Norwegerin geht viral «Die Welt von Israel reinhalten»? Protest geht nach hinten los

Philipp Dahm

24.10.2023

Eine norwegische Medizinstudentin sorgt mit einem Plakat am 21. Oktober in Warschau für hochgezogene Augenbrauen.
Eine norwegische Medizinstudentin sorgt mit einem Plakat am 21. Oktober in Warschau für hochgezogene Augenbrauen.
Screenshot: X/Nexta TV

Der Davidstern im Müll und die Worte «Keep the World Clean»: Eine Norwegerin macht mit einem Plakat auf einer Demonstration in Warschau von sich reden. Ihr Video geht viral – und könnte Konsequenzen haben.

P. Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am 21. Oktober findet in Warschau eine Solidaritätskundgebung für Palästinenser statt.
  • Eine Norwegerin, die in der polnischen Hauptstadt Medizin studiert, provoziert mit einem «Keep the World Clean»-Schild, das einen Davidstern im Müll zeigt.
  • Die junge Frau rechtfertigt das antisemitische Plakat in einem Interview, das viral geht.
  • Der polnische Präsident kritisiert die Demonstrantin und die Polizei.
  • Ihre Uni prüft rechtliche Schritte gegen die Studentin.

Es ist Samstagmorgen am 21. Oktober: In Warschau demonstrieren Menschen, die die Palästinenser unterstützen wollen. Dabei gehen einige zu weit: Polens Präsident Andrzej Duda wird später über «antisemitische Slogans» klagen. Mit Blick auf den Holocaust schreibt er, sein Land lehne «die Manifestation von Antisemitismus in jedweder Form» ab.

Eine Demonstrantin sticht bei dem Protest heraus: Sie trägt ein Schild vor sich her, das einen Davidstern in einem Mülleimer zeigt. Dazu der Spruch: «Haltet die Welt sauber.» Die junge Frau wird auf ihr Schild angesprochen: Das englischsprachige Video geht viral. Allein der Original-Post auf X wird innert zwei Tagen zwei Millionen Mal angesehen.

Die Blonde kommt aus Norwegen und studiert in Warschau Medizin. Der Filmende fragt, ob sie die Welt von Juden reinhalten wolle? «Nein, nein, nein. Nicht Juden. Natürlich nicht Juden», antwortet die Demonstrantin. «Religionsfreiheit ist auch ein Menschenrecht, das wir unterstützen, aber wir unterstützen nicht die israelische Regierung und den ethnischen Genozid, den sie gerade an den Palästinensern durchführen.»

Zivilisten töten «natürlich nicht okay»

Ihr Transparent wende sich gegen die israelische Regierung, nicht gegen das israelische Volk. Nun wird sie gefragt, was ihrer Meinung nach am 7. Oktober geschehen ist. «Hamas hat Widerstand gegen den Genozid und die Unterdrückung geleistet, die es seit 75 Jahren gibt.» Sie räumt zwar ein, dass es «natürlich nicht okay» sei, was die Militanten mit den Zivilisten gemacht hätten.

Doch laut UN-Resolution hätten die Palästinenser das Recht, «für ihre Rechte und ihre Freiheit» einzustehen. Das beinhalte auch den Widerstand mit «Waffen». Und was sagt sie über Israels Existenzrecht? Die junge Frau macht eine Pause. «Ich finde nicht gut, wie es gemacht wurde. Israel hat das Recht zu existieren, aber nicht auf palästinensischem Land, das sie besetzt haben.»

«Was soll Israel tun?», fragt der Filmende weiter. Das Land solle sich an die UN-Resolution halten, antwortet sie. Aber die Palästinenser würden diese doch ablehnen, hält der Reporter dagegen. Der Blonden fehlen die Worte, doch dafür ergreift nun ihre Freundin das Wort: «Schau, wir sind nicht hier, um über Politik zu reden», sagt sie. «Wir sind wegen der Menschenrechte hier und wegen des Tötens von unschuldigen Leute, von Kindern und Zivilisten.»

Universität prüft rechtliche Schritte

Für diesen Auftritt blüht der Norwegerin, die mit einem Jordanier verheiratet ist, nun jede Menge Ärger. Mette Johansen (Name geändert) könnte von der Uni fliegen: Diese prüft nun angeblich «rechtliche Schritte» gegen die Studentin. In einem offenen Brief fordern zudem Kommilitonen ihren Rauswurf wegen des «ausgesprochen widerlichen und inakzeptablen Schildes».

Auch die Politik beschäftigt sich mit ihr: Der Aussenminister macht der Polizei wegen der Sache Vorwürfe. «Banner, die wegen nationaler oder ethnischer Gründe zu Hass aufrufen, brechen das Gesetz und sind ein Grund, eine Versammlung aufzulösen», sagt Paweł Jabłoński. «Wir müssen kollektiv jede Form von Hass und Vorurteilen verdammen und bekämpfen – insbesondere in den Mauern unserer angesehenen Bildungseinrichtungen.»

Auch der israelische Botschafter kritisierte die Demonstration: «‹Die israelischen Streitkräfte sind Terroristen› – solche Parolen ertönen auf dem Solidaritätsmarsch mit Palästina in Warschau», schreibt Mateusz Jarosiewicz und klagt über den «offenen Antisemitismus», der in Warschau zur Schau gestellt werde. Damit dürfte er auch Banner mit dem Spruch «From the River to the Sea, Palestine will be free» gemeint haben: Wenn Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer geht, ist für Israel kein Platz.