Drohnen in Moskau Die Angriffe zeigen, wie verletzlich Putins Regime ist

Von Andreas Fischer

30.5.2023

Drohnenangriffe auf Kiew – und Moskau

Drohnenangriffe auf Kiew – und Moskau

Moskau ist am Dienstag mit mehreren Drohnen angegriffen worden. Unterdessen attackierte das russische Militär die ukrainische Hauptstadt Kiew zum dritten Mal binnen 24 Stunden.

30.05.2023

Putins Krieg gegen die Ukraine erreicht Moskau: Die russische Hauptstadt war Ziel eines grösseren Drohnenangriffs. Dabei sind wohl mehr Drohnen zum Einsatz gekommen, als der Kreml zugibt.

Von Andreas Fischer

30.5.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Moskau ist am Dienstagmorgen nach offiziellen Angaben aus Russland Ziel eines Drohnenangriffs geworden.
  • Der Kreml spricht von einem «terroristischen Angriff» seitens der Ukraine. Kiew weist eine direkte Beteiligung von sich.
  • Russland-Experte Ulrich Schmid vermutet Partisanenaktionen, um die Angreifbarkeit von Putins Regime zu demonstrieren, und erwartet heftige Vergeltungsschläge.

Drohnenangriffe auf russisches Territorium haben in den vergangenen Wochen zugenommen: Ölpipelines wurden getroffen, Eisenbahnstrecken lahmgelegt. Sogar Moskau selbst war Anfang des Monats Ziel eines Angriffs: Internationale Beobachter halten es allerdings für wahrscheinlich, dass die spektakuläre Kreml-Attacke von Russland inszeniert gewesen sein könnte, um die brutalen Angriffe auf das Nachbarland zu rechtfertigen.

Dennoch: Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine ist definitiv in Russlands Mitte angekommen. Am Dienstag hat es zum zweiten Mal innerhalb des Monats einen Drohnenangriff auf Moskau gegeben – und zwar einen gross angelegten.

Dabei seien insgesamt acht Drohnen eingesetzt worden, die alle zerstört wurden, hiess es beim russischen Verteidigungsministerium. Drei seien mithilfe spezieller elektronischer Drohnenabwehrtechnik von ihrer ursprünglichen Flugbahn abgebracht worden, die restlichen fünf von der russischen Flugabwehr abgeschossen worden.

Wohl mehr Drohnen als der Kreml zugibt

Russische Medien mit Kontakten zu den Sicherheitsdiensten berichteten, dass die Anzahl der Drohnen um ein Vielfaches höher gewesen sei, als offiziell verlautbart. Mehr als 30 Drohnen seien demnach an dem Angriff beteiligt gewesen seien, wie der englische «Guardian» schreibt.

Drei der Drohnen hätten demnach Wohnhäuser im Südwesten der Stadt getroffen – allerdings ohne dass Explosionen gemeldet wurden. Moskaus Bürgermeisters Sergej Sobjanin berichtete von zwei verletzten Menschen und leicht beschädigten Gebäuden. Auf einem Video sind zerborstene Fenster sowie eine beschädigte Fassade zu sehen.

Die Hintergründe des Angriffs sind nach wie vor unklar. Der Kreml macht die Ukraine verantwortlich und spricht von einem «Terrorakt», ohne Beweise vorzulegen. Die Regierung in Kiew hat eine Beteiligung an dem Drohnenangriff auf Russlands Hauptstadt Moskau zurückgewiesen und mit Spott reagiert.

«Natürlich sind wir nicht direkt daran beteiligt», sagte der Berater des Präsidentenbüros in Kiew, Mychajlo Podoljak, am Dienstag im Frühstücksradio des kremlkritischen russischen Journalisten Alexander Pljuschtschew. Er spottete, dass womöglich russische Drohnen zu ihren Absendern zurückgekehrt seien. 

Möglicherweise Partisanenaktionen

Können die Angriffe also überhaupt zuverlässig der Ukraine zugeordnet werden? «Die ukrainische Regierung dementiert regelmässig solche Angriffe auf Moskau», erläutert Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen auf Nachfrage von blue News. «Man weiss in Kiew genau, dass Angriffe auf russisches Territorium von der westlichen Staatengemeinschaft nicht begrüsst werden.»

Dass die Drohnen von ukrainischem Gebiet aus gestartet sind, gilt als unwahrscheinlich. «Möglicherweise sind es Partisanenaktionen, die einen Angriff auf das herrschende Regime bezwecken», vermutet Ulrich Schmid.

Dennoch glaubt Schmid, dass in Angriffen auf russische Ziele Kalkül steckt: «Es geht darum, in einer militärisch prekären Situation für die russische Armee die Verletzlichkeit des Putin-Regimes aufzuzeigen.»

BBC-Reporter Steve Rosenberg berichtete, dass die Explosionen der zerstörten Drohnen in Moskau gut zu hören gewesen seien. Für die Menschen in der russischen Hauptstadt sei der Krieg in der Ukraine etwas gewesen, das «weit weg stattfand, etwas, das sie im Fernsehen sahen». Das habe sich nun geändert. Der Drohnenangriff ist ein Wendepunkt in einem Krieg, der laut Kreml niemals das Leben der einfachen Russen bedrohen würde.

Putin wird verstärkt zurückschlagen

Derweil hält Russland weiter am Narrativ fest, gegen den «arroganten und aggressiven Westen zu kämpfen, der durch seine Unterstützung der Ukraine einen globalen Krieg riskiert.» Zuletzt hatten die russischen Streitkräfte wieder verstärkt Luftangriffe mit Raketen und Drohnen auf die Ukraine und insbesondere die Hauptstadt Kiew geflogen.

Der Drohnenangriff auf Moskau könnte nun den Vorwand liefern, die Luftangriffe auf die Ukraine zu verstärken. «Der Kreml wird seine eigenen Drohnenattacken auf Kiew und andere wichtige ukrainische Städte weiter intensivieren», vermutet Russland-Kenner Ulrich Schmid.

Eine der Drohnen, die am Dienstagmorgen in Moskau abgeschossen worden.
Eine der Drohnen, die am Dienstagmorgen in Moskau abgeschossen worden.
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