Starre Fronten in der Ukraine «Das ist eine Technologie, die den Stillstand durchbrechen könnte»

Philipp Dahm

27.6.2024

Swiss Drone League – So verdammt schwer ist es, eine Race-Drohne zu steuern

Swiss Drone League – So verdammt schwer ist es, eine Race-Drohne zu steuern

Wenn man Drohnen am Himmel sieht, mutet das Fliegen ganz leichtfüssig an. «blue News»-Redaktor Philipp Dahm will herausfinden, wie schwer es ist, eine Race-Drohne zu steuern. Das Ergebnis ist niederschmetternd.

10.10.2020

Wie im Ersten Weltkrieg: Bestimmte Technologien bevorteilen am Boden den Verteidiger. Truppen können wegen vieler Drohnen nicht unbemerkt aufmarschieren. Doch in Zukunft dürfte sich das Problem in Luft auflösen.

Philipp Dahm

27.6.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bisher sind Videos, in denen Drohnen andere Drohnen aus der Luft holen, noch relativ selten.
  • Dabei haben Drohnen den Landkrieg verändert: Offensiven am Boden sind kaum mehr möglich, weil Truppenansammlungen von Drohnen aufgeklärt und von Artillerie bekämpft werden.
  • Das werde sich erst ändern, wenn Drohnen andere Drohnen im Luftkampf abschiessen könnten, erklärt ein Militärexperte.
  • Experten erwarten «eine neue Epoche im Luftkampf».

Die ukrainischen Streitkräfte tun so einiges, um Angriffe russischer Drohnen abzuwehren. Selbst ein Propellerflugzeug vom Typ Jak-52 setzen sie im Kampf gegen Shaheed und Co. ein, wie das Video einer russischen Aufklärungsdrohne des Herstellers Zala festhält.

Dabei scheint die Jak-52 diesen Job erfolgreich zu meistern: Markierungen an der Seite der Maschine zeigen, dass sie bereits zwei Zala 421-16E und sechs Orlan-10/30 abgeschossen haben soll. Es handelt sich dabei um russische Aufklärungsdrohnen.

Doch auch ukrainische Drohnen bekämpfen unbemannte Flugobjekte des Gegners: Am 19. Juni veröffentlicht etwa die Drohneneinheit Signum, die zur 93. Selbständigen mechanisierten Brigade gehört, einen Clip, in dem eine FPV-Drohne eine Zala Lancet vom Himmel holt, mit der Bodenziele attackiert werden.

Doch dieses Spiel funktioniert natürlich auch umgekehrt: Moskau lässt ebenfalls gegnerische Flugobjekte mit FPV-Drohnen rammen, wobei FPV für First-Person View steht ...

... oder aber Moskaus Piloten lassen Granaten auf die Maschinen des Gegners fallen – hier bekommt das ein grosser Hexacopter vom Typ Baba Jaga zu spüren.

Drohnen, die andere Drohnen in der Luft bekämpfen? Wer auf diesem Gebiet als Erstes abhebt, dürfte einen Vorsprung erhalten, der den im Krieg in der Ukraine potenziell entscheidend verändern könnte.

Wie im Ersten Weltkrieg: Verteidiger im Vorteil

Warum das so ist, erklärt ein dänischer Veteran, der heute an der nationalen Verteidigungsakademie in Kopenhagen lehrt. Drohnen seien nämlich einer der Hauptgründe dafür, dass die Front derart eingefroren ist, erläutert Anders Puck Nielsen.

Ein ukrainischer Drohnenpilot im Oktober im Oblast Saporischschja beim Einsatz.
Ein ukrainischer Drohnenpilot im Oktober im Oblast Saporischschja beim Einsatz.
Keystone

Die Situation sei durchaus vergleichbar mit dem Ersten Weltkrieg: Neue militärische Entwicklungen wie das Maschinengewehr oder präzisere Artillerie hätten damals die Verteidiger bevorteilt. Diese Schwächung der Offensive habe zu der Pattsituation geführt, die wir aus der Historie kennen. Erst die Erfindung des Panzers habe das geändert.

Im Landkrieg habe die defensive Seite ebenfalls einen Vorteil, führt der Militärexperte aus: Sie kämpfe aus präparierten Positionen heraus und könne Hindernisse aufbauen oder Minenfelder auslegen. Darum gebe es die Faustregel, dass der Angreifer dem Verteidiger wenigstens dreifach überlegen sein sollte.

«Effiziente Kombination von Drohnen und Artillerie»

Das stünde im Gegensatz zum See- und Luftkrieg, wie der Angreifer im Vorteil sei: «Wer auch immer zuerst schiesst, gewinnt normalerweise den Kampf.» Doch im Landkampf habe die Offensive einen grossen Vorteil: das Element der Überraschung. Der Attackierende entscheidet, wann und wo der Kampf stattfindet.

Doch von Überraschung kann keine Rede mehr sein, seitdem beide Kriegsparteien den Himmel über der Ukraine mit Aufklärungsdrohnen füllen: Sie sind mitverantwortlich dafür, dass der aktuelle russische Grossangriff auf die Region Charkiw so kläglich gescheitert und warum die ukrainische Sommeroffensive 2023 im Sande verlaufen ist.

«In der Ukraine haben wir diese extrem effiziente Kombination von Drohnen und Artillerie, weil es bedeutet, dass du die Aufklärungskapazitäten und die Feuerkraft hat», weiss der Däne. Unauffällig Truppen zusammenziehen? Ist in diesem Krieg inzwischen unmöglich. Alle Vorteile liegen also beim Verteidiger – und die Front friert ein.

«Neue Epoche im Luftkampf»

Um die Situation zu ändern, müsse man entweder die Feuerkraft oder die Aufklärer angreifen. So konnte Russland zuletzt vorrücken, als der Ukraine die Artilleriemunition fehlte, erinnert der 44-Jährige. Kaum habe der Nachschub aus den USA wieder eingesetzt, habe sich an der Front prompt auch nichts mehr bewegt.

Nun wolle Kiew das andere Element in dieser Gleichung angehen – und tüftele an entsprechenden Lösungen, bei der Drohnen andere Drohnen in der Luft abfangen. «Das ist potenziell eine Technologie, die den Stillstand durchbrechen könnte, den wir auf dem Schlachtfeld sehen, weil sie eine Gegenmassnahme zu der Technologie ist, die den Verteidiger bevorteilt» – analog zum Aufkommen der Panzer ab dem Jahr 1916.

Auch «Scientific American» sieht «eine neue Epoche im Luftkampf» heraufziehen, weil Drohnen nun anfingen, einander vom Himmel zu holen. Mal würden sie aneinander rammen, mal würden sie die Maschine des Gegners mit Netzen lahmlegen. «Das ist etwas, was wir zuvor nicht gesehen haben», sagt Caitlin Lee vom Mitchell Institute for Aerospace Studies in Arlington, Virginia. 

Doch das dürfte sich bald ändern: Wenn sich die Anti-Drohnen-Drohnen durchsetzen und keine Gegenmassnahmen ergriffen werden können, wird auch wieder Bewegung in die Front kommen. Das Ganze steht im Zeichen einer Entwicklung, die ohnehin darauf hinausläuft, dass in Zukunft nicht mehr Menschen gegeneinander kämpfen, sondern die Maschinen, die der Mensch dafür gebaut hat.


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