Lagebild Ukraine Kiew nervt Putin an mehreren Fronten – die Offensive läuft

Philipp Dahm

25.5.2023

USA stellt Ukraine Kampfjets in Aussicht – Selenskyj hoffnungsvoll

USA stellt Ukraine Kampfjets in Aussicht – Selenskyj hoffnungsvoll

Die USA stellt der Ukraine neue Kampfjets in Aussicht, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stimmt das hoffnungsvoll. Kampfjets des US-Typs F-16 würden nicht nur die Verteidigung des Landes stärken, sondern wären ein starkes Signal dafür, dass Russland mit seiner Aggression scheitern werde, so Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache.

25.05.2023

Nichts als Ärger für Wladimir Putin: Im Norden machen Partisanen ihm das Leben schwer, im Osten der Ukraine droht eine Einkreisung und im Süden nerven Präzisionsschläge: Kiews Gegenoffensive ist angeblich im Gange.

P. Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Russland muss sich strecken: Die russischen Partisanen kündigen im Norden der Ukraine weitere Vorstösse über die Grenze an.
  • Bei Bachmut will das ukrainische Militär die Angreifer in eine Falle gelockt haben. Moskau verstärkt die Flanken und erleidet Verluste.
  • Im Süden schaltet die Ukraine weiter Ziele mit Artillerie und Langstrecken-Waffen aus. Mehrere Flugplätze wurden getroffen: Möglicherweise sind Russlands Piloten das Ziel.
  • Im Juni werden dem ukrainischen Militär weitere CV-90 und Leopard 1A5 zur Verfügung stehen.

Die ukrainische Gegenoffensive hat angeblich bereits begonnen, und Russland hat die Initiative verloren. Im Norden der Front muss sich der Kreml mit Partisanen herumschlagen, die bewaffnete Aufklärung betreiben und Schwächen beim Schutz der Grenze aufzeigen.

Im Osten müssen sich die Truppen gegen eine Einkreisung der Soldaten in Bachmut stemmen. Und im Süden richten Präzisionsschläge massive Schäden an, die nicht nur Lager, sondern auch Infanterie treffen, die eiligst an die Brennpunkte verlegt werden soll. Moskau agiert nicht, sondern reagiert nur noch.

Und nun sagt Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten: «Die Gegenoffensive läuft schon seit Tagen.» Lange liess diese auf sich warten. Im April war der Boden noch zu durchweicht, doch nun sei der Angriff im Gange, versichert der 51-Jährige im italienischen TV – auch wenn er später nachlegt, eine Gegenoffensive sei kein singuläres Element sei, sondern habe viele Facetten.

Wladimir Putin hat dieser Tage also nichts zu lachen – der Einnahme von Bachmut zum Trotz. Der Partisanen-Angriff auf Belgorod wirkt nach. Nachdem die Armee getönt hat, sie habe 70 Eindringlinge «eliminiert», präsentieren sich nach ihrer Rückkehr die Legion Freiheit Russlands und das Russische Freiwilligenkorps (RDK) der internationalen Presse.

«Ihr werdet uns wieder auf jener Seite sehen»

Es sei ganz einfach gewesen, im Grenzgebiet vorzustossen. Zwei Tote und zwölf Verletzte haben sie zu beklagen, teilen die Partisanen mit. Und sie kündigen weitere Grenz-Aktionen an: «Ich denke, ihr werdet uns auf jener Seite wieder sehen», verkündet Denis Kapustin. Der russische Nationalist ist der Anführer der RDK. Für den Kreml ist das ein echtes Problem – wegen des Personals, das nun zum Grenzschutz aufgeboten werden muss.

Lagekarte von Bachmut vom 24. Mai.
Lagekarte von Bachmut vom 24. Mai.
Institute for the Study of War

Verstärkung brauchen die russischen Truppen auch an den Flanken von Bachmut. In der Stadt selbst ist die Schlacht geschlagen: Nur die Siedlungen Khromove im Norden und Iwaniwske im Süden sind noch in ukrainischer Hand. Armeechef Oleksandr Syrskyj betont, seine Soldaten würden in den Vororten von Bachmut weiter Widerstand leisten.

Vor allem an den Flanken machen Kiews Streitkräfte Druck. Auch deshalb gibt sich Taras Berezovets kämpferisch: «Das ukrainische Heer hat die Konditionen geschaffen, um die russischen Einheiten zu umschliessen, die in der Stadt nun schon halb eingeschlossen sind», sagt der Armeesprecher im obigen Video. «Der Feind – einer Logik folgend, die nur er versteht – ist direkt in diese Falle gelaufen.»

Bachmut: Wagner will angeblich bis zum 1. Juni abziehen

Nun sind es noch viele Kilometer, die durchkämpft werden müssten, um einen Ring um Bachmut zu ziehen – und Moskau zieht darum eiligst Truppen aus dem Süden ab, um die Flanken zu verstärken. Das wiederum nutzt das ukrainische Militär mit einer Taktik aus, die sich schon in Wuhledar bewährt hat.

Das obige Video zeigt anschaulich, wie das im Falle von Klischtschijwka funktioniert. Das Dorf liegt gut drei Kilometer südlich von Bachmut. Die ukrainische Artillerie verschiesst spezielle Granaten, die neun Minen enthalten, und decken damit das Gebiet zwischen Klischtschijwka und dem nächsten Dorf Andriivka ein. Sobald eine Kolonne von den Minen gestoppt wird, erledigt die Artillerie den Rest.

Trotz dieser Lage betont Jewgeni Prigoschin nach wie vor, er werde die Gruppe Wagner innert einer Woche aus Bachmut abziehen. Stück für Stück sollen die Söldner das Schlachtfeld bis zum 1. Juni verlassen. Ob das nur ein Trick, ein Druckmittel gegen Moskau oder Realität ist, wissen wir in sieben Tagen.

Jagt Kiew gezielt russische Piloten am Boden?

Insgesamt muss Moskau derzeit angeblich hohe Verluste durch die ukrainische Artillerie verkraften. Kiew meldet am 22. Mai, es seien 40 gegnerische Artillerie-Systeme ausgeschaltet worden. Am 24. Mai sollen es 20 gewesen sein. 

Hinzu kommen Kommando-Posten, Lager und Truppen-Konzentrationen. Am Schwarzen Meer sind zuletzt Berdjansk und Mariupol mit Langstrecken-Waffen angegriffen worden. Heute trifft es den Flughafen von Melitopol.

Dabei werden Gebäude auf Militär-Flugplätzen beschossen. Russische Blogger spekulieren nun angeblich, dass Kiew gezielt russische Piloten ausschaltet, deren Ersatz nicht nur teuer ist, sondern auch lange dauert. 

Waffen-Update: Gute Juni-Aussichten für Kiew

An Rüstungsgütern ist einiges auf dem Weg ins Kriegsgebiet. Ein Zug mit 25 schwedischen Schützenpanzern Stridsfordon 90 alias CV-90 wird erst in Deutschland und dann in der Slowakei gefilmt. Er dürfte in wenigen Tagen in der Ukraine ankommen. Das passt zu einem Bericht der «Times» über eine geheime Brigade mit modernsten schwedischen Waffen.

Sie soll klammheimlich aufgestellt worden sein und «im Mai« ihr Training beenden. Neben dem patenten CV-90 soll sie über das schwedische Artillerie-System Archer und Leopard 2A5 bestehen, die Stockholm geliefert hat.

Ab Juni sollen ausserdem die ersten der 110 versprochenen leichten Panzer vom Typ Leopard 1A5, die derzeit in Flensburg an der deutsch-dänischen Grenze instand gesetzt werden, übergeben werden. «Schon bald», zwitscherte der ukrainische Botschafter in Deutschland verheissungsvoll. Das Training der Mannschaften, das vier bis fünf Wochen dauern soll, ist bereits im Gange.

Weiteres Gerät ist im Anmarsch, wird mitunter aber erst spät im Kriegsgebiet eintreffen – etwa im Fall der 100 militärischen Fahrzeuge, die Japan der Ukraine übergeben will. Norwegen verspricht, weitere Raketenwerfer MLRS zu liefern, die USA werden Kiew weitere NASAMS-Flugabwehrrakten verkaufen und Deutschland schickt sechs Radargeräte vom Typ TRML-4D. Gleichzeitig laufen in Grossbritannien, Deutschland, Spanien und Polen die Ausbildungen weiterer ukrainischer Soldaten.