwurf angeblicher Vertuschung von Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin könnte kaum pikanter sein. Nach mehr als einem Monat mit spektakulären Anschuldigungen und detaillierten Beschreibungen von Trumps Sexleben geriet die Verhandlung am Montag kurzzeitig aus den Fugen: Richter Juan Merchan liess den Saal 1530 des Gerichts in Downtown Manhattan vorübergehend räumen – weil er sich von einem Trump-nahen Entlastungszeugen respektlos behandelt fühlte.

Im Prozess geht es um den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, Trump habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130'000 Dollar an die Pornodarstellerin Daniels verbessern wollen und den Geldfluss danach falsch verbucht. Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-jährige Republikaner bei der Erstattung des Betrages an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verbergen. Deshalb handle es sich um illegale Wahlkampf-Finanzierung. Trump, der im November erneut US-Präsident werden will, hat auf nicht schuldig plädiert.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump am Montag im Strafgericht in New York.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump am Montag im Strafgericht in New York.
Bild: Keystone/Mark Peterson/Pool Photo via AP

Nachdem die Staatsanwaltschaft mit Cohen ihren letzten Zeugen aufgerufen hatte, bat Trumps Verteidigung am Montag Robert Costello zur Befragung. Der einstige rechtliche Berater Cohens sollte die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen untergraben – könnte sich durch sein Verhalten aber eher selbst geschadet haben: Costello antwortete mehrfach auf Fragen, bei denen Merchan zuvor einen Einspruch der Staatsanwaltschaft zugelassen hatte. Der Richter belehrte den Zeugen deshalb, dass dieser in solchen Fällen nicht antworten dürfe.

Ein Wort mit Folgen

Kurze Zeit später kommentierte Costello dann einen weiteren stattgegebenen Einspruch vernehmlich mit «Jeesh» – übersetzbar etwa mit einem abfälligen «Oh mein Gott». Merchan liess die Geschworenen in der Folge aus dem Saal bringen und sagte zum Trump-Verbündeten im Zeugenstand: «Ich möchte in meinem Gerichtssaal über den richtigen Anstand sprechen.» Er verbitte sich Kommentare zu seinen Entscheidungen. «Sie geben mir keinen Seitenblick und verdrehen nicht die Augen», diktierte Merchan, der den Ruf hat, sich nichts gefallen zu lassen.

Als Costello den Richter dann fortwährend finster und mit rotem Gesicht anschaute, platzte es aus Merchan hörbar verärgert heraus: «Starren Sie mich nieder?» Er liess daraufhin den Saal räumen – mithilfe lauter und schneidender Anweisungen des Personals im Gericht, sodass sogar Trump sich umdrehte und das Geschehen beobachtete. Journalist*innen durften den Saal nach einigen Minuten wieder betreten, die Befragung wurde fortgesetzt.

«Just do it» – Ex-Trump-Anwalt sagt über Zahlung an Pornostar aus

«Just do it» – Ex-Trump-Anwalt sagt über Zahlung an Pornostar aus

STORY: Im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump hat dessen ehemaliger Anwalt Michael Cohen den Präsidentschaftsbewerber persönlich für die Zahlung an den Pornostar Stormy Daniels verantwortlich gemacht. «'Just do it'» ("Tun Sie es einfach") habe Trumps Anweisung gelautet, sagte Cohen am Montag vor dem Gericht in New York. Er sei beauftragt worden, selbst den besten Weg zu finden, um Daniels 130.000 Dollar zukommen zu lassen. Dabei sei es Trump nicht darum gegangen, seine Familie zu schützen. «Er hat nicht an Melania gedacht», sagte Cohen über Trumps Ehefrau. «Es ging nur um den Wahlkampf.» Trump schüttelte im Gerichtssaal den Kopf. Trump wird vorgeworfen, im Vorfeld der Wahl 2016 Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit der Zahlung an Daniels gefälscht zu haben. Cohen hatte ihr das Schweigegeld gezahlt, um eine Enthüllung über eine mutmassliche sexuelle Affäre zu verhindern. Trump hat eingeräumt, Cohen das Geld zurückgezahlt zu haben. Die Vorwürfe hat er aber zurückgewiesen. Eine Affäre mit Daniels verneint er. «Dieser Prozess ist manipuliert. Es ist unehrlich. Es ist eine Schande für New York und das Land. Ich sollte jetzt im Wahlkampf sein, anstatt in einem sehr kalten Gerichtsgebäude zu sitzen.» Sollte Trump schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu vier Jahre Haft. Allerdings werden in vielen Fällen Geld- oder Bewährungsstrafen verhängt. Auch im Falle einer Haft könnte Trump im November erneut zum Präsidenten gewählt und vereidigt werden. Cohen ist ein zentraler Zeuge der Staatsanwaltschaft. Der heute 57-Jährige galt als einer der loyalsten hochrangigen Mitarbeiter von Trump. Nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, brach er jedoch mit ihm. Heute gehört er zu den schärfsten Kritikern Trumps. Cohen hat eingestanden, mehrfach unter Eid gelogen zu haben. Es wird erwartet, dass die Verteidigung versuchen wird, ihn als Zeugen zu diskreditieren.

15.05.2024

US-Medien sprachen vom «verrücktesten Moment» des Prozesses. Dabei hielt das Verfahren um eine der polarisierendsten politischen Figuren überhaupt schon vorher einige spektakuläre Momente bereit. Ein Reporter, der quasi täglich über das Verfahren berichtet, bezeichnete den Trump-Prozess als beste Reality-Show aller Zeiten.

Das Verfahren dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf auswirken – die Frage ist bloss: wie stark und zu wessen Vorteil? Trump versucht, die Anschuldigungen in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Amtsinhaber Joe Biden scheint von der Prozessarie gegen seinen Herausforderer bislang nicht erkennbar zu profitieren.

Details zum One-Night-Stand

Riesige Aufmerksamkeit erhielt auch die Aussage von Erotikstar Stormy Daniels selbst, die in irritierender Detailfülle von ihrem angeblichen One-Night-Stand mit Trump erzählte: Wie dieser bei einem Abendessen 2006 am Rande eines Golfturniers um sie geworben und ihren Hinweis auf seine Ehefrau Melania damit abgetan habe, dass beide ja nicht einmal im selben Raum schliefen. Melania Trump hatte den schillernden Immobilienmogul im Jahr zuvor geheiratet.

Die US-Wahl im Ticker

Verpasse keine wichtige Meldung im US-Wahlkampf 2024. blue News informiert laufend im Newsticker zu den Präsidentschaftswahlen: Alle relevanten News und Ergebnisse auf einen Blick.

Der Esel und der Elefant, die Parteisymbole der Demokratischen und Republikanischen Partei der Vereinigten Staaten von Amerika. (KEYSTONE/GERHARD RIEZLER)
J. David Ake/AP/dpa

Im Beisein des Beschuldigten schilderte Daniels dann während der immer angespannteren Befragung, dass sie damals in Trumps Hotel-Suite während des Geschlechtsverkehrs an die Decke gestarrt und sich gefragt habe, wie sie dazu komme, Sex mit Donald Trump zu haben. Sie habe alles über sich ergehen lassen, letztlich sei es dann auch schnell vorbei gewesen. Trump habe kein Kondom benutzt. Nach dem Sex habe sie so gezittert, dass sie sich kaum anziehen konnte, schilderte Daniels.

Auch Cohens Aussagen der vergangenen vier Sitzungstage waren denkwürdig. In seinen Einlassungen gegenüber der Staatsanwaltschaft beschrieb er im Detail, wie er über Jahre als Trumps rücksichtsloser «Pitbull» rechtliche Probleme für seinen Boss aus dem Weg räumte, Personen unter Druck setzte, Lügen verbreitete – und schliesslich öffentliche Berichte über Sexskandale Trumps unterdrückte, damit dieser 2016 die Wahl gegen Hillary Clinton gewinnen und ins Weisse Haus einziehen konnte. Durch den medial eng begleiteten Prozess mit Liveticker-Nachrichten im Minutentakt durchlebt die amerikanische Öffentlichkeit jene spektakuläre Phase im Wahlkampf 2016 dieser Tage erneut.

Entourage mit Hells-Angels-Rocker

Der Ex-Präsident war am Montagmorgen wie üblich in einem dunkelblauen Anzug vor Gericht erschienen, dazu trug er diesmal eine blaue Krawatte. Nachdem er für die Fotografen, die täglich nur für wenige Minuten vor der Sitzung in den Raum gelassen werden, seinen üblichen grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, folgte er der Sitzung zunächst aktiver als an vielen anderen Tagen, an denen er über längere Strecken mit geschlossenen Augen vor dem Richter sass.

Am Montag brachte Trump seine bislang grösste Entourage an politischen Unterstützer*innen mit. Eine der streitbarsten Figuren mag der verurteilte Rocker Chuck Zito sein: Medienberichten zufolge war der 71-Jährige in den 80er-Jahren ein Mitbegründer der New Yorker Hells Angels, die vom US-Justizministerium als kriminelle Vereinigung eingestuft wurden. Wegen Drogendelikten verbrachte Zito über fünf Jahre im Gefängnis.

Mit seinen Unterstützern im Rücken hatte Trump für den Entlastungszeugen Costello nach dessen Auseinandersetzung mit dem Richter am Montag lobende Worte übrig. Costello sei ein «hoch angesehener Anwalt», Richter Merchan dagegen ein «Tyrann».

Unterdessen ist ein Ende des Prozesses in Sicht. Der Richter sagte, dass er die Schlussplädoyers für Dienstag kommender Woche erwarte. Danach würden die zwölf Geschworenen zur Beratung zusammenkommen und ein Urteil fällen. Offiziell gibt es dafür kein Zeitlimit, für gewöhnlich beraten Jurys aber einige Stunden bis einige Tage.

dpa