Machtkampf in SyrienDarum ist Assad Geschichte, wenn Hama und Homs fallen
Philipp Dahm
2.12.2024
Rebellen kontrollieren weite Teile von Aleppo
STORY: Rebellen-Gruppen haben in Syrien offenbar die Kontrolle über weite Teile von Aleppo gewonnen, der zweitgrössten Stadt des Landes. Am Samstag gefilmte Bilder zeigten Kämpfer, die durch die Stadt fuhren und durch den Flughafen liefen sowie Männer mit Fahnen der Oppositon vor der Zitadelle von Aleppo. Die syrische Armee hat inzwischen angekündigt, einen Gegenangriff vorzubereiten. Der Verbündete Russland hat nach eigenen Angaben Luftangriffe auf Stellungen der Rebellen in den Provinzen Aleppo und auch Idlib geflogen. Dabei sollen einige hundert Aufständische getötet worden sein. Bei Gefechten in Aleppo wurden nach Angaben der syrischen Armee Dutzende Soldaten getötet. Mehrere Gruppen aufständischer Kämpfer unter der Führung der radikal-islamischen Hayat Tahrir al-Sham (HTS) hatten innerhalb weniger Tage weite Landstriche um Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht und waren auch weiter Richtung Süden vorgestossen. Die HTS wird von vielen Staaten, darunter die USA, Russland und die Türkei, als Terrororganisation eingestuft. Das russische Aussenministerium teilte am Samstag mit, Aussenminister Sergej Lawrow habe mit seinem türkischen Amtskollegen, Hakan Fidan, telefoniert, um die Situation in Syrien zu erörtern. Die Kämpfe im Nordwesten Syriens hatten seit einer Deeskalationsvereinbarung zwischen der Türkei und Russland im Jahr 2020 weitgehend nachgelassen.
02.12.2024
Die Front im Syrischen Bürgerkrieg verschiebt sich: Auch, wenn Damaskus noch weit entfernt ist, ist Baschar al-Assad entmachtet, wenn die Städte Hama und Homs fallen. Warum das so ist, erfährst du hier.
Philipp Dahm
02.12.2024, 13:38
02.12.2024, 15:43
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Verschiedene Rebellengruppen haben Offensiven gegen die syrische Armee begonnen und mit Aleppo die zweitgrösste Stadt des Landes eingenommen.
Obwohl Damaskus noch rund 200 Kilometer von der Front entfernt ist, dürfte die Regierung fallen, wenn die Städte Hama und Homs erobert werden.
Trifft das ein, ist das Gouvernement Latakia abgeschnitten: Dort leben die Alawiten, zu denen auch Baschar al-Assad zählt.
Schneiden die sunnitischen Dschihadisten Latakia ab, würden viele alawitische Mitglieder der syrischen Armee desertieren, um ihre Familien schützen zu gehen.
Assads letzter Strohhalm sind Verstärkungen durch schiitische Kämpfer aus dem Irak und Afghanistan, die nun nach Syrien transportiert werden.
Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr. Als die israelische Armee mit der Hisbollah im Libanon eine Waffenstillstand schliessen, legen in Syrien jene Gruppen los, die gegen Machthaber Baschar al-Assad sind.
Diese Gruppen sind zum Teil miteinander verfeindet: Die Türkei unterstützt religiöse Kämpfer wie die der Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) oder der Syrischen Nationalen Armee (SNA), die nicht nur Assad bekämpfen, sondern auch verhindern wollen, dass die syrischen Kurden zu viel Einfluss gewinnen.
Der Grund: Wenn die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und die von den Kurden dominierten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) im Land etwas etablieren würden, das über eine Autonomie hinausgeht, könnten diese Kräfte türkischen Kurden als Vorbild dienen, die einen eigenen Staat fordern.
Rebellen erobern Aleppo jede Menge Material
Doch trotz der Animositäten greifen Dschihadisten und Kurden diese Gruppen seit dem 27. November beide an: Sie stossen vor, drängen Assads Truppen im Nordwesten Syriens weit zurück und revidieren in Tagen, was sich Damaskus mithilfe von Moskau und Teheran innert Jahren aufgebaut hat.
Innert drei Tagen erobern die Angreifer die Metropole Aleppo sowie 39 Städte und Dörfer. Die Kämpfer der HTS ziehen weiter in Richtung Hama, sich bald darauf aber wieder zurück, weil der eigene Nachschub überdehnt ist. Doch die noch sehr junge Kampagne gegen Assad kann inzwischen einige Erfolge vorweisen.
Exclusive pictures from Syria, taken by Clash Report correspondents in Aleppo’s Industrial City. pic.twitter.com/BZWonhxnKe
Die Rebellen können nicht nur jede Menge Land von der syrischen Armee befreien, sondern erbeuten auch jede Menge Waffen, die diese zurücklässt. Die Beute reicht von Gewehren nebst Munition über Panzer und Schützenpanzer bis hin zu Flugabwehr, Helikoptern und Raketenwerfern.
Darum sind Hama und Homs für Assad überlebenswichtig
Nun ist Damaskus zwar noch rund 200 Kilometer von der Front entfernt, doch Assads Feinde müssen eigentlich nur noch rund 70 Kilometer nach Süden vordringen – und das Regime in der Hauptstadt könnte fallen. Das hängt mit der Bedeutung der beiden Städte Hama und Homs zusammen.
There are reports of Kurdish people being allowed to leave the encircled Kurdish Shiekh Maqsood neighbourhood in Aleppo on the famous “green busses” and head for Kurdish controlled areas such as Raqqa or Manbij.
Wenn die von Ankara unterstützten Islamisten diese beiden Städte einnehmen, schneiden sie zwei Gebiete von Assads Einfluss ab: Tartus und Latakia. In diesen Gouvernements liegen einerseits die russischen Basen in Syrien, deren Soldaten dem Diktator aus Damaskus helfen.
Zum anderen ist Latakia die Heimat der Alawiten: Auch Assads Clan gehört zu dieser schiitischen Minderheit, die gleichzeitig sehr viele Mitglieder der syrischen Armee stellt. Sollten deren Familien durch sunnitische Kämpfer bedroht werden, würden wohl viele Alawiten in den syrischen Streitkräften desertieren, um zurück nach Hause zu gehen und Angehörige zu schützen.
Schiiten aus dem Irak und Afghanistan eilen Assad zu Hilfe
Sprich: Wenn Homs erobert wird, dürfte Baschar al-Assads Regime zusammenbrechen. Das ist auch jenen Kräften bewusst, die den 59-Jährigen an der Macht halten wollen.
One of the SAA's armored vehicle storage bases in Aleppo, now seized by rebel forces. The site contains T-72, T-55 tanks, BMPs, and BREM vehicles. pic.twitter.com/EOLKGEx6sk
Syrische und russische Kampfflugzeuge bombardieren deshalb Ziele in Idlib, das die Rebellen halten. Teheran schickt derweil schiitische Kämpfer ins Krisengebiet, um der syrischen Armee zu helfen.
Military column of Iraqi Iranian-supported Shiite PMU forces entering Syria to join Assad’s fight against the Turkish-backed rebels.
It’s possible that parts of this column were strafed last night by U.S. Air Force A-10 Warthogs pic.twitter.com/zJsWlgqjLC
Die Soldaten der Hisbollah-Brigaden aus dem Irak wie auch der Liwa Fatemiyoun aus Afghanistan sollen dort heute ankommen. Israelische Medien berichten weiterhin, dass Jerusalems Luftwaffe verhindert hat, dass iranische Transportflugzeuge Nachschub in die syrische Hauptstadt fliegen.
US-Flugzeuge greifen an – Kreml entlässt Generalleutnant
Die von den Kurden angeführten SDF konzentrieren ihre Offensive derzeit auf den Osten Syriens: Angeblich attackieren sie die Stadt al-Mayadin und bekommen dabei laut syrischen Medien auch Hilfe durch Flugzeuge der amerikanischen Streitkräfte.
“According to Ukrainian intelligence (GUR), Russian forces in Syria have suffered significant losses amid a successful offensive by pro-Turkish forces. In response, the Kremlin has dismissed Lieutenant General Sergei Kisel, the commander of its military group in Syria.”
Die Erfolge der Rebellen haben Konsequenzen. Auch für Moskau: Der Kreml entlässt den Oberbefehlshaber der russischen Truppen in Syrien. Dass Generalleutnant Sergej Kisel gehen muss, berichtet zuerst der Pro-Putin-Kanal Rybar auf Telegram.
JOB OPENING: Putin has fired Lieutenant General Sergei Kisel, the commander of its military group in Syria. Here’s one of many reasons why. Syrian rebels pose in front of a Russian Pantsir S-1 air defense system abandoned by Russian technicians. pic.twitter.com/NsSf3lsGKe
Ob der Wechsel der russischen militärischen Führung noch etwas bewirken kann, scheint fraglich. Der Kreml hat wegen des Krieges in der Ukraine das Gros seiner Bodentruppen aus Syrien abgezogen. Nun läuft Wladimir Putin Gefahr, den Militärflugplatz Hmeimim in Latakia und den Hafen in Tartus zu verlieren.
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