Desaströses Trump-Interview«Das Flüstern eines Airbags, dem die Luft ausgeht»
Von Jan-Niklas Jäger
22.6.2023
Für sein erstes Interview seit seiner Anklage in der Geheimdokumenten-Affäre erntet Donald Trump Hohn und Spott. Auch rechtlich drohen Konsequenzen – er könnte sich nämlich auch noch selbst belastet haben.
Von Jan-Niklas Jäger
22.06.2023, 14:32
23.06.2023, 09:36
Von Jan-Niklas Jäger
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Donald Trump hat dem Nachrichtensender Fox News sein erstes Interview seit seiner Anklage in der Geheimdokumenten-Affäre gegeben.
Trumps Antworten auf die unerwartet kritischen Fragen könnten beim kommenden Prozess gegen ihn verwendet werden.
Trump gab indirekt zu, der Anfrage der Regierung, die Dokumente zurückzugeben, nicht nachgekommen zu sein.
Er habe so gehandelt, weil sich in den fraglichen Kisten Privat-Eigentum befunden habe und er zu beschäftigt gewesen sei, sich darum zu kümmern.
Hauptsächlich liberale, aber mitunter auch konservative Beobachter*innen reagierten mit Häme auf das Interview.
Dieser Auftritt lief nicht gut für Donald Trump: Bei einem Interview mit seinem ehemaligen Haussender Fox News könnte der ehemalige Präsident und führende Bewerber um die republikanische Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2024 sich in seiner Anklage wegen der Aufbewahrung von Geheimdokumenten belastet haben.
Auf die Frage, warum er die Dokumente nicht dem Nationalarchiv übergeben habe, nachdem es sie eingefordert hatte, entgegnete Trump, die Kisten mit den Dokumenten hätten auch persönliche Gegenstände enthalten, die er erst entfernen wollte.
Doch dazu sei er zu beschäftigt gewesen. «Die Kisten waren voll mit vielen Dingen: Golfhemden, Hosen, Schuhe, es waren viele Dinge», so Trump. Die Aussage lässt sich als Eingeständnis lesen, dass Trump den Forderungen der Behörden nicht nachgekommen ist.
«Lediglich ein Haufen Papiere»
Der Republikaner versuchte auch eine Tonaufnahme zu entschärfen, in der er vor Besuchern damit anzugeben scheint, Geheimdokumente über einen geplanten Angriff auf den Iran zu besitzen.
«Ich hatte kein Dokument per se», sagte Trump. Er habe lediglich «einen Haufen Papiere» gehabt, in denen es «um Iran und andere Dinge» gehe. Trump wird also vermutlich vor Gericht argumentieren, in der Aufnahme von Dokumenten zu sprechen, die ihm gar nicht vorgelegen hätten.
«Der Albtraum eines Strafverteidigers»
Mit dem Interview zog Trump den Spott der liberalen Medien zu. «Trumps Fox-News-Interview war der Albtraum eines Strafverteidigers», titelte die Nachrichtenseite «Vox». Der Nachrichtensender MSNBC sprach von Trumps Aussagen gar als «das Flüstern eines Airbags, dem die Luft ausgeht».
Das Polit-Magazin «The New Republic» schrieb, Trump habe zugegeben, ein Verbrechen begangen zu haben, «aber nur weil er beschäftigt war und seine Golfhemden und Schuhe finden musste … die er in einer Kiste mit Staatsgeheimnissen aufbewahrt hat, wie man das eben so macht.»
Laut dem «Rolling Stone» ging Trump selbst davon aus, in dem Interview eine sehr gute Figur gemacht zu haben, weil er die Fragen gut pariert hätte. Der ehemalige Trump-Anwalt Ty Cobb hingegen sagte: «Es war ein Desaster, wenn man es als Anwalt betrachtet». Trump habe der Regierung ein grosses Geschenk gemacht – «und sie werden noch mehr davon kriegen, weil [seine Anwälte] ihn nicht zum Schweigen bringen werden».
Eine konservative Hassliebe
Auch der führende Politexperte von Fox News, Brit Hume, zeichnete Trumps Auftritt in einem wenig schmeichelhaften Licht. Trumps Antworten hätten sich «am Rande zur Inkohärenz» befunden. Es habe geklungen, als würde er argumentieren, dass er mit den Geheimdokumenten hätten tun dürfen, was er wolle. «Ich glaube nicht, dass das vor Gericht Bestand haben wird.»
Die Beziehung Trumps zu Fox News ist von einer Hassliebe geprägt: Im Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen 2016 tat der ultrakonservative Nachrichtensender alles, um die Kandidatur Donald Trumps für die Republikaner zu verhindern. Während Trumps Präsidentschaft wandelte er sich aber geradezu zu seinem öffentlichen Sprachrohr.
Schadensersatzklage mit Folgen
Erst Anfang des Jahres hatte sich ein Ende der guten Beziehung Donald Trumps mit Fox News angedeutet: Die Verbreitung von dessen Behauptung, die Präsidentschaftswahl 2020 sei illegitim, etwa weil Wahlautomaten manipuliert worden seien, brachte dem Sender eine Klage des Herstellers dieser Automaten, Dominion, ein. Um einem Urteilsspruch vorzukommen, zahlte Fox News der Firma eine Summe von 787,5 Millionen Dollar.
Doch Fox News korrigierte abermals Kurs und sprang dem ehemaligen US-Präsidenten im Zuge seiner zivilrechtlichen Anklage in der Schweigegeldaffäre zur Seite. Im vergangenen Mai hat der Sender sämtliche Bezugnahmen Trumps auf die angeblich gestohlene Wahl aus einem anderen Interview herausgeschnitten.
Trump will TV-Debatte schwänzen
Eventuell ist dem Sender die Anklage auf Bundesebene im Zuge der Geheimdokumenten-Affäre nun doch eine Nummer zu gross. Jedenfalls scheint der harte Umgangston des letzten Interviews eine neue Position zu dem kontroversen Politiker zu signalisieren.
Fox News wird im Sommer auch die erste TV-Debatte der republikanischen Bewerber*innen um die Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 abhalten. Trump möchte der Veranstaltung nicht beiwohnen, schliesslich sei der Sender ihm gegenüber «feindselig» eingestellt.
Ausserdem erhebe ihn seine Führung in aktuellen Umfragen über die Konkurrenz: «Warum sollte ich Leute, die auf ein, zwei und null Prozent kommen, erlauben, mich die ganze Nacht mit Fragen zu attackieren?»